Urban health / StadtGesundheit

Rainer Fehr

(letzte Aktualisierung am 05.11.2020)

Zitierhinweis: Fehr, R. (2020). Urban health / StadtGesundheit. In: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (Hrsg.). Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention. Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden.

https://doi.org/10.17623/BZGA:Q4-i124-2.0

Zusammenfassung

Ausgehend von einer integrativen (human-)ökologischen Perspektive versucht „StadtGesundheit“, Public Health-Theorie und -Praxis für die Gesundheit städtischer Bevölkerungen konkret anzuwenden. Zu den Schwerpunkten dieses anschaulichen Ansatzes gehören methodisch die Stadt-Epidemiologie und inhaltlich die Gestaltbarkeit urbaner Lebenswelten. Im Sinne von Transdiziplinarität lassen sich hier neue zivilgesellschaftliche Arbeitsformen entwickeln.

Schlagworte

StadtGesundheit, Urban health, gesunde Stadt, Stadtplanung, Umwelt und Gesundheit, Nachhaltigkeit, Transdiziplinarität


Urban health/StadtGesundheit bezeichnet die Anwendung von Public Health-Theorie und -Praxis für die Gesundheit städtischer Bevölkerungen (Gesundheitswissenschaften / Public Health). Zum Konzept StadtGesundheit gehören folgende Teilthemen:

  • Gesundheitszustand und (vermeidbare) Krankheitslast urbaner Bevölkerungen
  • Gesundheitsdeterminanten aus der physischen und sozialen Lebens(um)welt in der Stadt: Chancen und Risiken
  • Auswirkungen fehlender Gesundheit einschließlich Gestaltungs- und Versorgungsbedarfen
  • Urbaner Gesundheitsschutz und urbane Gesundheitsförderung (Gesundheitsförderung 1: Grundlagen)
  • Krankheitsprävention, -behandlung und -nachsorge
  • Gesundheitsbezogene städtische Steuerungsprozesse (governance)

Die Fokussierung auf StadtGesundheit entspringt nicht etwa der Auffassung, dass „Gesundheit auf dem Lande“ ein weniger wichtiges Thema darstellt. Vielmehr geht es darum, anhand von vertrauten Einheiten wie „Stadt“ und „Stadtteil“ die vielfältigen räumlichen Bezüge von Gesundheit und Krankheit (vgl. Augustin & Koller 2017) ins Blickfeld zu nehmen; insofern ist „Rural health“ ein natürliches Pendant zu Urban health. Im Sinne einer integrativen ökologischen und humanökologischen Perspektive auf „Gesundheit und Krankheit“ geht es programmatisch auch darum, dem komplexen und fragilen Verhältnis zwischen Mensch und städtischer (Um-)Welt gerecht zu werden und dabei sowohl soziale Ziele (Hornberg, Pauli & Fehr 2018) als auch ökologische Nachhaltigkeit (s. u.) zu integrieren.

Zu den konzeptionellen Grundlagen gehören u. a. das Prinzip intersektorale Politik für Gesundheit und gesundheitsfördernde Gesamtpolitik/Health in all Policies (Trojan & Fehr 2020). „StadtGesundheit“ steht in Einklang mit weiteren zentralen Prinzipien der Gesundheitsförderung wie z. B. Gesundheitsbezogener Gemeinwesenarbeit, lokaler Vernetzung, Anknüpfen an Ressourcen in der Lebenswelt sowie mit der kommunalen Perspektive (Gesundheitsförderung und Gesunde / Soziale Stadt / Kommunalpolitische Perspektive). Mit sozialräumlicher Orientierung nimmt auch Urban health die Gesundheits- und weiteren kommunalen Ämter sowie wirtschaftliche und zivilgesellschaftliche Institutionen in den Blick und bemüht sich um die Entdeckung und Nutzung vorhandener Ressourcen sowie deren Organisation im Hinblick auf gesundheitsbezogene Ziele.

