Gesundheitsförderung 2: Entwicklung vor Ottawa 1986

Lotte Kaba-Schönstein

(letzte Aktualisierung am 15.06.2018)

Zitierhinweis: Kaba-Schönstein, L. (2018). Gesundheitsförderung 2: Entwicklung vor Ottawa 1986. In: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (Hrsg.). Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention. Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden.

https://doi.org/10.17623/BZGA:Q4-i034-1.0


Konzept und Prinzipien der Gesundheitsförderung sind in den 1980er-Jahren in den Industriestaaten Europas, Nordamerikas und Australiens entwickelt worden. Das Gesundheitsförderungskonzept, wie es 1986 in der Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung zusammengefasst wurde, ist als ein Aktionsprogramm zur Verwirklichung der gesundheitspolitischen Ziele „Gesundheit für alle 2000“ (GFA 2000) entwickelt worden (Gesundheitsförderung 1: Grundlagen). Das Programm wurde vom Regionalbüro Europa der Weltgesundheitsorganisation (WHO) initiiert, mitentwickelt und durchgeführt und ist später vom WHO-Hauptbüro in Genf als überregionales Projekt übernommen worden. Das Konzept und der Begriff Gesundheitsförderung haben sich weltweit verbreitet, werden jedoch nicht immer einheitlich verstanden (Gesundheitsförderung 3: Entwicklung nach Ottawa).

Die gesundheitspolitische und konzeptionelle Entwicklung im Rahmen der Weltgesundheitsorganisation und ihrer jeweiligen Regionalbüros verläuft typischerweise über internationale bzw. Welt-Versammlungen und -Konferenzen und deren Entschließungen. Die Abbildung „Gesundheitspolitische Rahmenprogrammatik: Historische Wendepunkte und Meilensteine de Gesundheitsförderung auf internationaler Ebene“ in Gesundheitsförderung 3: Entwicklung nach Ottawa zeigt die Zusammenhänge und die zeitliche Abfolge der für die internationale Entwicklung der Gesundheitsförderung bedeutsamen Konferenzen und Entschließungen und sonstiger Einflussfaktoren.

Bedeutsame Grundlagen und Wendepunkte dieser Entwicklung zur Gesundheitsförderung sind die Verabschiedung der gesundheitspolitischen Zielsetzung „Gesundheit für alle“ (GFA), die Konferenz und Deklaration von Alma-Ata (1978), die Entwicklung eines Europäischen Regionalprogramms GFA 2000 (1984) und die Einrichtung eines WHO-Programms Gesundheitsförderung (1984). Von Einfluss auf die Entwicklung des neuen Konzepts Gesundheitsförderung war auch die Kritik an einer einseitig naturwissenschaftlich orientierten Medizin, Prävention und Gesundheitserziehung. Sie wurde ergänzt durch Kritik und Anregungen aus den neuen sozialen Bewegungen der 1970erund 1980er-Jahre (Gesundheits-, Umwelt-, Verbraucher-, Frauen- und Selbsthilfebewegung).

Die 1986 verabschiedete Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung ist ein Aktionsprogramm zur Verwirklichung der Ziele GFA 2000 sowie ein Handlungsanstoß für eine „New Public Health“ (Gesundheitswissenschaften/Public Health). Sie fasst die bis dahin erfolgte Konzeptentwicklung zusammen und ist das Schlüsseldokument der weiteren konzeptionellen Entwicklung sowie der internationalen Verbreitung von Gesundheitsförderung. In den internationalen Ottawa-Nachfolgekonferenzen von Adelaide (1988) und Sundsvall (1991) werden jeweils einzelne Handlungsbereiche der Ottawa-Charta spezifiziert. 1997 werden auf der Konferenz von Jakarta die Erfahrungen und Ergebnisse seit der Verabschiedung der Ottawa-Charta bilanziert, die Kernbereiche und Strategien der Charta bestätigt und weiterentwickelt. Die globale und die regionale Rahmenstrategie für Gesundheitsförderung: Gesundheit für alle bis zum Jahr 2000 wird 1998 zur „Gesundheit für alle im 21. Jahrhundert / Gesundheit21“ aktualisiert und den Anforderungen des 21. Jahrhunderts angepasst. Die 5. Internationale Konferenz zur Gesundheitsförderung in Mexiko-City verabschiedet 2000 erstmals eine Erklärung der Gesundheitsminister zur Gesundheitsförderung und einen Rahmen für nationale Aktionspläne zur Gesundheitsförderung (zur Entwicklung nach 1986 siehe Gesundheitsförderung 3: Entwicklung nach Ottawa).

