Gesundheitsförderung 4: Europäische Union

Lotte Kaba-Schönstein

(letzte Aktualisierung am 04.01.2017)

Zitierhinweis: Kaba-Schönstein, L. (2017). Gesundheitsförderung 4: Europäische Union. In: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (Hrsg.). Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention. Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden.

https://doi.org/10.17623/BZGA:Q4-i036-1.0


Die Europäische Gemeinschaft und Union als Akteur in der Gesundheitsförderung und Prävention

Im nachfolgenden Beitrag „Gesundheitsförderung und Europäische Union (EU)“ (der den Leitbegriff „Gesundheitsförderung IV“ in der Fassung von 2011 umfasst und aktualisiert), werden zunächst einleitend die Hintergründe und Meilensteine der Gesundheitsförderung im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft und Union zusammengefasst.

Nach diesem Überblick werden die wichtigen Programme, Strategien, rechtlichen Grundlagen, Prinzipien, Projekte und Themen der Gesundheitsförderung in der Europäischen Union im Einzelnen dargestellt sowie die parallel verlaufende Einrichtung von gesundheits(förderungs)relevanten EU-Institutionen/Agenturen und Handlungsbereichen erläutert.

In einem abschließenden Teil werden die Umsetzung der EU-Gesundheits(förderungs) politik in Deutschland sowie die Entwicklungen und Perspektiven der EU-Gesundheitspolitik zusammenfassend bewertet.

Einführung und Zusammenfassung der Entwicklung

Konzept und Prinzipien der Gesundheitsförderung wurden seit den 1980er-Jahren auf Initiative und im Rahmen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Kooperation mit weiteren Partnern entwickelt und zuerst in Europa und Nordamerika und dann weltweit verbreitet (Diese Entwicklung wird ausführlich in dem vorangegangenen Leitbegriff Gesundheitsförderungl 1, 2 und 3 beschrieben).

Seit den 1990er-Jahren ist die Europäische Union (EU) zu einem weiteren wichtigen Akteur und Finanzier der Gesundheitsförderung auf der europäischen Ebene geworden. Sie entwickelt seitdem EU-Programme zur Öffentlichen Gesundheit, Gesundheitsförderung und Prävention (Gesundheitswissenschaften/Public HealthPrävention und Krankheitsprävention). Wesentliches Instrument der EU im Gesundheitsbereich ist die Förderung und Unterstützung der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten. Die EU wurde schrittweise um neue Mitgliedstaaten erweitert und umfasst inzwischen nach den Süd-, Nord- und Osterweiterungen 28 Mitgliedsländer und eine Bevölkerung von heute ca. 500 Millionen.

Die Aktivitäten der Europäischen Kommission im Bereich der Gesundheitsförderung konzentrierten sich in der Anfangszeit in erster Linie auf die Zusammenarbeit der Mitgliedsländer, die Finanzierung der ausgeschriebenen Programme und die Forschungsförderung, jedoch nicht auf eine inhaltliche Weiterentwicklung des Konzepts Gesundheitsförderung. In den neueren Programmen der EU werden die konzeptionellen Weiterentwicklungen und Strategien der Gesundheitsförderung im Rahmen der WHO und anderer Organisationen und Akteure in stärkerem Maße aufgenommen, umgesetzt und durch eigene Akzente ergänzt.

Zu Beginn beschränkte sich die Zusammenarbeit der 1957 als Europäische Wirtschaftsgemeinschaft gegründeten Europäischen Gemeinschaft hauptsächlich auf Handel und Wirtschaft der sechs Gründungsmitglieder. Seit Mitte der 1970er-Jahre kamen auch Fragen der öffentlichen Gesundheit auf die Agenda der Europäischen Gemeinschaft. Ein Jahrzehnt später etablierte sich der Gesundheitsministerrat als dauerhafte Einrichtung. Im Anschluss daran nahm die Europäische Gemeinschaft auf Anregung des Europäischen Rats den Kampf gegen den Krebs auf. Dieses erste europäische Gesundheitsprogramm „Europa gegen den Krebs“ (1985) kann als Initialzündung für verstärkte Aktivitäten der Gemeinschaft in der öffentlichen Gesundheit, der Prävention und Gesundheitsförderung verstanden werden. Außerdem wurden vereinzelte weitere Maßnahmen zur öffentlichen Gesundheit, insbesondere zur Bekämpfung von Drogenmissbrauch und Aids, begonnen.

Lange Zeit standen diese eher präventiv-medizinischen Maßnahmen im Vordergrund der Aktivitäten. Sämtliche Rechtsakte auf Ratsebene ergingen in dieser Zeit als „Beschlüsse der im Rat vereinten Minister der Mitgliedstaaten“ oder als Entscheidungen ohne rechtliche Verbindlichkeit und stützten sich auf den Vertrag zur Gründung der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft oder die Gemeinschaftsverträge. Für das Gesundheitswesen und damit für die Gesundheitsförderung bestand bis zum Vertrag von Maastricht (1992) keine ausdrückliche Gemeinschaftskompetenz.

Das Inkrafttreten des Vertrags von Maastricht (1993) markiert die Geburtsstunde der Europäischen Union. Die Zuständigkeit der Europäischen Union für Gesundheitswesen und Gesundheitspolitik wurde im Artikel 129 des Vertrags von Maastricht geregelt. Auf dieser Grundlage wurde 1993 das erste Aktionsprogramm der Gemeinschaft zur Gesundheitsförderung, -aufklärung, -erziehung und -ausbildung innerhalb des Aktionsrahmens im Bereich des öffentlichen Gesundheitswesens aufgelegt und 1996 verabschiedet. Die Zuständigkeit der Europäischen Gemeinschaft für Gesundheitsangelegenheiten wurde 1997 im § 152 des Vertrags von Amsterdam erweitert. Alle EU-Maßnahmen im Gesundheits( förderungs)bereich unterliegen auch nach diesem Vertrag weiterhin dem im Vertrag von Maastricht eingefügten Subsidiaritätsprinzip und Harmonisierungsverbot und müssen einen europäischen Mehrwert erbringen. Seit 2000 hat die „Offene Methode der Koordinierung (OMK)“ als neuer Regulationsmodus für eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den EU-Staaten in der europäischen Gesundheits- und Sozialpolitik zunehmende Bedeutung.

Im Herbst 2002 wurde (nach langwierigen Abstimmungsprozessen zwischen Europäischer Kommission, dem Europäischen Rat und dem Europäischen Parlament) ein neues, einheitliches Aktionsprogramm der Gemeinschaft im Bereich der öffentlichen Gesundheit (2003-2008) verabschiedet. Es löste die vorangegangenen acht Einzelprogramme ab. Das neue Aktionsprogramm enthält als einen der drei Hauptzielbereiche „Förderung der Gesundheit und Verhütung von Krankheiten durch Beeinflussung der Gesundheitsfaktoren in allen gemeinschaftlichen Politik- und Tätigkeitsfeldern“. Es bildete die erste Grundlage für die Aktivitäten der Europäischen Union im Bereich Gesundheitsförderung im neuen Jahrtausend.

Die Europäische Kommission legte im Oktober 2007 ein Weißbuch vor: „Gemeinsam für die Gesundheit: Ein strategischer Ansatz der EU für 2008-2013“. (White Paper Together for Health: A Strategic Approach for the EU 2008-2013). Der strategische Ansatz baut auf früheren Bemühungen auf und stellt einen umfassenden Rahmen bereit, der über die zentralen Gesundheitsfragen hinaus auch weiter gefasste Aspekte wie politikübergreifende und globale Gesundheitspolitik behandelt.

