Professionelle Gesundheitskompetenz

Melanie Messer

(letzte Aktualisierung am 24.11.2023)

Zitierhinweis: Messer, M. (2023). Professionelle Gesundheitskompetenz. In: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (Hrsg.). Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention. Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden.

https://doi.org/10.17623/BZGA:Q4-i162-1.0

Zusammenfassung

Professionelle Gesundheitskompetenz adressiert die Fähigkeiten, die Motivation und das Wissen von Gesundheitsprofessionen, sich im beruflichen Kontext gesundheitsbezogene Informationen zu erschließen und diese bedarfsgerecht und verständlich an Patientinnen und Patienten zu vermitteln. Ziel ist es, Patientinnen und Patienten darin zu unterstützen informierte Entscheidungen über ihre Gesundheit zu treffen, und ihnen die Orientierung im Gesundheitssystem zu erleichtern.

Schlagworte

Health Literacy, Nutzerzentrierung, Empowerment, Informierte Entscheidung, Partizipation


Professionelle Gesundheitskompetenz adressiert spezifische Fähigkeiten, das Wissen und die Motivation von Personen, die in beruflicher Verantwortung auf die Gesundheitskompetenz anderer Personen einwirken und diese unterstützen. Die professionelle Gesundheitskompetenz ist ein Instrument der organisationalen Gesundheitskompetenz und abzugrenzen von der personalen Gesundheitskompetenz/Health Literacy der Fachkräfte.

Das Konzept der professionellen Gesundheitskompetenz kann auf unterschiedliche Settings angewandt werden wie Gesundheitseinrichtungen und die dort tätigen Gesundheitsprofessionen (z. B. Ärztinnen und Ärzte, Pflegefachpersonen, Pharmazeutinnen und Pharmazeuten, in direkter Interaktion mit Patientinnen und Patienten), Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitsdiensts, die direkt mit Bürgerinnen und Bürgern in Kontakt stehen (z. B. Mitarbeitende im Gesundheitsamt bei Untersuchungen, Sprechstunden und Beratungsangeboten), Kranken- und Pflegeversicherungen (z. B. Mitarbeitende in der Beratung von Versicherten) sowie Bildungs- und Erziehungseinrichtungen (z. B. Lehrerinnen und Lehrer) (vgl. Schulenkorf, Okan & Bauer 2021). Zur Erläuterung des Konzepts wird der Schwerpunkt nachfolgend auf Gesundheitsprofessionen gelegt.

Um den Umgang mit gesundheitsbezogenen Informationen zu verbessern, die Orientierung im Gesundheitssystem zu erleichtern und Patientinnen und Patienten in ihrer personalen Gesundheitskompetenz zu stärken, kommt Gesundheitsprofessionen mit ihrer professionellen Gesundheitskompetenz eine zentrale Rolle zu. Sie stehen in der direkten Interaktion und Kommunikation mit Patientinnen und Patienten, sind erste Ansprechperson bei Maßnahmen der Prävention und Gesundheitsförderung sowie in der Diagnostik, Behandlung und Versorgung. Sie begleiten Patientinnen und Patienten mitunter über lange Lebensphasen (z. B. bei chronischer Krankheit, Pflegebedürftigkeit). Als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren von Gesundheitseinrichtungen agieren sie in deren Auftrag, um organisationale Gesundheitskompetenz in der Praxis zu verwirklichen (Altin & Stock 2015; Messer & Murau 2022; Weiland & Büscher 2021).

Verständnis professioneller Gesundheitskompetenz

Es gibt keine einheitliche Definition von professioneller Gesundheitskompetenz. Es lassen sich jedoch zentrale Merkmale ausmachen, die im Kern eine spezifische Vermittlungskompetenz der beruflich verantwortlichen Personen beschreiben.

Im Fokus der professionellen Gesundheitskompetenz stehen insbesondere die Kommunikationskompetenzen von Gesundheitsprofessionen. Ziel ist es, dass Gesundheitsprofessionen bedarfs- und situationsresponsiv nutzerzentrierte Strategien der passgenauen Information und Kommunikation einsetzen (Cesar, Moraes, Brasil, Alves, Barbosa & Oliveira 2022; Coleman, Hudson & Pederson 2017; Messer 2019). Grundlegend ist eine auf Empowerment/Befähigung ausgerichtete Grundhaltung bei den Gesundheitsprofessionen (Weiland & Büscher 2021). Dabei können Gesundheitsprofessionen gezielt fördernd, unterstützend oder kompensierend auf die vorhandene personale Gesundheitskompetenz von Patientinnen und Patienten und deren An- und Zugehörige reagieren. Zu den zentralen Kommunikationskompetenzen gehören zum Beispiel:

  • Die patientenzentrierte Kommunikation, die auf die Präferenzen, Bedürfnisse und Fähigkeiten von Patientinnen und Patienten und deren An- und Zugehörige eingeht.
  • Eine an veränderliche Situationen angepasste und nutzerzentrierte mündliche oder schriftliche Kommunikation, auch unter Nutzung digitaler Medien.
  • Die zielgerichtete Nutzung von Methoden der Gesundheitsbildung sowie Patientenberatung/Patientenedukation.
  • Die Fähigkeit von Gesundheitsfachkräften, auf die vorhandene personale Gesundheitskompetenz von Patientinnen und Patienten und deren An- und Zugehörige zu reagieren (professional responsiveness) (Cesar, Moraes, Brasil, Alves, Barbosa & Oliveira 2022).

Im deutschsprachigen Raum erweitern Schaeffer, Haarmann & Griese (2023) das auf Kommunikationsfähigkeiten fokussierte Verständnis. In Anlehnung an das Verständnis der personalen Gesundheitskompetenz nach Sørensen et al. (2012) definieren sie professionelle Gesundheitskompetenz in folgender Weise: „Professionelle Gesundheitskompetenz umfasst die Motivation, das Wissen und die Fähigkeiten, professionell relevantes Wissen und Informationen in unterschiedlicher Form finden, verstehen, beurteilen und nutzen zu können, um im Berufsalltag professionell nach dem »State of the Art« agieren, und gesundheits- und krankheitsrelevantes Wissen und ebensolche Informationen so aufbereiten, vermitteln und kommunizieren zu können, dass sie von Patientinnen/Patienten verstanden, (kritisch) beurteilt und zur Entscheidungsfindung über Gesundheitsfragen genutzt werden können.“ (Schaeffer, Haarmann & Griese 2023, S. 14)

Befähigung zur professionellen Gesundheitskompetenz

Um Gesundheitsprofessionen in den Fähigkeiten der professionellen Gesundheitskompetenz zu schulen, werden verschiedene thematische Ansätze beschrieben (vgl. Brega et al. 2015; Cesar, Moraes, Brasil, Alves, Barbosa & Oliveira 2022; Saunders, Palesy & Lewis 2019). Hierzu gehören zum Beispiel:

  • Gezieltes Training, um Bedarfslagen bei Betroffenen zu erkennen
  • Patientenzentrierte Kommunikation und Beziehungsgestaltung
  • Nutzerzentrierte Aufbereitung von Informationsangeboten
  • Methoden zur Stärkung von Selbstmanagementfähigkeiten und Empowerment
  • Strategien und Methoden der Gesundheitsbildung und Lernverstärkung
  • Nutzung unterstützender Systeme (z. B. digitale Tools)
  • Evaluation von Interventionsstrategien
  • Interdisziplinäre Informationsvermittlung

Als Hilfsmittel für die Qualifikation werden Anleitungen und Standards für Leichte Sprache und die verständliche Aufbereitung schriftlicher Materialien sowie Assessement-Tools empfohlen (Shoemaker, Staub-DeLong, Wasserman, Moss & Brach 2011). Das Training kann in unterschiedlichen Lernsettings erfolgen wie Seminarräumen, Simulationslabore und Praktika (Harris, Ginzburg, Brach, Block & Parnell 2019; Saunders, Palesy & Lewis 2019). Dabei werden das Wissen, die Fähigkeit und Haltung von Fachkräften adressiert, um eine professionelle Gesundheitskompetenz aufzubauen und einzuüben (Cesar, Moraes, Brasil, Alves, Barbosa & Oliveira 2022).

Um ihre professionelle Gesundheitskompetenz einzusetzen, benötigen Gesundheitsprofessionen darüber hinaus auch entsprechende zeitliche und materielle Ressourcen. Hierzu gehören Hilfsmittel wie grafisches Anschauungsmaterial, Unterstützung bei der Informationsgenerierung, aber auch Räumlichkeiten, in den Gespräche und Beratungen stattfinden können.

Literatur:

Altin, S. & Stock, S. (2015). Health Literate Healthcare Organizations and their role in future Healthcare. Nursing and Care, 4(2).

Brega, A. G., Barnard, J., Mabachi, N. M., Weiss, B. D., DeWalt, D. A., Brach, C., Cifuentes, M., Albright, K. & West, D. R. (2015). AHRQ Health Literacy universal precautions toolkit (second ed.). Agency for Healthcare Research and Quality.