Ausdrücklich anknüpfend an internationale (z. B. Duhl 1963; Galea & Vlahov 2005) und hiesige (z. B. Vogler & Kühn 1957) Entwicklungen zu Urban health ist StadtGesundheit ausgerichtet auf Blickfelderweiterung und Integration multipler Teilthemen und bildet somit einen sinnvollen Gegenpol zu stetig fortschreitenden Ausdifferenzierungen. Ergänzend zu den in der Gesundheitsförderung vorherrschenden Fokussierungen nimmt Urban health auch Krankheiten und die medizinische Versorgungslandschaft mit in den Blick. Analog zu Public Health insgesamt kommt auch hier der (Stadt-)Epidemiologie eine Schlüsselrolle zu (Fehr, Annuß & Terschüren 2011; Bolte 2018). Ein wichtiges Ziel von StadtGesundheit liegt in der strategischen Verbindung zwischen Stadtplanung und Gesundheit (Böhme, Kliemke, Reimann & Süß 2012).

Die urbane Dichte, Heterogenität, Komplexität und Dynamik beinhalten nicht nur eine Vielfalt und Vielzahl unterschiedlicher Einflüsse auf menschliche Gesundheit und Krankheit (Ressourcen, Belastungen), sie modulieren auch die Folgewirkungen von (fehlender) Gesundheit wie z. B. spezifische Versorgungsbedarfe und Zugangserfordernisse. Auch wenn angesichts vielfältigster Teilthemen und Wechselwirkungen nur eine partielle Integration möglich sein wird, lässt sich doch ein ganzheitlicher Blick auf StadtGesundheit erreichen einschließlich medizinischer Versorgung, Gesundheitsschutz, Prävention und Gesundheitsförderung durch den Gesundheitssektor sowie aller weiteren (über den Gesundheitssektor hinausgehenden) gesellschaftlichen Gesundheitsbezüge (Gesundheitsfördernde Gesamtpolitik/Healthy Public Policy).

Der breite Blick auf StadtGesundheit bietet Orientierung für die vielfältigen Akteurinnen und Akteure, Strukturen und Prozesse; er kann kritische Analysen und Vergleiche z. B. zum Zusammenspiel der Komponenten unterstützen, ggf. Priorisierungen ermöglichen und in der städtischen Zivilgesellschaft das Thema Gesundheit solide verankern.

Eine solche (wenngleich ergänzungsbedürftige) Thematisierung von StadtGesundheit folgt übrigens mitunter auch aus einer gesundheitsökonomischen Perspektive, wie z. B. das Portal des Vereins „Gesundheitsstadt Berlin“ dies erkennen lässt.

Entstehungszusammenhänge

Über die gemeinsamen Wurzeln von Stadtplanung und Public health hinaus lassen sich mehrere Entstehungszusammenhänge unterscheiden, die im Folgenden als Punkte (1) bis (4) angesprochen werden.

(1) Das Konzept StadtGesundheit erkennt die wachsende Bedeutung urbaner Lebenswelten an. Städte sind im 21. Jahrhundert (nach ca. 11.000 Jahren seit der Entstehung von Städten) zur weltweit dominanten Siedlungsform geworden, was sich im Thema des Wissenschaftsjahres 2015 („Zukunftsstadt“) spiegelte und zu weitgehenden Proklamationen wie „Urbanes Zeitalter“ und „Millennium der Städte“ geführt hat. Als ausgewählte Kennzeichen des Stadtlebens seien genannt:

  • Hohe Bevölkerungs- und Nutzungsdichte mit der Folge kurzer Wege und guter Erreichbarkeit z. B. von Kontaktpersonen und unterschiedlichster Einrichtungen
  • Heterogenität städtischer Populationen samt Herkunft, Lebensstilen und -lagen, insbesondere auch kulturelle und soziale Diversität
  • Komplexität urbaner Energie-, Materie-, Informationsströme sowie urbaner Versorgungs-, Entsorgungs- und Verkehrssysteme, bei raschem Wandel u. a. in physischer (z. B. Klimawandel), technologischer (z. B. Digitalisierung), ökonomischer (einschließlich Krisen) und sozialer (einschließlich wachsender Spaltung und sozialer Verdrängung) Hinsicht.