Im Oktober 2007 wurde das zweite Aktionsprogramm der Gemeinschaft im Bereich der Gesundheit (2008-2013), das auf den Ergebnissen des Vorläuferprogramms aufbaut, beschlossen (Laufzeit 1.1.2008 bis 31.12.2013). Es ist das Hauptinstrument der Kommission zur Umsetzung der neuen EU-Gesundheitsstrategie „Gemeinsam für die Gesundheit (2008-2013)“. Das Programm soll in einem hohen Maß zu Schutz und Sicherheit der europäischen Bürger und Bürgerinnen beitragen.

Seit dem Vertrag von Lissabon 2007 (inkraft seit Dezember 2009) bildet Artikel 168 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (VAEU) die rechtliche Grundlage für die gemeinschaftliche Politik im Bereich Gesundheitsförderung und Prävention. Er hat den geringfügig erweiterten Artikel 152 des Vertrags von Amsterdam abgelöst. Weitere Rechtsgrundlage ist die EU-Grundrechtscharta, die jedem Menschen ein Recht auf Zugang zur Gesundheitsversorgung garantiert.

2011 wurde die ursprünglich von 2008-2013 vorgesehene Laufzeit der EU-Gesundheitsstrategie „Gemeinsam für die Gesundheit“ verlängert bis 2020.

Im November 2011 hatte die Europäische Kommission einen Vorschlag für ein drittes Mehrjahresprogramm (von 2014-2020) angenommen. Das Europäische Parlament akzeptierte den Vorschlag für dieses dritte EU-Gesundheitsprogramm am 28.2.2014. Die Verordnung des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 11. März 2014 über ein drittes Aktionsprogramm der Union im Bereich der Gesundheit (2014-2020) wurde am 21.3.2014 im Offi ziellen Journal der Europäischen Union veröffentlicht und trat am Folgetag inkraft. Das dritte EU-Gesundheitsprogramm ist das wichtigste Instrument der Europäischen Kommission zur Umsetzung der EU-Gesundheitsstrategie „Gemeinsam für die Gesundheit“ (2007), die wiederum die allgemeine Strategie Europa 2020 unterstützt (siehe Abbildung „Die Europäische Gemeinschaft und Union als Akteur in der Gesundheitsförderung: Überblick, Grundlagen und Meilensteine“ auf der nächsten Seite).

Nach dieser Zusammenfassung der Entwicklung und Überblicks-Darstellung werden im Folgenden die wichtigen Programme, Strategien, rechtlichen Grundlagen, Prinzipien, Projekte und Themen der Gesundheitsförderung im Rahmen der Europäischen Union im Einzelnen dargestellt sowie die Einrichtung von gesundheits(förderungs)relevanten EU-Institutionen/Agenturen und Handlungsbereichen erläutert.

Die Europäische Gemeinschaft und Union als Akteur in der Gesundheitsförderung:
Überblick, Grundlagen und Meilensteine

2009

1957

Gründung Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

1985

Erstes europäisches Gesundheitsprogramm „Europa gegen den Krebs“

1992

Vertrag von Maastricht (inkraft 1993), Gründung der Europäischen Union; Artikel 129. Erste
Rechtsgrundlage der Zuständigkeit der EU für Gesundheitswesen und Gesundheitsförderung

1993

Erstes Aktionsprogramm der Gemeinschaft zur Gesundheitsförderung, -aufklärung,
-erziehung und -ausbildung aufgelegt (verabschiedet 1996, geplant bis 2000)

1995

Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz gegründet

1997

Vertrag von Amsterdam: § 152 löst Artikel 129 ab. Erweiterte Zuständigkeit der Europäischen
Gemeinschaft für Gesundheit, aber weiterhin Subsidiaritätsprinzip und Harmonisierungsverbot

2000

„Offene Methode der Koordinierung“ (OMK) als neues Verfahren einer
verstärkten Zusammenarbeit zwischen den EU-Staaten eingeführt

2002

Neues, einheitliches Aktionsprogramm der Gemeinschaft für Öffentlichen Gesundheit (2003 -2008)

2005

Europäische Public Health Agentur/ Public Health Executive Agency und
European Centre for Disease Prevention and Control gegründet

2007

Weißbuch der Europäischen Kommission: „Gemeinsam für die
Gesundheit: Ein strategischer Ansatz der EU für 2008-2013“
Zweites Aktionsprogramm der Gemeinschaft im Bereich der Gesundheit (2008-2013)
Vertrag von Lissabon (inkraft 2009): Artikel 168 VAEU neue rechtliche Grundlage für
gemeinschaftliche Politik im Bereich Gesundheitsförderung und Prävention, löst Artikel 152 des
Amsterdamer Vertrags ab. Verankerung der Offenen Methode der Koordination

2008

Neue Gesundheitsstrategie der Europäischen Kommission: „Gemeinsam für die Gesundheit
(2008-2013); 2011verlängert bis 2020

Public Health Executive Agency umgewandelt in Executive Agency for Health and Consumers
Mitteilung der Kommission: Solidarität im Gesundheitswesen: Abbau gesundheitlicher
Ungleichheit in der EU

2010

Gesamtstrategie Europa 2020/Europe 2020
European Platform against Poverty and Social Exclusion (2010-2020)

2011

Joint Action to address Health Inequalities (bis 2014)

2013

Investing in Health - Social Investment Package: Towards Social Investment for Growth
and Cohesion - including implementing the European Social Fund 2014-2020

2014

Drittes Aktionsprogramm der Europäischen Union im Bereich der Gesundheit (2014-2020)

2016

März: Arbeitsplan 2016 verabschiedet


Gesundheitspolitik und Gesundheitsförderung nach dem Vertrag von Maastricht,
erste Rechtsgrundlage: Artikel 129 des Maastrichter Vertrags (1992/93)

Der Wandel der Wirtschaftsgemeinschaft zur politischen Union aufgrund des Maastrichter Vertrags führte zu einer neuen Qualität der Gesundheitspolitik auf Gemeinschaftsebene. Diese kommt im Schaffen einer eigenen Gesundheitszuständigkeit in den Artikeln 3, Buchstabe o, und 129 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) zum Ausdruck. Bis dahin hatte es zwar versprengte Einzelinitiativen zu verschiedenen Krankheitsbildern gegeben, aber keine klar erkennbare Gesamtkonzeption einer Gesundheitspolitik der Gemeinschaft.

Gemäß Artikel 129 unterstützt die Gemeinschaft die Bemühungen der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der öffentlichen Gesundheit, ist ihnen bei der Formulierung und Umsetzung von koordinierten Zielen und Strategien behilflich und leistet einen Beitrag zur Erreichung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus in der gesamten Europäischen Gemeinschaft. Dieser sollte sich an den besten in einem gegebenen Aktions- und Themenbereich schon erzielten und bekannten Ergebnissen und Erfolgen orientieren.

In ihrer Mitteilung über einen Aktionsrahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit vom 24. November 1993 stellte die Kommission erstmalig die gesundheitlichen Probleme dar, mit denen sich die Mitgliedstaaten konfrontiert sehen. Die Europäische Kommission zeigte auf, wie sie die Bestimmungen des Maastrichter Vertrags umsetzen werde und dass sie sich dabei auf zwei Arten von Maßnahmen stütze:

  • Horizontale Maßnahmen zur Förderung und Überwachung der Gesundheit. Dazu gehört auch das Programm der Europäischen Gemeinschaft zur Gesundheitsförderung, -aufklärung, -erziehung und -ausbildung.
  • Mehrjährige globale Programme, die prioritäre Bereiche abdecken wie Krebs, Drogenabhängigkeit, Aids und andere übertragbare Krankheiten. Darüber hinaus legte die Kommission auch zu den Aktionsbereichen Umweltkrankheiten, Unfälle und Verletzungen sowie zu seltenen Krankheiten zielgerichtete Programme vor.