„Gesundheit für alle bis zum Jahr 2000“,
Konferenz und Deklaration von Alma-Ata (1978)

Die gesundheitspolitische Rahmenprogrammatik für Gesundheitsförderung geht zurück auf die Resolution der 30. Weltgesundheitsversammlung von Genf 1977. Hier wurde entschieden, dass „das vorrangige soziale Ziel von Regierungen und WHO in den kommenden Jahrzehnten das Erreichen eines Grades von Gesundheit für alle Bürger der Welt bis zum Jahr 2000 sein soll, der ihnen erlaubt, ein sozial und ökonomisch produktives Leben zu führen“. Diese Zielsetzung wurde als „Gesundheit für alle bis zum Jahr 2000“ bekannt. Ein Jahr später wurde diese Entwicklung fortgeführt mit der von WHO und UNICEF in Alma-Ata veranstalteten Internationalen Konferenz zur Primären Gesundheitsversorgung/ Primary Health Care (PHC)

Die Deklaration von Alma-Ata (1978) ist ein Schlüsseldokument in der Entwicklung und Weiterentwicklung der Strategie „Gesundheit für alle“. Sie ist Grundlage der daraus abgeleiteten Gesundheitsförderung. Die Deklaration enthält bereits die Kernelemente der weltweiten gesundheitspolitischen Programmentwicklung bis heute und wird als Wendepunkt der bis dahin eng medizinisch orientierten Weltgesundheitsorganisation eingeschätzt.

So wird erstmals explizit darauf hingewiesen, dass zum Erreichen der Gesundheitsziele das Zusammenwirken von sozialen und ökonomischen Sektoren außerhalb des Gesundheitssektors und die Beteiligung der Bevölkerung notwendig ist (Partizipation). Gesundheit wird als Grundrecht aller Menschen deklariert. Die Ungleichheit des Gesundheitszustands von Menschen insbesondere zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, aber auch innerhalb von Ländern, wird als unannehmbar bezeichnet und in Zusammenhang mit einer gerechten Weltwirtschaftsordnung gesetzt.

Primäre Gesundheitsversorgung wird als Schlüsselstrategie zum Erreichen der Gesundheit für alle angesehen, als Teil einer Entwicklung im Geiste sozialer Gerechtigkeit und Politik der Chancengleichheit. Primäre Gesundheitsversorgung richtet sich auf die Hauptgesundheitsprobleme der Gesellschaft und umfasst (gemeindeorientierte) gesundheitsfördernde, präventive, kurative und rehabilitative Dienste (Gemeindeorientierung). Die 32. Weltgesundheitsversammlung von 1979 in Genf bestätigte die Deklaration von Alma-Ata und führte die Globalstrategie „Gesundheit für alle 2000“ ein. Diese Globalstrategie war das Rahmenprogramm für alle regionalen Programme und Strategien. Sie wurde 1998 von der 51. Weltgesundheitsversammlung in einer stark überarbeiteten Form als globale Strategie für das 21. Jahrhundert bestätigt (Gesundheitsförderung 3: Entwicklung nach Ottawa).

Europäische Strategie „Gesundheit für alle“ (1984) und Vorarbeiten zum
„WHO-Programm Gesundheitsförderung“

Auf der Tagung des Europäischen Regionalkomitees 1980 in Kopenhagen einigten sich die Vertreter der Mitgliedstaaten der Europäischen Region der WHO (WHO-Euro) auf der Grundlage der Globalstrategie erstmalig auf ein gemeinsames gesundheitspolitisches Konzept: die Europäische Strategie zur Erreichung des Ziels „Gesundheit für alle bis zum Jahr 2000“.