(2) StadtGesundheit befasst sich u. a. mit gesundheitlich bedeutsamen städtischen Besonderheiten. Exemplarisch erwähnt seien:

  • Aus der hohen Dichte resultierende Einbindungs- und Zugangschancen, aber gleichzeitig gesteigerte Expositions- und Verbreitungschancen für Krankheitserreger, physikalische und chemische Noxen sowie Rauschmittel
  • Spezielle Anforderungen an die Kommunikation mit heterogenen urbanen Populationen; ebenso Anpassung weitergehender Maßnahmen an ethnische und kulturelle Gegebenheiten
  • Angesichts komplexer urbaner Systeme sowie multiplen urbanen Wandels ein gesteigerter Bedarf an Umsicht und Vorausschau bezüglich physischer und mentaler Gesundheit

Vor diesem Hintergrund werden für die Praxis von StadtGesundheit folgende Kompetenzen als erforderlich angesehen: wissenschaftliches Verständnis urbaner Dynamik von Gesundheit und Krankheit; technische Ansätze der Messung, Beurteilung und effizienten Intervention im urbanen Umfeld; organisatorische Kompetenz u. a. zur Bildung von Koalitionen für StadtGesundheit; eine politisch verankerte Mobilisierung von Ressourcen.

(3) Urbane Umwelt unterliegt – teils formal geplant, teils als Zusammenspiel unterschiedlichster Einflüsse – einer steten Entwicklung. Stadt- (und Umland-)planung sowie städtische und metropolregionale Entwicklungsprozesse bieten Ansatzpunkte und Gestaltungschancen für Schutz und Förderung der Gesundheit urbaner (Teil-)Populationen. Städtische und regionale Steuerungsprozesse u. a. zur Stadtplanung, -entwicklung und -sanierung sowie Metropolentwicklung betreffen das gesamte Spektrum von Politik-Sektoren (samt Teilen der Zivilgesellschaft, Wirtschaftsbranchen, Ministerien und Ämtern), die Hierarchie administrativer Ebenen von lokal bis global sowie eine Vielzahl von Strategien und Werkzeugen, darunter auch dynamische urbane Systemmodelle, mit deren Hilfe sich bspw. Ansätze zur Energie- oder Verkehrswende und deren Auswirkungen auf Gesundheit untersuchen lassen.

Inhaltlich geht es u. a. um Positionsbestimmung durch städtische Gesundheitsberichterstattung über Sachstand und Trends sowie um Zielauswahl und „Kurshalten“, z. B. durch städtische Leitbilder, Szenarienbildung, übergreifende Planungen und spezifische Fachplanungen (auch für Gesundheit). Auch hier ist umsichtige Vorausschau z. B. durch frühzeitiges Erkennen von „Kollisionskursen“ (Nutzungskonflikten) eine zentrale Steuerungsaufgabe, wobei Folgenabschätzungen (Health Impact Assessment (HIA)/Gesundheitsverträglichkeitsprüfung), Performance-Analysen und Evaluationen hilfreich sind. Die Relevanz von StadtGesundheit für die praktische und politische Diskussion liegt u. a. darin, die Rolle des Themas Gesundheit bei städtischer Planung und Entwicklung im gesamten gesundheitspolitischen Aktionszyklus (Public Health Action Cycle/Gesundheitspolitischer Aktionszyklus) zu stärken.

Als wichtiges Einzelthema sei hier städtische Nachhaltigkeit genannt. Städte und ihre Bewohnerinnen und Bewohner sind einerseits als Verursacher und andererseits als Betroffene globaler Umweltveränderungen zunehmend anerkannt. Hier werden Wachstumsgrenzen spürbar und hier entstehen Impulse sozial-ökologischer Transformation. Nach jahrzehntelangen, u. a. auf die Brundtland-Kommission (WCED 1987) und die Rio-Konferenz (UN 1993) zurückgehenden Vorarbeiten hat das Thema nun viele Städte erreicht. Angesichts enger inhaltlicher Verbindungen bietet es sich an, die Ziele Nachhaltigkeit und Gesundheit in enger Koordination zu verfolgen (Nachhaltigkeit und nachhaltige Gesundheitsförderung).