Die Zuständigkeit der Gemeinschaft nach Artikel 129 EGV beschränkte sich auf die Verhütung von Krankheiten. Sie hatte als Instrumente nur Fördermaßnahmen und Empfehlungen zur Verfügung und schloss eine Harmonisierung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften aus. Das insbesondere auf deutschen Wunsch ins Vertragswerk aufgenommene Subsidiaritätsprinzip sagt, dass „in den Bereichen, die nicht in die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft fallen - was beim Gesundheitswesen zutrifft -, die Gemeinschaft nur tätig wird, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können“.

Dennoch wurde durch den Vertrag von Maastricht eine Zunahme der EU-Gesundheitskompetenz erreicht. Mit der neuen Rechtsgrundlage und der Errichtung eines Gesundheitsministerrats als ständige Einrichtung wurden die institutionellen Grundlagen für die Gesundheitspolitik verbessert. Die Einflussmöglichkeiten der Gesundheitspolitik wurden mit der sogenannten „Gesundheitsschutzverträglichkeitsklausel“ gestärkt (Health Impact Assessment/ Gesundheitsverträglichkeitsprüfung). Diese besagt, dass die Erfordernisse im Bereich des Gesundheitsschutzes auch Bestandteil der übrigen Politiken der Gemeinschaft sind. Außerdem ergab sich aus Artikel 189 b EGV eine stärkere Beteiligung des Europäischen Parlaments. Dies zeigte sich im veränderten Abstimmungsverhalten und an den zahlreichen Vermittlungsverfahren zu den Gesundheitsprogrammen. Insgesamt wurden innerhalb des 1993 von der Europäischen Kommission festgelegten Aktionsrahmens im Bereich der Öffentlichen Gesundheit nach und nach acht einzelne Aktionsprogramme angenommen. Sie waren für die Gesundheitsförderung und Prävention im Rahmen der Europäischen Union von grundlegender Bedeutung (s. Abb. unten).

Europäische Aktionsprogramme der Gemeinschaft im Rahmen des
Aktionsrahmens im Bereich der Öffentlichen Gesundheit
(nach: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 9.10.2001, L 271/1)

  • Aktionsprogramm der Gemeinschaft zur Gesundheitsförderung, -aufklärung, -erziehung und -ausbildung (1996-2000)
  • Aktionsplan zur Krebsbekämpfung (1996-2000)
  • Aktionsprogramm zur Prävention von Aids und bestimmten anderen übertragbaren Krankheiten (1996-2000)
  • Aktionsprogramm zur Suchtprävention (1996-2000)
  • Aktionsprogramm der Gemeinschaft zur Gesundheitsberichterstattung (1997-2000)
  • Aktionsprogramm zur Verhütung von Verletzungen (1999-2003)
  • Aktionsprogramm, betreffend seltene Krankheiten (1999-2003)
  • Aktionsprogramm, betreffend durch Umweltverschmutzung bedingte Krankheiten (1999-2001)


Neue Handlungsbereiche und Gründung von Institutionen/Agenturen. - Von Bedeutung für die Entwicklung der Gesundheitsförderung auf der europäischen Ebene sind auch:

  • Gesundheitsforschung innerhalb der europäischen Forschungsrahmenprogramme
  • Aufbau einer Europäischen Gesundheitsstatistik durch Eurostat (1994)
  • Auf- und Ausbau der Europäischen Gesundheitsberichterstattung
  • Auf- und Ausbau des gesundheitlichen Verbraucherschutzes

Für den Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz wurde schon von der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ein Beratender Ausschuss für Sicherheit, Arbeitshygiene und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz gegründet. Er soll die Beteiligung der Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen sowie der Arbeitnehmerorganisationen an den Gemeinschaftsmaßnahmen ermöglichen. Die 1975 gegründete Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen soll wissenschaftliche Erkenntnisse und Daten zur Situation der Menschen am Arbeitsplatz sammeln und verbreiten. Als weitere EU-Behörde wurde 1995 die Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz gegründet, um Informationen über die Sicherheit am Arbeitsplatz zu gewinnen. 1997 verabschiedete das Europäische Netzwerk Gesundheitsförderung im Betrieb mit finanzieller Unterstützung durch die EU-Kommission die „Luxemburger Deklaration zur betrieblichen Gesundheitsförderung in der Europäischen Union“ (Gesundheitsförderung und Betrieb).

Zentral für die Gesundheitsförderung war das „Aktionsprogramm der Gemeinschaft zur Gesundheitsförderung, -information, -erziehung und -ausbildung“ innerhalb des Aktionsrahmens im Bereich der Öffentlichen Gesundheit, das im Februar 1996 verabschiedet worden war. Es förderte zahlreiche gesundheitsfördernde Maßnahmen und Projekte von vielen Institutionen und Akteuren. Dabei wurde ein immer größerer Wert darauf gelegt, dass möglichst viele - und wenn möglich und sinnvoll sogar alle - Mitgliedsländer beteiligt werden und entsprechende Netzwerke gebildet und unterstützt werden. Beispiele hierfür sind die Förderung der Entwicklung:

  • eines Europäischen Netzwerks Gesundheitsfördernder Schulen in Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation und dem Europarat (Gesundheitsförderung 3, Gesundheitsförderung und Schule),
  • einer Koordinationsstelle des Europäischen Netzwerkes Betriebliche Gesundheitsförderung,
  • eines Europäischen Netzwerks zu Interventionen und Strategien zur Reduzierung sozioökonomischer Ungleichheiten der Gesundheit,
  • eines Europäischen Netzwerks der Gesundheitsförderungsorganisationen/European Network of Health Promotion Agencies (ENHPA), seit 1998 EuroHealthNet,
  • eines Europäischen Netzwerkes von Nichtregierungsorganisationen (NGOs)/(European Public Health Alliance/EPHA).

Im Bereich Aus- und Fortbildung für Gesundheitserziehung und Gesundheitsförderung wurden auch Konferenzen, Workshops und Fortbildungsveranstaltungen von der Europäischen Kommission finanziell gefördert und teilweise selbst mitveranstaltet, so z. B. Europäische Summer Schools Health Promotion. Außerdem wurden im Bereich Gesundheitsausbildung Projekte unterstützt zur Entwicklung eines European Master in Health Promotion, eines European Master in Public Health Nutrition sowie eines EU-Weiterbildungscurriculums/programms in Öffentlicher Gesundheit für Krankenschwestern/-pfleger.

Auch Fragen der sozialen und gesundheitlichen Ungleichheiten gelangten zunehmend in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und Förderung (Soziale Ungleichheit und Gesundheit, Gesundheitliche Chancengleichheit, Gesundheitsförderung und soziale Benachteiligung). Neben dem Europäischen Netzwerk Interventionen/Strategien zur Verringerung von sozioökonomischen Gesundheitsunterschieden wurde ein Projekt der Europäischen Gesundheitsförderungseinrichtungen (ENPHA) zur Rolle der Gesundheitsförderung bei der Beseitigung von gesundheitlichen Ungleichheiten gefördert. In Fortführung dieser Entwicklung ist der Abbau von Ungleichheiten im Gesundheitszustand und Gesundheitswesen im Aktionsprogramm der EU für 2003-2008 zu einem expliziten Ziel des Gesamtprogramms geworden.