Zur Unterstützung dieser Strategie wurde 1981 in Berlin ein neues „Europäisches Regionalprogramm über Gesundheitserziehung und Lebensweisen“ beschlossen. Es hatte drei Schwerpunkte: „Gesundheitsförderung“, „präventive Gesundheitserziehung“ und „unterstützende Gesundheitserziehung“. Diese neue Strategie sollte die bisherige Gesundheitserziehung an die gesundheitspolitische Entwicklung anpassen und sie fortentwickeln: mit neuen Leitbildern, einem positiven Gesundheitsbegriff, innovativen Methoden, Gemeinschafts- und Laienbeteiligung, Multisektoralität und Interdisziplinarität sowie Berücksichtigung von sozialen und Umweltfaktoren.

1984 verabschiedeten die europäischen WHO-Mitgliedstaaten nach Vorarbeiten des Europäischen Regionalbüros die „38 Einzelziele für Gesundheit 2000“ zur Unterstützung der europäischen Regionalstrategie als europäisches gesundheitspolitisches Grundsatzprogramm. Der Schwerpunkt von Gesundheitspolitik sollte auf die „Förderung der Gesundheit“ und die „Verhütung von Krankheiten“, also auf das Vorfeld von Krankheiten und Therapie gelegt werden. Weitere Hauptelemente der Europäischen Regionalstrategie waren die Reduzierung der gesundheitlichen Chancenungleichheiten zwischen den Ländern und innerhalb der Länder Europas, die Förderung der Beteiligung der Bevölkerung an Belangen, die ihre Gesundheit betreffen, die sektorübergreifende und internationale Zusammenarbeit und eine gemeindeorientierte primäre Gesundheitsversorgung.

Die 1984 formulierten „Ziele zur Gesundheit für alle - die Gesundheitspolitik für Europa“ wurden 1991 vom WHO-Regionalkomitee für Europa aktualisiert. Durch die Europakonferenz Gesundheitspolitik von 1994 in Kopenhagen wurde der regionalgesundheitspolitische Ansatz der „Gesundheit für alle“ als der beste Weg zur Bewältigung der gesundheitspolitischen Probleme auch im auf 51 Mitgliedstaaten angewachsenen Europa bestätigt. Gesundheitliche Chancengleichheit wird dabei als in jeder Beziehung erstes Prinzip hervorgehoben.

Kritik an Medizin, „traditioneller“ Prävention und Gesundheitserziehung
und die Neuen sozialen Bewegungen (Gesundheits-, Umwelt-, Frauen-,
Verbraucher- und Selbsthilfebewegung)

Zur Zeit der Entwicklung des neuen Konzepts Gesundheitsförderung, Ende der 1970er-, Anfang der 1980er-Jahre haben verschiedene Bewegungen, Strömungen und Trends, die sich zeitlich und inhaltlich vielfach überschneiden, die Entwicklung des Konzepts Gesundheitsförderung beeinflusst:

  • Allgemeine Medizinkritik, die den eingeschränkt biomedizinischen Umgang mit Krankheit und Gesundheit thematisierte (Biomedizinische Perspektive)
  • Kritik an der daraus abgeleiteten „traditionellen“ Prävention und Gesundheitserziehung und die damit verbundenen Forderungen nach ihrer „Modernisierung“ und Umorientierung
  • Beginnende Erweiterung der Medizin und Prävention um psychosoziale Perspektiven und ein Verständnis der Prävention als Gemeinschaftsaufgabe, die psychosoziale u.a. Berufsgruppen einbezieht
  • Erste Erfahrungen mit gemeindeorientierten Herz-Kreislauf-Präventionsstudien und -programmen in den USA, Skandinavien und Deutschland
  • Gesundheits-, Umwelt- und Verbraucherbewegungen, insbesondere auch Frauengesundheits- und Selbsthilfebewegung, die eine ganzheitlichere und differenziertere Betrachtungsweise von Krankheit und Gesundheit einforderten
  • Zunehmende Bedeutung gesellschaftlicher Trends und Moden der Fitness, Wellness und Gesundheit