(4) Der Begriff StadtGesundheit ist in hohem Maße anschaulich und eingängig. Das Konzept wird sowohl in Fachkreisen als auch in der allgemeinen Öffentlichkeit meist schnell und richtig verstanden. Instruktiv-anschauliche Vergleiche generell bekannter sozialräumlicher Einheiten wie Stadtteile, Städte und Metropolregionen sowie Vergleiche im Rahmen von Städtepartnerschaften bieten sich an. Zusätzliche Möglichkeiten der Visualisierung von StadtGesundheit bieten die in großer Zahl und Vielfalt existierenden analogen (physisch modellierten) und digitalen (computer-modellierten) Stadtmodelle. In diese bisher oft auf Gebäude, Verkehrswege und stilisierte Vegetation beschränkten Stadtlandschaften könnten Menschen „einziehen“. Urbane gesundheitliche Ressourcen und Belastungen sowie deren Auswirkungen auf Wohlbefinden, Morbidität und Mortalität könnten dargestellt werden. Ansätze hierzu bestehen u. a. für Lärm- und Luftbelastung, ließen sich aber viel umfassender für Gesundheitsthemen nutzen. Stadträume laden auch dazu ein, für unterschiedliche Zwecke von Ausbildung, Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern sowie Fachplanung bis hin zur Öffentlichkeitsarbeit benutzt zu werden, wobei das Spektrum von kleinen Begehungen bis hin zu umfangreichen Exkursionen reicht.

Anwendungsfelder und Kernaufgaben

An diese Entstehungszusammenhänge anschließend sei kurz mit Beispielen angesprochen, in welchen Kontexten und Strukturen an der Umsetzung des Konzepts Urban health gearbeitet wird. Im internationalen Raum ist Urban health ein etabliertes Themen- und Arbeitsfeld. In der Weltgesundheitsorganisation (WHO) existiert seit 1987 das Healthy Cities-Netzwerk. Für die WHO Commission on Social Determinants of Health erstellte das Knowledge Network on Urban Settings im Jahr 2008 den Bericht „Our cities, our health, our future” (Kjellström u. a. 2007). Neben der International Society for Urban Health behandeln auch andere Fachgesellschaften das Thema, so z. B. die European Public Health Association (EUPHA) in ihrer Sektion Urban health, zu deren Zielen es gehört, ein „European Urban health Knowledge Center“ aufzubauen.

In Deutschland war das Thema „Stadt(entwicklung) und Gesundheit“ über längere Zeit hinweg wenig sichtbar. Ausnahmen bildeten das „Gesunde Städte“-Netzwerk sowie Ansätze der Gemeindeorientierung und gesundheitsbezogenen Gemeinwesenarbeit. In den letzten Jahren wurden die Stärken dieses Ansatzes neu entdeckt, was sich u. a. im Arbeitskreis „Planung für gesundheitsfördernde Stadtregionen“ der Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL) spiegelte.

Im Rahmen einer mehrjährigen Förderinitiative beim Deutschen Stiftungszentrum unterstützt die Fritz und Hildegard Berg-Stiftung seit 2011 das Förderprogramm „Stadt der Zukunft – Gesunde, nachhaltige Metropolen“ mit mehreren Juniorforschungsgruppen, einer Serie von Fachtagungen und einem Sonderprojekt zum „disziplinären und sektoralen Brückenbau“. Ein die Bereiche Gesundheit, Ökologie, Planung sowie Ökonomie/Nachhaltigkeit umfassender Fachbeirat begleitet das Förderprogramm. Wie sich zeigte, befassen sich inzwischen verschiedene Institutionen in Deutschland mit dem Thema StadtGesundheit. Als „Gelbe Seiten“ werden die Profile interdisziplinär und sektorübergreifend tätiger Institutionen (Universitäten, öffentliche Einrichtungen, Institute, Fachgesellschaften, Verbände und Vereinigungen) präsentiert, um bestehende Aktivitäten darzustellen und so zur weiteren Vernetzung beizutragen (http://stadt-und-gesundheit.de/unter-dem-menuetab-stadtgesundheit/akteure-und-akteurinnen).