Gesundheitspolitik und Gesundheitsförderung nach dem Vertrag von Amsterdam (1997), Artikel 152 als neue Rechtsgrundlage (inkraft ab 1999)

Der Vertrag von Amsterdam wurde auf dem Amsterdamer Europäischen Gipfel am 16./17. Juni 1997 unterzeichnet und ist nach seiner Ratifizierung in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union am 1. Mai 1999 inkraft getreten. Er sollte die Europäische Union nach innen und außen effektiver gestalten und den Weg für die Aufnahme neuer Mitgliedstaaten (mittel- und osteuropäische Beitrittsstaaten) bereiten. Im Vertrag von Amsterdam wurde Artikel 129 EGV als Artikel 152 EGV neu geregelt. Dies geschah überraschend (unter dem Eindruck der BSE-Krise). Zunächst hatte bei den Europäischen Institutionen, d.h. dem Europäischen Parlament, der Europäischen Kommission und dem Ministerrat und auch in den Mitgliedstaaten Übereinstimmung bestanden, dass keine Änderung dieses Artikels erforderlich sei.

Der neue Artikel 152 EGV nennt als Ziel der Europäischen Gesundheitspolitik die Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung durch die Verhütung von Krankheiten und Beseitigung von Ursachen für Gesundheitsgefährdung. Dabei steht die Bekämpfung der weitverbreiteten schwerwiegenden Krankheiten im Vordergrund. Die EU-Gesundheitspolitik ist aber nicht auf diese begrenzt. Gegenüber der alten Fassung von Artikel 129 des Maastricht-Vertrags wird eine deutliche Stärkung der Belange des „Gesundheitsschutzes“ in allen Bereichen der Gemeinschaftspolitik festgelegt. Mit der Konstituierung der neuen Europäischen Kommission im September 1999 und der Neuorganisation der Kommission im Gesundheitsbereich wurden die organisatorischen und strukturellen Voraussetzungen der Kommission diesen Vorgaben angepasst und verbessert. Bisher getrennte Aufgaben der Gesundheitspolitik wurden in einer neuen Generaldirektion „Gesundheit und Verbraucherschutz“ zusammengeführt.

Das Subsidiaritätsprinzip gilt weiterhin. Die Verantwortung der Mitgliedstaaten für Gesundheitspolitik, insbesondere für die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung, bleibt unberührt. Wesentliches Instrument der Europäischen Union im engeren Gesundheitsbereich ist auch zukünftig die Förderung und Unterstützung der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten durch die Gemeinschaft.

Im Rahmen der Gemeinschaftspolitik nach dem Vertrag von Amsterdam hat seit 2000 die „Offene Methode der Koordinierung (OMK)“ als neues Regulierungsverfahren einer verstärkten „freiwilligen“ Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten erhöhte europapolitische Bedeutung erlangt. Sie betrifft die Aufgabenfelder, in denen die EU nur über eingeschränkte Kompetenzen verfügt, wie den Bereich der Gesundheitspolitik und Gesundheitsförderung.

Die „offene Methode der Koordinierung“ umfasst in ihrer typischen Ausprägung:

  • Vereinbarung politischer Ziele bzw. Leitlinien mit Zeitplänen zur Verwirklichung der Ziele durch den Europäischen Rat
  • Festlegung von Indikatoren und Benchmarks für den Vergleich bewährter Praktiken
  • Umsetzung der europäischen Leitlinien in die nationale und regionale Politik durch Festlegung konkreter Ziele und Maßnahmen in nationalen Aktionsplänen (NAPs)
  • regelmäßige Überwachung, Bewertung und gegenseitige Prüfung der erzielten Fortschritte und ggf. Empfehlungen an die Mitgliedstaaten

Sie wurde rechtlich auf Artikel 2 EU-Vertrag und Artikel 2 EG-Vertrag gestützt, wonach es Aufgabe der Gemeinschaft ist, den Ausgleich zwischen Wettbewerb und Kohäsion in der Gemeinschaft zu fördern.

(Neue) Europäische Gesundheitspolitik - Aktionsprogramm der Gemeinschaft im Bereich der Öffentlichen Gesundheit 2003-2008

Die Politik der Europäischen Gemeinschaft allgemein und auch der Europäischen Politik im Bereich der Öffentlichen Gesundheit und Gesundheitsförderung wurde sowohl von außen, d.h. von der politischen Öffentlichkeit und Experten und Expertinnen, als auch aus eigenen Reihen von Kommission, Parlament und Rat kritisch begleitet. Beklagt wurden die allgemeine Intransparenz und Bürgerferne der Gemeinschaftspolitik und für den Gesundheitsförderungsbereich insbesondere:

  • Inkohärente Einzelprogramme und Zuständigkeiten, sowohl innerhalb der Europäischen Kommission als auch zwischen den Mitgliedstaaten
  • Unkoordinierte Maßnahmen
  • Widersprüche zwischen Programmen, insbesondere zwischen den Aktivitäten zur Krebsbekämpfung und zum Rauchen als Gesundheitsrisiko und der gleichzeitigen Subvention des Tabakanbaus in der Gemeinschaft
  • Ungenügende Zusammenarbeit mit anderen internationalen Organisationen (wie z. B. der Weltgesundheitsorganisation)
  • Mangelhafte Beteiligung von Bürgern/Bürgerinnen und Verbrauchern/ Verbraucherinnen,
  • Kurzfristige und unberechenbare Projektfinanzierungen

Der Aktionsrahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit wurde in der Mitteilung der Europäischen Kommission vom 15.4.1998 über die Entwicklung der Gemeinschaftspolitik in diesem Bereich einer Prüfung unterzogen. Sie ergab, dass angesichts der neuen Vertragsbestimmungen, der neuen Herausforderungen und der bisherigen Erfahrungen eine neue gesundheitspolitische Strategie und ein neues Programm benötigt werden. Im Jahr 2000 wurde wegen des ursprünglich geplanten Auslaufens des Programms im selben Jahr ein konkreter Vorschlag für ein Nachfolgeprogramm erarbeitet: das Aktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaft im Bereich der öffentlichen Gesundheit (2001-2006). Wegen der langwierigen Abstimmungsprozesse zwischen Kommission, Rat und Parlament hat sich die Verabschiedung verzögert und erfolgte erst im September 2002 für die Laufzeit 2003 bis 2008.

Die bisher themenbezogene Aufgliederung in die zuletzt acht Einzelprogramme wird von einem einheitlichen Programm abgelöst. Die grundlegenden Gesamtziele der neuen EU-Gesundheitspolitik sind, in Ergänzung zu einzelstaatlichen Politiken, der Schutz der menschlichen Gesundheit und Verbesserungen im Gesundheitswesen. Die allgemeinen Programmziele werden in der Abbildung unten zusammengefasst.

Allgemeine Programmziele des Aktionsprogramms der Europäischen
Gemeinschaft im Bereich der Öffentlichen Gesundheit (2003-2008)

  • Verbesserung des Informations- und Wissensstandes in Bezug auf Gesundheitsfragen im Interesse der Weiterentwicklung des Gesundheitswesens
  • Verbesserung der Fähigkeit zur schnellen und koordinierten Reaktion auf Gesundheitsgefahren
  • Gesundheitsförderung und Verhütung von Krankheiten durch Beeinflussung der Gesundheitsfaktoren/-determinanten in allen gemeinschaftlichen Politik- und Tätigkeitsfeldern


Das Programm soll dazu beitragen, dass

  • durch die Förderung einer integrierten und sektorübergreifenden Gesundheitsstrategie bei der Festlegung und Durchführung aller Gemeinschaftspolitiken und -maßnahmen ein hohes Gesundheitsschutzniveau sichergestellt wird,
  • Ungleichheiten im Gesundheitsbereich abgebaut werden,
  • die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten in den unter Artikel 152 des Vertrags fallenden Bereichen gefördert wird.