Es gab aber auch innerhalb der Gesundheitserziehung selbst, sowohl unter Praktikerinnen und Praktikern, als auch in den einschlägigen (wissenschaftlichen) Veröffentlichungen, eine kritische Diskussion ihrer Schwächen und Einseitigkeiten. Bemängelt wurden:

  • fast ausschließliche Krankheits-, Medizin- und Risikofaktorenorientierung,
  • überwiegende Expertenorientierung,
  • Tendenz zu individualisierenden, einseitigen und Schuld zuweisenden Perspektiven und Methoden („Blaming the victim/Victim blaming“),
  • Einengung der Perspektiven und Strategien auf individuelle medizinisch definierte Risikofaktoren und auf individuelle Verhaltensänderungen und
  • damit einhergehende Vernachlässigung struktureller Perspektiven und Strategien.

Vielen Ansätzen der traditionellen Gesundheitserziehung wurde auch vorgeworfen, soziale Unterschiede zu vernachlässigen und sogar zu vergrößern durch eine oft unreflektierte Mittelschichtorientierung, wie sie z. B. durch ausschließlichen oder überwiegenden Einsatz von Printmedien, von Kursangeboten und von Komm-Strukturen der Gesundheitserziehung entstehen kann (Gesundheitsförderung und soziale Benachteiligung).

Diese Einseitigkeiten und Mängel wurden auch für die mangelnde Wirksamkeit der Gesundheitserziehung verantwortlich gemacht und mit Forderungen nach Umorientierung und Erweiterung der Perspektiven, Prinzipien und Strategien verbunden: Beteiligung von Laien, von Gemeinschaften, Berücksichtigung von Lebensbedingungen, von sozialen Unterschieden in Gesundheit und Krankheit, Notwendigkeit interdisziplinärer Problemanalysen und Strategien, „positives“ Gesundheitsverständnis - Forderungen, die sich mit denen der GFA 2000 und Deklaration von Alma-Ata deckten (Gesundheitliche Aufklärung und Gesundheitserziehung).

WHO-Euro-Arbeitsschwerpunkt „Programm Gesundheitsförderung“ (1984)

Anfang 1984 hatte die WHO-Euro in Kopenhagen ein neues Programm (im Sinne von Arbeitsschwerpunkt) unter der Bezeichnung Gesundheitsförderung eingerichtet. Dieses Programm wurde maßgeblich von Ilona Kickbusch als Regional Officer for Health Education initiiert und mitentwickelt. Im selben Jahr traf sich in diesem Zusammenhang eine internationale Arbeitsgruppe und diskutierte und veröffentlichte ein erstes Grundsatzpapier „Diskussionsgrundlage über Konzept und Prinzipien der Gesundheitsförderung“. Die Kritik an Medizin, Prävention und Gesundheitserziehung, die gesundheitspolitischen Programmvorgaben der WHO seit Alma-Ata sowie Anregungen aus der Verbraucher-, Frauen- und Selbsthilfebewegung und der gesundheitsbezogenen Gemeinwesenarbeit waren in die Entwicklung von Konzept und Prinzipien des neuen Ansatzes Gesundheitsförderung eingeflossen.

Diese „Diskussionsgrundlage“ ist das erste eigenständige - wenn auch inoffizielle - Grundsatzdokument der Gesundheitsförderung. Es bezeichnet als Ziel von Gesundheitsförderung die Befähigung von Menschen, größeren Einfluss auf die Erhaltung und Verbesserung ihrer Gesundheit zu nehmen und nennt als (noch aktuelle) wichtige Prinzipien von Gesundheitsförderung:

  • Sozioökologisches Verständnis der ständigen Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt
  • Blick auf die gesamte Bevölkerung in ihren alltäglichen Lebenszusammenhängen und nicht ausschließlich auf spezifische Risikogruppen
  • Beeinflussung der Bedingungen und Ursachen von Gesundheit (mit der Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit vieler Bereiche zur Beeinflussung der vielfältigen Faktoren)
  • Verbindung unterschiedlicher, aber einander ergänzender Maßnahmen oder Ansätze, einschließlich Information, Erziehung, Gesetzgebung, steuerlicher Maßnahmen, organisatorischer Regelungen, gemeindenaher Veränderungen sowie spontaner Schritte gegen Gesundheitsgefährdungen
  • Konkrete und wirkungsvolle Beteiligung der Öffentlichkeit
  • Verständnis von Gesundheitsförderung als primäre Aufgabe im Gesundheits- und Sozialbereich und nicht als medizinische Dienstleistung (Gesundheitsförderung 1: Grundlagen)

Die Ottawa-Konferenz und Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung (1986)

Vor dem Hintergrund der WHO-Strategien und eines zunehmenden Interesses an einer „New Public Health“ veranstaltete die WHO 1986 zusammen mit der Canadian Public Health Association und Health and Welfare Canada in Ottawa eine Weltkonferenz. Diese erste Internationale Konferenz zur Gesundheitsförderung mit 240 Teilnehmenden aus 35 überwiegend Industrieländern verabschiedete die Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung. Die Charta fasst die in der mehrjährigen Programmentwicklungsphase erarbeiteten wichtigsten Ziele und Prinzipien des Handlungskonzepts Gesundheitsförderung zusammen und ergänzt sie um spezifische Handlungsprinzipien und Handlungsbereiche der Gesundheitsförderung.

Die Ottawa-Charta wurde von ihren Verfassern und Verfasserinnen als ein Aktionsprogramm zur Erreichung des Ziels „Gesundheit für alle bis zum Jahr 2000“ und darüber hinaus verstanden. Weitere Zielorientierungen und Grundlagen für die Entwicklung der Charta waren: die Deklaration von Alma-Ata über die primäre Gesundheitsversorgung/ Primary Health Care, das WHO-Dokument Einzelziele für Gesundheit 2000 und die Diskussion der Weltgesundheitsversammlung zur intersektoralen Zusammenarbeit für Gesundheit.

Die Charta wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre in einer für ein gesundheitspolitisches Dokument außergewöhnlichen Dynamik verbreitet. Sie wurde nach und nach von den Regierungen und staatlichen sowie nichtstaatlichen Akteuren und Organisationen der Gesundheitsförderung als Grundsatz- und Leitdokument akzeptiert für die Gesundheitsförderung, die Gesundheitserziehung, die Gesundheitsbildung, die Prävention sowie für Gesundheitswissenschaften und (neue) Öffentliche Gesundheit/(New) Public Health (GesundheitsbildungPräventionGesundheitswissenschaften).

Sie ist das Grundsatzdokument für die Settingprojekte und die diese verbindenden zahlreichen internationalen, nationalen und regionalen Netzwerke der Gesunden Städte, Gesundheitsfördernden Schulen, Betriebe und Krankenhäuser (SettingansatzKommunalpolitische Perspektive/Leitbild Gesunde und Soziale StadtGesundheitsförderung und Schule/HochschuleGesundheitsförderung und BetriebGesundheitsförderung und KrankenhausGesundheitsförderung 1,2 und 3Gesundheitsförderung 5: Deutschland).

In den internationalen Ottawa-Nachfolgekonferenzen von Adelaide (1988) und Sundsvall (1991) wurden jeweils einzelne Handlungsbereiche der Ottawa-Charta spezifiziert. 1997 wurden auf der Konferenz von Jakarta die Erfahrungen und Ergebnisse seit der Verabschiedung der Ottawa-Charta bilanziert sowie die Kernbereiche und Strategien der Charta bestätigt und weiterentwickelt.

Diese und die weiteren Konferenzen werden ausführlich im folgenden Abschnitt „Gesundheitsförderung 3: Entwicklung nach Ottawa“ behandelt.