Im Rahmen des genannten Förderprogramms (www.stadt-und-gesundheit.de; www.urban-health.de) wurden u. a. die Themen Stadtgrün und Stadtblau (Claßen u. a. 2018; Säumel & Butenschön 2018), soziale Ungleichheit (Köckler u. a. 2018) und generationengerechte Stadtgestaltung (Conrad u. a. 2018) behandelt. Ferner ist aus der Einheit Urbane Epidemiologie am Profilschwerpunkt Urbane Systeme der Universität Duisburg-Essen inzwischen das Institute for Urban Public Health (InUPH) entstanden, das sich z. B. mit der akustischen Qualität urbaner Umgebungen befasst (Möbus u. a. 2020).

Drei Kernaufgaben von StadtGesundheit lassen sich benennen:

  • Bewusste Wahrnehmung städtischer Gruppen mit unterschiedlichem gesundheitsbezogenem Unterstützungsbedarf (u. a. Wohnungslose, Flüchtlinge, Pendler und Pendlerinnen sowie Stadtbesucher und -besucherinnen) mit ihren Lebensphasen, (auch gesundheitsbezogenen) Lebenslagen und -ereignissen, die allesamt durch die urbane Umwelt mitgeprägt werden (Lebenslagen und Lebensphasen)
  • Analyse städtischer Lebens(um)welten (Settingansatz/Lebensweltansatz) mit jeweils physischer (mehr oder weniger natürlicher/anthropogen umgestalteter) und sozialer Dimension
  • Urbane Steuerung (governance) mit der Dreigliederung: Steuerung medizinischer Versorgung; Steuerung von Gesundheitsschutz, Prävention und Gesundheitsförderung im Gesundheitssektor; Steuerung der gesundheitsrelevanten Strukturen und Prozesse außerhalb des Gesundheitssektors.

Wie die folgende Themenliste zeigt, erfordert StadtGesundheit ein konsequentes Zusammenspiel unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen und Stadtsektoren.

StadtGesundheit außerhalb des Gesundheitssektors

 
  • Stadtplanung, Fachplanungen
  • Demographie einschließlich Verschiebungen der Altersstruktur, Zu- und Abwanderung
  • Wohnungswesen
  • Bildung und Erziehung in Kindergärten, Schulen, Bildungseinrichtungen
  • Städtische Wirtschaft, Arbeitswelt
  • Ver- und Entsorgung, einschließlich (Ab-)Wasser und Energie
  • Verkehrswesen einschließlich des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV)
  • Soziale Arbeit in der Stadt, Obdachlosen- und Flüchtlingshilfe, Frauenhäuser
  • Grundrechte, (Umwelt-, Gesundheits-)Gerechtigkeit, Segregation, Verdrängung
  • Rechtsordnung, Rechtsprechung, Vollzug, Bewährungshilfe
  • Städtisches Polizei- und Ordnungswesen
  • Feuer-, Unfall-, Verbraucherschutz in der Stadt
  • Freizeit und Erholung
  • Urbane Flora (Wild-, Nutz-, Zierpflanzen) und Fauna (Wild-, Haus-,Nutztiere, Vektoren)
  • Ökosysteme und Biodiversität
  • Städtische Raumnutzung, Grün- und Blauflächen, Altlasten; Nutzungskonflikte
  • Urbane Meteorologie inkl. Extremwitterung, Klimawandel, -schutz, -anpassung
  • Städtischer Umweltschutz, Luft-, Wasser-, Bodenverunreinigungen, Lärm, Strahlung
 