Die Förderung der Gesundheit und Verhütung von Krankheiten (Hauptzielbereich 3) durch die Beeinflussung der Gesundheitsfaktoren in allen gemeinschaftlichen Politikund Tätigkeitsfeldern soll durch Aktionen und Unterstützungsmaßnahmen in sechs Bereichen erfolgen (siehe Abb. unten).

EU-Aktionsprogramm im Bereich der Öffentlichen Gesundheit
(2003-2008), Hauptzielbereich 3 - Gesundheitsförderung und
Krankheitsverhütung: Aktionen und Unterstützungsmaßnahmen

  1. Ausarbeitung und Durchführung von Strategien und Maßnahmen, einschließlich Aktionen zur Sensibilisierung, hinsichtlich der Gesundheitsfaktoren/determinanten im Zusammenhang mit der Lebensführung, wie Ernährung, körperliche Aktivität, Tabak, Alkohol, Drogen und andere Stoffe, und der psychischen Gesundheit, einschließlich Maßnahmen, die in allen Gemeinschaftspolitiken zu ergreifen sind, sowie alters- und geschlechtsspezifischer Strategien.
  2. Situationsanalyse und Entwicklung von Strategien in Bezug auf sozioökonomische Gesundheitsfaktoren/-determinanten, zur Ermittlung und Bekämpfung von Ungleichheiten beim Gesundheitswesen und zur Bewertung der Auswirkungen sozialer und wirtschaftlicher Verhältnisse auf die Gesundheit.
  3. Situationsanalyse und Entwicklung von Strategien in Bezug auf umweltbedingte Gesundheitsfaktoren und Beitrag zur Identifi zierung und Bewertung der gesundheitlichen Folgen von Umweltfaktoren.
  4. Situationsanalyse und Informationsaustausch in Bezug auf genetische Faktoren/Determinanten und die Nutzung des genetischen Screenings.
  5. Ausarbeitung von Methoden zur Bewertung der Qualität und der Wirksamkeit der Strategien und Maßnahmen der Gesundheit.
  6. Förderung der für die genannten Maßnahmen relevanten Aus- und Fortbildungstätigkeiten.


Wichtige Prinzipien und Anliegen des neuen Programms sind die Gewährleistung eines hohen Koordinationsniveaus zwischen Aktionen und Initiativen der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten sowie die Verbesserung des Funktionierens bestehender und zukünftiger Netze im Bereich der öffentlichen Gesundheit, um mehr Nachhaltigkeit zu erreichen. Die Kommission soll die Effizienz und Kohärenz der Maßnahmen des Programms und die Förderung der kontinuierlichen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten gewährleisten. Vorrang sollen gesundheitsfördernde Maßnahmen haben, die die schwersten Krankheiten betreffen.

Das Programm unterstützt die Entwicklung einer integrierten und sektorübergreifenden Strategie für das Gesundheitswesen. So soll sichergestellt werden, dass die Gemeinschaftspolitiken und -aktivitäten zum Schutz und zur Förderung der Gesundheit beitragen. Einrichtungen, Verbände, Organisationen und Gremien des Gesundheitswesens sowie die breite Öffentlichkeit sollen einbezogen werden. Durch geeignete Mechanismen wie Gesundheitsforen soll eine Zusammenarbeit mit den im Gesundheitswesen tätigen Einrichtungen und nichtstaatlichen Organisationen geschaffen werden.

Durch das Programm soll ein „beträchtlicher“ europäischer Mehrwert entstehen. Dies soll durch die Unterstützung von Strukturen und Programmen erreicht werden, die durch erleichterten Austausch von Erfahrungen und bewährten Praktiken sowie durch die Bereitstellung einer Grundlage für die gemeinsame Analyse der Gesundheitsdeterminanten die Fähigkeiten von Einzelnen, Behörden, Verbänden, Organisationen und Körperschaften im Gesundheitswesen steigern. Ein zusätzlicher Nutzen auf Gemeinschaftsebene soll durch die Bündelung und Ergänzung sonst einzelstaatlich isolierter Maßnahmen entstehen. Den Belangen der Bürgerinnen und Bürger soll in der Gesundheitspolitik der Gemeinschaft künftig mehr Raum gegeben werden (Partizipation, Bürgerbeteiligung). Gesundheitsinformationen sollen für Bürgerinnen und Bürger so zugänglich wie möglich gemacht werden.

Die Laufzeit wurde auf sechs Jahre (2003-2008) angelegt, damit ein ausreichender Zeitraum für die Durchführung der Maßnahmen und das Erreichen der Programmziele zur Verfügung steht. Die Durchführung des Programms sollte regelmäßig überwacht und evaluiert werden. Der Finanzrahmen wurde mit 312 Millionen Euro für die gesamte Laufzeit festgelegt mit gleichgewichtiger Verteilung der Mittel auf alle drei Zielsetzungsbereiche des Programms.

Internationale Zusammenarbeit und Partnerschaften

Bei der Durchführung des Programms sollte mit den für das Gesundheitswesen zuständigen internationalen Organisationen, insbesondere mit der Weltgesundheitsorganisation, sowie dem Europarat und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und anderen internationalen Organisationen eng zusammengearbeitet werden. Schon im Jahr 2001 hatten Europäische Kommission und WHO die Möglichkeiten einer „neuen Partnerschaft“ und eines Kooperationsrahmens ausgelotet. 2002 wurden in einer Reihe von Konsultationen auf höchster Ebene der beiden Organisationen Möglichkeiten gemeinsamer Strategien beraten. Eine erfolgreiche Zusammenarbeit beider Organisationen gab es schon im Bereich der übertragbaren Krankheiten in Entwicklungsländern und in der Entwicklung neuer internationaler „Public-Private-Partnerschaften“ (PPP) wie dem Globalen Fonds, der mehr als 40 Entwicklungsländern Mittel zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria zur Verfügung stellte. Prioritäre Bereiche einer zukünftigen Zusammenarbeit sind die Stärkung der bestehenden Partnerschaft in Tabakfragen und zu Gesundheitsinformationen. Darüber hinaus sollten Möglichkeiten der Zusammenarbeit in neuen Bereichen - wie den Gesundheitsaspekten der EU-Erweiterung, der Verbindung zwischen Armut und Gesundheit und der Gesundheit von Kindern - erörtert werden.

Im September 2009 haben das WHO-Regionalbüro und die Europäische Kommission eine gemeinsame Erklärung verabschiedet, wonach sie eine Stärkung des Grundsatzdialogs und der fachlichen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Öffentlichen Gesundheit anstreben. Die Erklärung skizziert den Rahmen für die Zusammenarbeit in den nächsten fünf Jahren. Sie stellt die Entwicklung gemeinsamer Surveillance-, Warn- und Informationssysteme für den Gesundheitsbereich sowie eine Intensivierung der Zusammenarbeit auf Länderebene in Aussicht. Die seit 2001 bestehende Zusammenarbeit soll ausgeweitet werden auf die Bereiche eGesundheit, Gesundheitsforschung, Innovation im Gesundheitsbereich und Bildung. Angestrebt wird eine koordinierte Anstrengung für die Erarbeitung einer neuen europäischen Gesundheitspolitik, die einen integrierten Rahmen zur Bewältigung der gesundheitlichen Herausforderungen in der Europäischen Region der WHO bilden soll.