Das Konzept der Gesundheitsförderung (nach der Ottawa-Charta) wurde als Ausdruck einer „dritten Public Health-Revolution“ bezeichnet. Nach dem erfolgreichen Kampf gegen die Infektionskrankheiten durch Gesundheitsschutz und Hygiene und nach der  Zurückdrängung von Risikofaktoren in der Prävention steht  die  Zunahme von chronischen (nichtübertragbaren) Erkrankungen im Fokus. Die  Ergebnisse der großen Gemeindeinterventionsstudien im 20. Jahrhundert legten nahe, dass die Verbesserung der bevölkerungsweiten Gesundheitsbilanz, der Gesundheits- und der Lebenserwartung über die Möglichkeiten der Medizin sowie der risikoorientierten edukativen Verhaltensänderung hinausgeht. Als erfolgversprechender gelten seither breite, interdisziplinäre und intersektorale Strategien zur Beeinflussung gesundheitsrelevanter Lebensbedingungen sowie die Berücksichtigung von Gesundheit als Handlungsziel in verschiedenen Politikbereichen. Gesundheit ist in sozialökologischer Perspektive eine Ressource für Wohlbefinden und erhöhte Lebensqualität.

Literatur:

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Forschung, in: Gesundheitserziehung 6, Wien 1984;
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hg.), Europäische Monographien zur Forschung in Gesundheitserziehung 5, Köln 1983;
Franzkowiak P/Sabo P, Die Entwicklung der Gesundheitsförderung in internationalen und nationalen Dokumenten, in: Franzkowiak P/Sabo P, Dokumente der Gesundheitsförderung, Mainz 1993;
Franzkowiak P/Luetkens C/Sabo P, Dokumente der Gesundheitsförderung II. Internationale und nationale Dokumente und Grundlagentexte zur Entwicklung der Gesundheitsförderung von 1992 bis 2013, Duisburg 2013;
Hurrelmann K/Laaser U/Richter M, Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention, in: Handbuch Gesundheitswissenschaften, 6. Auflage, Weinheim 2016;
Kickbusch, I/Hartung, S, Die Gesundheitsgesellschaft. Konzepte für eine gesundheitsförderliche Politik, Bern 2014
Leanza M, Die Zeit der Prävention. Eine Genealogie, Weilerswist 2017
Regionalbüro für Europa der WHO, Gesundheitsförderung - Eine Diskussionsgrundlage über Konzept und Prinzipien, 1984, in: Franzkowiak P/Sabo P (Hg.), Dokumente der Gesundheitsförderung, Mainz 1993;
Ruckstuhl B, Gesundheitsförderung. Entwicklungsgeschichte einer neuen Public Health Perspektive. Mit Zeitzeugeninterviews. Weinheim 2011;
Trojan A/Legewie H, Nachhaltige Gesundheit und Entwicklung. Leitbilder, Politik und Praxis der Gestaltung gesundheitsförderlicher Umwelt- und Lebensbedingungen, Frankfurt 2001;
WHO: Milestones in Health Promotion. Statements from Global Conferences, Genf 2009

Internetadressen:

www.euro.who.int
www.who.int/healthpromotion/en
www.gesundheitsfoerdernde-hochschulen.de

Verweise:

Biomedizinische Perspektive, Gesundheitliche Aufklärung und Gesundheitserziehung, Gesundheitsbildung, Gesundheitsförderndes Krankenhaus, Gesundheitsförderung 1: Grundlagen, Gesundheitsförderung 2: Entwicklung vor Ottawa 1986, Gesundheitsförderung 3: Entwicklung nach Ottawa, Gesundheitsförderung 5: Deutschland, Gesundheitsförderung und Schule, Gesundheitsförderung und soziale Benachteiligung / Gesundheitsförderung und gesundheitliche Chancengleichheit, Gesundheitsschutz, Gesundheitswissenschaften / Public Health, Gesundheitsziele, Lebensqualität - ein Konzept der individuellen und gesellschaftlichen Wohlfahrt, Lebensweisen/Lebensstile, Partizipation: Mitentscheidung der Bürgerinnen und Bürger, Prävention übertragbarer Erkrankungen, Prävention und Krankheitsprävention, Primäre Gesundheitsversorgung / Primary Health Care, Risikofaktoren und Risikofaktorenmodell, Settingansatz/Lebensweltansatz, Sozialraum- und Gemeindeorientierung in der Gesundheitsförderung, Wohlbefinden / Well-Being