Konzepte von Transdisziplinarität lassen sich nicht nur auf Forschungsarbeiten zur StadtGesundheit (Kirst, Schaefer-McDaniel, Hwang & O’Campo 2011), sondern auch auf zivilgesellschaftliche Diskussionsprozesse anwenden. So bildete sich im Rahmen einer Hamburger Initiative für nachhaltige StadtGesundheit u. a. eine Themengruppe bei der Patriotischen Gesellschaft von 1765 – Hamburgische Gesellschaft zur Beförderung der Künste und nützlichen Gewerbe, die als älteste zivilgesellschaftliche Organisation im deutschen Sprachraum gilt. Diese seit 2019 ehrenamtlich arbeitende Gruppe entwickelte beispielsweise eine Posterserie unter dem Motto „Verkehrspolitik ist auch Gesundheitspolitik“; sie organisiert außerdem Workshops und Exkursionen (Trojan & Fehr 2020).

Resümee und Ausblick

Zu den traditionellen Problemen des Themen- und Arbeitsfeldes StadtGesundheit gehört die notorisch schwache Stellung des Themas Gesundheit in der Konkurrenz mit anderen Politikbereichen und die immer noch verbreitete Reduktion des Handelns auf Aspekte der medizinischen Versorgung und des persönlichen Verhaltens. Gleichwohl ist das Konzept geeignet, der Gesundheitsförderung und Prävention durch Gesundheitsdienste wie auch durch intersektorale, ressortübergreifende Maßnahmen stärkere Geltung zu verschaffen. Unverkennbar besteht ein Bedarf, die Wahrnehmung von StadtGesundheit in Fachkreisen und Öffentlichkeit z. B. durch geeignete Fallstudien zu fördern und strategische Kooperationen der Teilbereiche weiter zu entwickeln. Schon jetzt dürfte der integrative Ansatz von StadtGesundheit hilfreich sein, um aktuelle städtische Herausforderungen besser in ihrer systemischen Verflochtenheit zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren. Detaillierte Empfehlungen und Forderungen betreffen u. a. eine integrierte Berichterstattung, ressortübergreifendes Verwaltungshandeln sowie Expertise-Netzwerke (Baumgart u. a. 2018). Ob es gelingt, systemtheoretische Urban health-Ansätze (Gatzweiler u. a. 2017) praktisch nutzbar zu machen und dabei auch den sozialen und ökologischen Zielen von StadtGesundheit gerecht zu werden, erscheint gegenwärtig noch offen.

Literatur:

Augustin, J. & Koller, D. (Hrsg.) (2017). Geografie der Gesundheit. Die räumliche Dimension von Epidemiologie und Versorgung. Bern: Hogrefe Verlag.
Baumgart, S., Böhme, C., Claßen, T., Dilger U. u. a. (2018). Planung für gesundheitsfördernde Städte – Ein Ausblick. In S. Baumgart, H. Köckler, A. Ritzinger & A. Rüdiger (Hrsg.). Planung für gesundheitsfördernde Städte. Forschungsberichte der Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL) 08 (S. 422–428). Hannover: Verlag der ARL.
Böhme, C., Kliemke, C., Reimann, B. & Süß, W. (Hrsg.) (2012). Handbuch Stadtplanung und Gesundheit. Bern: Verlag Hans Huber, Hogrefe AG.
Bolte, G. (2018). Epidemiologische Methoden und Erkenntnisse als eine Grundlage für Stadtplanung und gesundheitsfördernde Stadtentwicklung. In S. Baumgart, H. Köckler, A. Ritzinger & A. Rüdiger (Hrsg.). Planung für gesundheitsfördernde Städte. Forschungsberichte der Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL) 08 (S. 118–134). Hannover: Verlag der ARL.
Claßen, T., Baumeister, H., Heiler-Birk, A., Matros, J., Pollmann, T., Völker, S., Kistemann, T., Krämer, A., Lohrberg, F. & Hornberg, C. (2018). Stadtgrün und Stadtblau in der gesunden Kommune. Die Forschungsgruppe „StadtLandschaft und Gesundheit“. In: R. Fehr & C. Hornberg (Hrsg.). Stadt der Zukunft – Gesund und Nachhaltig. Brückenbau zwischen Disziplinen und Sektoren. Bd. 1, Edition Nachhaltige Gesundheit in Stadt und Region (S. 237–263). München: Oekom Verlag.
Conrad, K., Oswald, F., Penger, S., Reyer, M., Schlicht, W., Siedentop, S. & Wittowsky, D. (2018). Urbane Mobilität und gesundes Altern. Personen- und Umweltmerkmale einer generationengerechten Stadtgestaltung. Zur Arbeit der Forschungsgruppe autonomMOBIL. In: R. Fehr & C. Hornberg (Hrsg.). Stadt der Zukunft – Gesund und Nachhaltig. Brückenbau zwischen Disziplinen und Sektoren. Bd. 1, Edition Nachhaltige Gesundheit in Stadt und Region (S. 291–319). München: Oekom Verlag.
Duhl, L. (Hrsg.) (1963). The urban condition. People and policy in the metropolis. New York, London: Basic Books, Inc., Publishers
Fehr, R., Annuß, R. & Terschüren, C. (2011). Urban health in North Rhine-Westphalia. In: A. Krämer, M. H. H. Khan & F. Kraas (Hrsg.). Health in megacities and urban areas. Series: Contributions to Statistics (S. 101–116). New York, NY: Physica Verlag/Springer Verlag.
Galea, S. & Vlahov, D. (2005) (Hrsg.). Handbook of urban health. Populations, methods, and practice. New York, NY: Springer.
Gatzweiler, F. W., Zhu, Y.-G., Diez Roux, A. V., Capon, A., Donnelly, C., Salem, G. u. a. (2017): Advancing health and well-being in the changing urban environment. Implementing a systems approach. Series “urban health and Well-being – Systems approaches”. Singapore: Springer Nature; and Hangzhou (China): Zhejiang University Press.
Hornberg, C., Pauli, A. & Fehr, R. (2018). Urbanes Leben und Gesundheit. In: R. Fehr & C. Hornberg (Hrsg.). Stadt der Zukunft – Gesund und Nachhaltig. Brückenbau zwischen Disziplinen und Sektoren. Bd. 1, Edition Nachhaltige Gesundheit in Stadt und Region (S. 77–96). München: Oekom Verlag.
Kirst, M., Schaefer-McDaniel, N., Hwang, S. & O’Campo, P. (Hrsg.) (2011). Converging disciplines. A transdisciplinary research approach to urban health problems. New York, NY: Springer.
Kjellstrom, T., Mercado, S., Sattherthwaite, D., McGranahan, G., Friel, S. & Havemann, K. (2007). Our cities, our health, our future: Acting on social determinants for health equity in urban settings. Report to the WHO Commission on Social Determinants of Health from the Knowledge Network on Urban Settings (KNUS). Prepared by the WHO Centre for Health Development, Kobe, Japan. Zugriff am 05.11.2020 unter www.who.int/social_determinants/resources/knus_report_16jul07.pdf.
Köckler, H., Baumgart, S., Blättner, B., Bolte, G., Flacke, J., Hemetek, U., Rüdiger, A., Schüle, S. A., Shrestha, R., Sieber, R. & Waegerle, L. (2018). Stadt als gesunder Lebensort unabhängig von sozialer Ungleichheit. Die Forschungsgruppe Salus. In: R. Fehr & C. Hornberg (Hrsg.). Stadt der Zukunft – Gesund und Nachhaltig. Brückenbau zwischen Disziplinen und Sektoren. Bd. 1, Edition Nachhaltige Gesundheit in Stadt und Region (S. 265–289). München: Oekom Verlag.
Möbus, S., Gruehn, D., Poppen, J., Sutcliffe, R., Haselhoff, T. & Lawrence, B. (2020). Akustische Qualität und Stadtgesundheit – Mehr als nur Lärm und Stille. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 63:997–1003. Zugriff am 05.11.2020 unter https://link.springer.com/article/10.1007/s00103-020-03184-x.
Säumel, I. & Butenschön, S. (2018). HealthyLiving: Strategie und Planungsinstrument für gesundheitsförderndes Wohnumfeldgrün in der Stadt der Zukunft. In R. Fehr & C. Hornberg (Hrsg.). Stadt der Zukunft – Gesund und Nachhaltig. Brückenbau zwischen Disziplinen und Sektoren. Bd. 1, Edition Nachhaltige Gesundheit in Stadt und Region (S. 321–333). München: Oekom Verlag.
Trojan, A. & Fehr, R. (2020). Nachhaltige StadtGesundheit: konzeptionelle Grundlagen und aktuelle Initiativen. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 63:953–961.
UN – United Nations (1993). Report of the United Nations Conference on Environment and Development. Rio de Janeiro, 3–14 June 1992. Vol. I, Resolutions Adopted by the Conference. S. 9–479 (Annex II): Agenda 21.
Vogler, P. & Kühn, E. (Hrsg.) (1957). Medizin und Städtebau. Ein Handbuch für gesundheitlichen Städtebau (2 Bände). München: Urban & Schwarzenberg.
WCED – World Commission on Environment and Development (1987). Our common future. Oxford, New York: Oxford University Press.