Reflexionsprozess zur EU-Gesundheitspolitik und Entwicklung einer zukünftigen EU-Gesundheitsstrategie

Im Juli 2004 wurde von der Europäischen Kommission ein Refl exionsprozess zur Entwicklung einer zukünftigen EU-Gesundheitspolitik eingeleitet; es wurden öffentliche Einrichtungen, Interessengruppen sowie einzelne Bürger und Bürgerinnen eingeladen, zum Prozess beizutragen. Es entwickelte sich eine bedeutsame Debatte innerhalb der EU, aber auch Länder wie die USA, Norwegen, Israel und die Schweiz beteiligten sich. Die Kommission erhielt 193 Beiträge von nationalen und regionalen Behörden, Nichtregierungsorganisationen, Universitäten, einzelnen Bürgerinnen und Bürgern sowie von Unternehmen. Die EU engagierte sich dabei, alle gesundheitlichen Akteure und Entscheidungsträger zusammenzubringen und Partnerschaften für Gesundheit zu entwickeln.

Die Notwendigkeit von „Health in All Policies“ als Fortentwicklung der Gesundheitsfördernden Gesamtpolitik und intersektoralen Zusammenarbeit wird auch seit der Zeit der finnischen Ratspräsidentschaft 2006 als „Gesundheit in allen Politikbereichen“ (innerhalb der EU, aber auch in der Politik der Gemeinschaftsländer) verstärkt diskutiert, gefordert und umgesetzt (Gesundheitsförderung 1, 2 und 3). Im Reformvertrag von Lissabon (2007) wurde vorgeschlagen, der Gesundheit im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft mehr politisches Gewicht zu verleihen.

Neues strategisches Konzept der EU für die Gesundheit:
Gemeinsam für die Gesundheit (2008-2013, 2011 verlängert bis 2020)

Im Oktober 2007 wurde von der Kommission unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Reflexionsprozesses von 2004 und umfangreicher weiterer Anhörungen (2007) ein Weißbuch „Gemeinsam für die Gesundheit: Ein strategischer Ansatz der EU für 2008-2013“ (White Paper Together for Health: A Strategic Approach for the EU 2008-2013) vorgelegt. Es macht Vorgaben für eine neue Gesundheitsstrategie der Gemeinschaft angesichts immer akuterer Bedrohungen der Bevölkerungsgesundheit wie dem demografischen Wandel und der „Überalterung der Bevölkerung“, grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren (Pandemien, größere Unfälle, biologische Zwischenfälle sowie Bioterrorismus), aber auch der Chancen der raschen Entwicklung neuer Technologien, die die Gesundheitsförderung, die Prognose, die Prävention und Therapie von Krankheiten revolutioniert hätten (insbesondere Informations- und Kommunikationstechnologien, Innovationen in der Gentechnik, Bio- und Nanotechnologie). In einem einheitlichen strategischen Rahmen soll die Zusammenarbeit EU-weit in den Bereichen, in denen die Mitgliedstaaten nicht allein tätig werden können, gestärkt werden und ein größeres Verständnis für gesundheitspolitische Fragen in Europa und weltweit erreicht werden. Der „Gesundheit in allen Politikfeldern“ soll ein höherer Stellenwert eingeräumt werden.

Die vorliegende Strategie verleihe der Gesundheit mehr Gewicht in politischen Strategien wie der Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung, indem sie die Verknüpfung von Gesundheit und Wohlstand betont, und der „Bürgernahen Agenda“, indem sie den Bürgern und Bürgerinnen das Recht zuerkennt, selbst über ihre Gesundheit und gesundheitliche Versorgung zu entscheiden.

Die Maßnahmen der Strategie betreffen gesundheitsrelevante Arbeiten in allen Sektoren. Gesundheit wird in den Artikeln des Vertrags zu Binnenmarkt, Umwelt, Verbraucherschutz, sozialen Angelegenheiten, einschließlich der Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz, Entwicklungspolitik und Forschung sowie vielen anderen angesprochen. Der zusätzliche Nutzen gesundheitsrelevanter Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene zu den Maßnahmen der Mitgliedstaaten wird hervorgehoben, insbesondere im Bereich der Prävention, einschließlich Lebensmittelsicherheit und Ernährung, Sicherheit von Arzneimitteln, Bekämpfung des Rauchens, Rechtsvorschriften für Blut, Gewebe, Zellen, Organe, Wasser- und Luftqualität sowie Errichtung mehrerer Gesundheitsagenturen. Die Anhörungen hätten einen Konsens zur Rolle der Gemeinschaft im Gesundheitswesen ergeben. Danach sollten Gesundheitsbelange in alle Bereiche der Gemeinschaftspolitik integriert und gesundheitliche Benachteiligungen abgebaut werden. Die Gemeinschaft sollte eine wichtige Rolle in globalen Gesundheitsfragen spielen, Gesundheitsförderung sollte im Mittelpunkt stehen und die Gesundheitsinformation verbessert werden.

Die Herausforderungen und Aufgaben erforderten einen langfristigen Ansatz. Das vorgelegte Weißbuch soll einen kohärenten Rahmen skizzieren, eine „erste gesundheitspolitische Strategie der Gemeinschaft“. Diese soll für die Gemeinschaftsmaßnahmen richtungweisend sein. Die Strategie legt auch Durchführungsmechanismen für die Zusammenarbeit zwischen den Partnern fest - zur stärkeren Berücksichtigung von Gesundheitsfragen in allen Politikbereichen sowie zur besseren Erkennbarkeit und zum besseren Verständnis von Gesundheitsfragen auf Gemeinschaftsebene. Die im Weißbuch skizzierte Strategie sollte bis 2013 gelten und danach überarbeitet werden, um das Erreichen der Ziele zu fördern. Eine Bewertung der Europäischen Kommission kam 2011 zu dem Ergebnis, dass die Strategie als Ausgangsbasis für Maßnahmen auf nationaler Ebene und EU-Ebene dient und die 2007 formulierten Grundsätze und Ziele für das kommende Jahrzehnt im Rahmen der Strategie Europa 2020 ihre Gültigkeit behalten werden.

Vier Hauptprinzipien und drei strategische Ziele stehen im Mittelpunkt:

Prinzip 1:
Eine auf gemeinsamen Gesundheitswertvorstellungen beruhende Strategie

Die Kommission hat in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten einen wertebasierten Ansatz für Gesundheitsversorgungssysteme entwickelt. Der Rat hat 2006 eine Erklärung über diese gemeinsamen Werte angenommen. Er nannte darin als Grundwerte flächendeckende Versorgung, Zugang zu qualitativ hochwertiger medizinischer Versorgung, Verteilungsgerechtigkeit und Solidarität.

Das Weißbuch betont in diesem Zusammenhang, dass auch Patientenrechte wie die Beteiligung an der Entscheidungsfi ndung und die Gesundheitskompetenz berücksichtigt werden müssen (Health Literacy / Gesundheitskompetenz, Lebenskompetenzen). Daher sollen Programme, die Anreize zum Erwerb gesundheitsrelevanter Kenntnisse für verschiedene Altersgruppen bieten, gefördert werden. Wegen der noch immer bestehenden großen Ungleichheit im Gesundheitswesen wird auf den Wert zur Verbesserung der Gesundheit und Verringerung gesundheitlicher Benachteiligung verwiesen. Maßnahmen: Die Kommission werde Maßnahmen vorschlagen, die bestehende Benachteiligungen abbauen können. Da die Gesundheitspolitik auf den besten wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen müsse, werde ein System von Gesundheitsindikatoren geschaffen, das gemeinsame Verfahren für die Erfassung vergleichbarer Daten auf allen Ebenen vorsieht.