Cesar, F. C. R., Moraes, K. L., Brasil, V. V., Alves, A. G., Barbosa, M. A. & Oliveira, L. (2022). Professional responsiveness to Health Literacy: a scoping review. Health Lit Res Pract, 6(2), e96-e103. https://doi.org/10.3928/24748307-20220418-02.

Coleman, C., Hudson, S. & Pederson, B. (2017). Prioritized Health Literacy and clear communication practices for Health Care Professionals. Health Lit Res Pract, 1(3), S. e91-e99. https://doi.org/10.3928/24748307-20170503-01.

Harris, L., Ginzburg, S., Brach, C., Block, L. & Parnell, T. A. (2019). A model collaboration to develop a Health Literate Care curriculum: preparing the next generation of physicians to deliver excellent patient outcomes and experiences. NAM Perspect, 2019. https://doi.org/10.31478/201910a.

Messer, M. (2019). Health Literacy and participation in the Healthcare of adults: (in)compatible approaches? In: O. Okan, U. Bauer, P. Pinheiro, D. Levin-Zamir & K. Sørensen (Eds.). International Handbook of Health Literacy: Health Literacy Across the Life-Span: Research, Practice, and Policy (S. 617−632). Policy Press.

Messer, M. & Murau, T. (2022). Förderung organisationaler Gesundheitskompetenz aus Sicht von Pflegefachpersonen. Ergebnisse einer qualitativen Studie. Prävention und Gesundheitsförderung.https://link.springer.com/article/10.1007/s11553-022-00993-7.

Saunders, C., Palesy, D. & Lewis, J. (2019). Systematic review and conceptual framework for Health Literacy training in Health Professions education. Health Professions Education, 5(1).

Schaeffer, D., Haarmann, A. & Griese, L. (2023). Professionelle Gesundheitskompetenz ausgewählter Gesundheitsprofessionen in Deutschland. Ergebnisse des HLS-PROF-GER. Hertie School, Universität Bielefeld, Stiftung Gesundheitswissen, Berlin, Bielefeld. Zugriff am 24.11.2023 unterwww.stiftung-gesundheitswissen.de/sites/default/files/2023-06/2023_06_20_Ergebnisbericht_Studie_professionelle_Gesundheitskompetenz.pdf.

Schulenkorf, T., Okan, O. & Bauer, U. (2021). Toolbox Gesundheitskompetenz. Unterrichtsprogramm zur Stärkung der Gesundheitskompetenz von Schüler:innen. Interdisziplinäres Zentrum für Gesundheitskompetenzforschung, Universität Bielefeld. Bielefeld. Zugriff am 24.11.2023 unter  www.sg.tum.de/fileadmin/tuspfsp/healthliteracy/pdf/Toolbox_Unterrichtsmaterial.pdf.

Shoemaker, S., Staub-DeLong, L., Wasserman, M., Moss, D. & Brach, C. (2011). Advancing pharmacy Health Literacy practices through quality improvement: curricular modules for faculty. Agency for Healthcare Research and Quality (AHRQ).

Sørensen, K., Van den Broucke, S., Fullam, J., Doyle, G., Pelikan, J., Slonska, Z., Brand, H. & Consortium Health Literacy Project, E. (2012). Health Literacy and public health: a systematic review and integration of definitions and models. BMC Public Health, 12, 80.https://doi.org/10.1186/1471-2458-12-80.

Weiland, R. & Büscher, A. (2021). Förderung von Gesundheitskompetenz als Aufgabe der Gesundheitsprofessionen? Eine qualitative Untersuchung. Prävention und Gesundheitsförderung (17), S. 344–348. https://link.springer.com/article/10.1007/s11553-021-00874-5.

Internetadressen:

AHRQ: Health Literacy Improvement Tools: www.ahrq.gov/health-literacy/improve/index.html

AHRQ: Health Literacy Professional Education and Training: www.ahrq.gov/health-literacy/professional-training/index.html

AHRQ: Health Literacy Universal Precautions Toolkit: www.ahrq.gov/sites/default/files/wysiwyg/professionals/quality-patient-safety/quality-resources/tools/literacy-toolkit/healthlittoolkit2.pdf

Informations- und Schulungsmaterialien des Centers for Disease Control and Prevention (CDC): www.cdc.gov/healthliteracy/healthliteracyresources/index.html

Verweise:

Empowerment/Befähigung, Gesundheitsbildung, Gesundheitskompetenz / Health Literacy, Patientenberatung/Patientenedukation