Weiterführende Literatur:

Baumgart, S., Köckler, H., Ritzinger, A. & Rüdiger, A. (Hrsg.) (2018). Planung für gesundheitsfördernde Städte. Forschungsberichte der Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL) 08. Hannover: Verlag der ARL.
Corburn, J. (2013). Healthy city planning. From neighbourhood to national health equity. London & New York: Routledge, Taylor & Francis Group.
Fehr, R. & Hornberg, C. (Hrsg.) (2018). Stadt der Zukunft – Gesund und Nachhaltig. Brückenbau zwischen Disziplinen und Sektoren. Bd. 1, Edition Nachhaltige Gesundheit in Stadt und Region. München: Oekom Verlag.
Fehr, R. & Trojan, A. (Hrsg.) (2018): Nachhaltige StadtGesundheit Hamburg – Bestandsaufnahme und Perspektiven. Bd. 2, Edition Nachhaltige Gesundheit in Stadt und Region. München: Oekom Verlag.
Vlahov, D., Boufford, J. I., Pearson, C. E. & Norris, L. (2010) (Hrsg.). Urban health: Global perspectives. San Francisco, CA: Jossey-Bass/Wiley.

Internetadressen:

Arbeitskreis Planung für gesundheitsfördernde Stadtregionen der Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft: www.arl-net.de/de/content/aufgaben-und-ziele-der-arl
Gesundheitsstadt Berlin: www.gesundheitsstadt-berlin.de/startseite
Institut für Urban public health (INUPH): www.uk-essen.de/inuph/das-institut/ueber-inuph
Patriotischen Gesellschaft von 1765 – Hamburgische Gesellschaft zur Beförderung der Künste und nützlichen Gewerbe: www.patriotische-gesellschaft.de
Stadt und Gesundheit – Urban health: http://stadt-und-gesundheit.de/unter-dem-menuetab-stadtgesundheit/akteure-und-akteurinnen

Verweise:

Gesundheitsberichterstattung, Gesundheitsfördernde Gesamtpolitik / Healthy Public Policy, Gesundheitsförderung 1: Grundlagen, Gesundheitsschutz, Gesundheitswissenschaften / Public Health, Health Impact Assessment (HIA) / Gesundheitsfolgenabschätzung (GFA), Lebenslagen und Lebensphasen, Nachhaltigkeit und nachhaltige Gesundheitsförderung, Ökologische und humanökologische Perspektive, Public Health Action Cycle / Gesundheitspolitischer Aktionszyklus, Settingansatz/Lebensweltansatz