Prinzip 2:
Gesundheit ist das höchste Gut

Gesundheit sei für das Wohl des Einzelnen wie der Gesellschaft insgesamt von Bedeutung, eine gesunde Bevölkerung sei aber auch Voraussetzung für wirtschaftliche Produktivität und Wohlstand. Um zu unterstreichen, dass die „Lebenserwartung der Bevölkerung bei guter Gesundheit“ und nicht nur die Zahl der Lebensjahre einen Schlüsselfaktor für Wirtschaftswachstum darstelle, seien 2005 die gesunden Lebensjahre (Healthy Life Years - HLY) in die Lissaboner Strukturindikatoren aufgenommen worden. Ausgaben im Gesundheitsbereich sollten nicht nur als Kostenfaktor, sondern auch als Investition gesehen werden. Wahre Kosten entstünden der Gesellschaft durch Ausgaben für Erkrankungen und versäumte Investitionen. Demgegenüber wurden (2006) durchschnittlich nur 3 Prozent des Gesundheitsgesamtbudgets der OECD-Mitgliedstaaten für Prävention, Gesundheitsförderung und Öffentliche Gesundheit ausgegeben und 97 Prozent für kurative Versorgung und Behandlung (OECD: Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung).

Maßnahmen: Entwicklung eines Programms von Analysen der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Gesundheitszustand, Gesundheitsinvestitionen sowie Wirtschaftswachstum und -entwicklung (Kommission, Mitgliedstaaten).

Prinzip 3:
Gesundheit in allen Politikbereichen

Es wird betont, dass die Gesundheit der Bevölkerung nicht nur ein Thema der Gesundheitspolitik ist. Gesundheit spielt auch in anderen Politikbereichen eine Rolle, wie bei der Umwelt- und Regionalpolitik, der Tabakbesteuerung, Arzneimittel- und Lebensmittelvorschriften, Gesundheitsforschung und -innovation, bei der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, Entwicklungspolitik, Arbeitsplatz etc. Die Synergien mit diesen und anderen Sektoren müssen genutzt werden. Neue Partnerschaften müssen entwickelt werden (u.a. mit Nichtregierungsorganisationen, der Industrie, der Wissenschaft und den Medien). Der Ansatz gilt auch für die Entwicklung-, Außen- und Handelspolitik. Als ein Beispiel für koordiniertes Vorgehen wird der Ansatz zur Bekämpfung von HIV/Aids in der EU und benachbarten Ländern genannt.

Maßnahmen: Stärkere Einbeziehung der Gesundheitsaspekte in alle Politikbereiche auf den Ebenen der Gemeinschaft, der Mitgliedstaaten und auf regionaler Ebene, einschließlich des Einsatzes von Folgenabschätzungs- und Bewertungsinstrumenten (Health Technology Assessment).

Prinzip 4:
Mehr Mitsprache der EU in der globalen Gesundheitspolitik

Von einer nachhaltigen kollektiven Führung in der globalen Gesundheitspolitik werden bessere Gesundheitsergebnisse für die Bürgerinnen und Bürger der EU erwartet, da globale Gesundheitsfragen zunehmenden Einfluss auf die Gemeinschaft und die interne Gemeinschaftspolitik haben. Die Kohärenz zwischen der internen und externen Gesundheitspolitik zur Unterstützung globaler Gesundheitsziele (z. B. MillenniumsEntwicklungsziele) kann gestärkt werden. Der Beitrag der EU zur globalen Gesundheit erfordert die Interaktion der Gesundheits-, Entwicklungs-, Außen-, Forschungsund Handelspolitik und die verstärkte Koordination mit internationalen Organisationen wie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und anderen Organisationen der Vereinten Nationen, der Weltbank etc.

Maßnahmen: Stärkung des Gemeinschaftsstatus in internationalen Organisationen und der Zusammenarbeit in Gesundheitsfragen mit strategischen Partnern und Ländern. Sicherstellung der angemessenen Einbeziehung der Gesundheit in die EU-Außenhilfe. Förderung der Durchführung internationaler Gesundheitsabkommen, insbesondere des Rahmenübereinkommens der WHO zur Eindämmung des Tabakkonsums.

Strategische Ziele

Die Gesundheitspolitik auf Gemeinschaftsebene sollte die Gesundheit fördern, die Bürger und Bürgerinnen vor Gefahren schützen und die Nachhaltigkeit unterstützen. Drei Ziele wurden als vorrangige Bereiche festgelegt, für die zusammen mit den Mitgliedstaaten spezifischere operative Ziele entwickelt werden sollen.

Ziel 1:
Förderung der Gesundheit in einem alternden Europa

Die Gesundheit im Alter muss unterstützt werden durch Maßnahmen, die während der gesamten Lebensspanne Gesundheit fördern und Krankheit vorbeugen, indem sie wesentliche Faktoren wie schlechte Ernährung, Bewegungsmangel, Alkohol, Drogen- und Tabakkonsum, Umweltrisiken und Unfälle berücksichtigen. Maßnahmen: Maßnahmen zur Förderung der Gesundheit älterer Menschen und der Beschäftigten sowie Maßnahmen zur Förderung der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Weiterentwicklung und Erarbeitung von Maßnahmen zu Tabak, Ernährung, Alkohol, psychischer Gesundheit und anderen umweltbedingten und sozioökonomischen Gesundheitsfaktoren/-determinanten. Neue Leitlinien für Krebsvorsorgeuntersuchungen und eine Mitteilung über europäische Maßnahmen im Bereich seltener Krankheiten. Folgemaßnahmen zur Mitteilung über Organspende und Transplantation.

Ziel 2:
Schutz der Bürger vor Gesundheitsgefahren

Der Schutz der Bürgerinnen und Bürger ist eine Verpfl ichtung gemäß Art. 152 EG-Vertrag und seit jeher zentrales Anliegen der gemeinschaftlichen Gesundheitspolitik. Dies umfasst wissenschaftliche Risikobewertung, Bereitschaftsplanung und Reaktionen auf Epidemien und Bioterrorismus, Strategien zur Bekämpfung der Risiken durch bestimmte Erkrankungen und Zustände, Maßnahmen bei Unfällen und Verletzungen, die Verbesserung der Sicherheit am Arbeitsplatz und Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und des Verbraucherschutzes. Diese Arbeit soll fortgeführt werden, sich jedoch auf Herausforderungen konzentrieren, die bislang nicht in vollem Maße berücksichtigt worden sind: Bekämpfung von Pandemien, biologischen Zwischenfällen, Bedrohung durch Bioterrorismus und neu auftretende oder wahrgenommene Gesundheitsgefahren, wie den Auswirkungen des Klimawandels auf die öffentliche Gesundheit und „unerwünschte Wirkungen der gesundheitlichen Versorgung“ von Menschen. Maßnahmen: Stärkung der Mechanismen zur Überwachung und Reaktion auf Gesundheitsgefahren, einschließlich Überprüfung der Zuständigkeit des Europäischen Zentrums für die Kontrolle von Krankheiten. Gesundheitsaspekte der Anpassung an den Klimawandel.

Ziel 3:
Förderung dynamischer Gesundheitssysteme und neuer Technologien

Die Gesundheitssysteme der EU werden unter wachsendem Druck gesehen, auf die Herausforderungen zu reagieren, die die Bevölkerungsalterung, die steigenden Erwartungen, die Migration und Mobilität von Patienten und Patientinnen sowie von Beschäftigten des Gesundheitswesens mit sich bringen. Neuen Technologien wird das Potenzial zugeschrieben, die Gesundheitsversorgung zu revolutionieren und deren Nachhaltigkeit zu unterstützen. Von Gesundheitstelematik, Genomik und Biotechnologien sei zu erwarten, dass sie die Prävention und Behandlung verbessern und den Schwerpunkt von der stationären Versorgung auf die Prävention und die Primärversorgung verlagern helfen (Prädiktive Medizin, Primäre Gesundheitsversorgung). Neue Technologien müssten allerdings hinsichtlich Kosteneffi zienz und Verteilungsgerechtigkeit bewertet werden. Zur Steigerung der Investitionen ins Gesundheitswesen ist die Gesundheit in Instrumente einbezogen worden, die darauf abzielen, das Wachstum, die Beschäftigung und die Innovation zu fördern, einschließlich der Lissabon-Strategie, des 7. Forschungsrahmenprogramms mit der Gemeinsamen Technologie-Initiative etc.

Maßnahmen: Gemeinschaftsrahmen für sichere, hochwertige und effiziente Gesundheitsdienstleistungen. Unterstützung der Mitgliedstaaten beim Umgang mit Innovationen in Gesundheitssystemen. Unterstützung der Durchführung und Interoperabilität von gesundheitstelematischen Lösungen.

Durchführung der Strategie „Gemeinsam für die Gesundheit“

Die Mitgliedstaaten sind eng in die Durchführung der Strategie einzubinden, da die Zuständigkeit für das Gesundheitswesen auf nationaler, regionaler und kommunaler Ebene liegt und das Subsidiaritätsprinzip zu beachten ist. Die Kommission wird einen Mechanismus zur strukturierten Zusammenarbeit vorschlagen. Die Strategie wird von allen Einrichtungen der EU uneingeschränkt unterstützt. Sie ist zu einem bedeutsamen Zeitpunkt entwickelt worden, kurz bevor die Zahl der EU-Mitgliedstaaten auf 27 gestiegen war. Für jedes Ziel hat die Kommission mehrere Ausschüsse und Arbeitsgruppen eingesetzt, in denen nationale Regierungen, lokale und regionale Behörden, Interessengruppen, nationale und internationale Organisationen sowie sonstige Experten und Expertinnen zusammenarbeiten. Neben der hochrangigen Arbeitsgruppe des Rates zur Beratung der Kommission und zur Förderung einer verstärkten Koordinierung zwischen den EU-Ländern gibt es mehrere von der Kommission geleitete Gesundheitsausschüsse und Expertenausschüsse und Expertengruppen, z. B. Hochrangige Gruppe für Ernährung und Bewegung, HIV/Aids Think Tank, Expertengruppe zur Gesundheitsinformation etc. Die EU-Expertengruppe zu sozialen Determinanten und gesundheitlichen Ungleichheiten ist ein Gremium, in dem die Ministerien der EU-Mitgliedstaaten vertreten sind, mit dem Ziel, dieses zentrale Thema der europäischen Gesundheitspolitik zu beraten.

Zweites Aktionsprogramm der Gemeinschaft im Bereich der Gesundheit/Gesundheitsprogramm 2008-2013

Das zweite Aktionsprogramm der Gemeinschaft im Bereich der Gesundheit (20082013), das auf den Ergebnissen des Vorläuferprogramms aufbaut, wurde im Oktober 2007 beschlossen (Laufzeit 1.1.2008 bis 31.12.2013). Das Programm ist Teil und Hauptinstrument der Kommission zur Umsetzung der übergreifenden und breiteren Strategie „Gemeinsam für die Gesundheit 2008-2013“. Das Programm war mit einem Gesamthaushalt von 321,5 Millionen Euro ausgestattet. Der Großteil der Mittel war zur Finanzierung von Projekten und anderen Aktionen bestimmt, die durch die Förderung und die Sicherung der Gesundheit von Einzelnen und der Bevölkerung zu mehr Solidarität und erhöhtem Wohlstand in der Europäischen Union beitragen. Das Programm wurde von der Kommission und der Exekutivagentur für Öffentliche Gesundheit (PHEA)/seit 2008 Exekutivagentur für Öffentliche Gesundheit/Executive Agency for Health and Consumers (EAHC) geleitet.

Das Programm hat drei übergreifende Programmziele:

1. Ziel:
Besserer Gesundheitsschutz der Bürgerinnen und Bürger

  • Schutz der Bürger und Bürgerinnen vor Gesundheitsbedrohungen. Entwicklung der Fähigkeit der EU-Gemeinschaft, auf übertragbare und nichtübertragbare Krankheiten sowie auf Gesundheitsbedrohungen, die von physikalischen, chemischen und biologischen Quellen, einschließlich Bioterrorismus, ausgehen, zu reagieren, beispielsweise durch Bereitschaft und Planung für Gesundheitsnotfälle.
  • Mehr Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger. Förderung von Aktionen in Bezug auf Patientensicherheit durch hochwertige und sichere Gesundheitsversorgung, wissenschaftliche Beratung und Risikobewertung, Sicherheit und Qualität von Organen, Substanzen menschlichen Ursprungs und Blut.

2. Ziel:
Gesundheitsförderung, einschließlich des Abbaus von Ungleichheiten in der Gesundheitsversorgung

  • Aktionen in Bezug auf wesentliche Gesundheitsfaktoren (Determinanten) wie etwa Ernährung und körperliche Aktivität, Drogenmissbrauch, Sexuelle Gesundheit, Konzentration auf Schlüsselelemente wie Erziehung und Arbeitsplatz.
  • Maßnahmen zur Verhütung schwerer Krankheiten und Schwerpunkt auf Maßnahmen mit gemeinschaftlichem Mehrwert in Bereichen wie geschlechterspezifi sche Fragen, Kindergesundheit oder seltene Krankheiten.
  • Förderung gesünderer Lebensweisen und Abbau von Ungleichheiten in der Gesundheitsversorgung und damit Anhebung der Zahl der gesunden Lebensjahre und Förderung der Gesundheit im Alter (Alter[n] und Gesundheitsförderung).
  • Förderung und Verbesserung der körperlichen und geistigen Gesundheit.
  • Maßnahmen gegen die Gesundheitsfolgen sozialer und ökologischer Determinanten.

3. Ziel:
Schaffung und Verbreitung von gesundheitlichen Informationen und Kenntnissen

  • Austausch von Wissen und bewährten Verfahren zu Gesundheitsaspekten zur Unterstützung Europäischer Referenznetzwerke.
  • Sammlung, Analyse und Verbreitung von Gesundheitsinformationen mit dem Schwerpunkt auf einem Gesundheitsüberwachungssystem mit entsprechenden Indikatoren sowie auf Wegen der Übermittlung von Informationen an Bürger und Bürgerinnen, wie etwa das Portal „Gesundheit“, Konferenzen und regelmäßige Berichte zum Gesundheitsstand in der EU.

Die Aktionen sollen den einzelstaatlichen Aktionen einen europäischen Mehrwert hinzufügen. Das bedeutet den Einbezug von Akteuren aus verschiedenen teilnehmenden Ländern und dass die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere europäische Länder und Regionen gegeben sein muss. Die eingereichten Anträge wurden von der Exekutivagentur für Öffentliche Gesundheit bearbeitet.

Exekutivagentur für Verbraucher, Gesundheit und Ernährung (Consumers, Health, Agriculture and Food Executive Agency, CHAFEA) − Die EU hatte schon 2005 die Europäische Public-Health-Agentur gegründet (Public Health Executive Agency), um die Effi - zienz ihrer Maßnahmen zu verbessern und die Mitgliedsländer in ihren Bemühungen zur Umsetzung der europäischen Gesundheitsziele zu unterstützen. Die Agentur wurde in Luxemburg angesiedelt. Sie gibt logistische, wissenschaftliche und technische Unterstützung für Gesundheitsförderungsprojekte, die von der EU fi nanziell unterstützt werden. 2008 wurde die Agentur umgewandelt in die Executive Agency for Health and Consumers (EAHC) und erhielt Aufgaben im Bereich von Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Sie implementiert die EU-Gesundheits- und Verbraucherprogramme (inzwischen „Exekutivagentur für Verbraucher, Gesundheit und Ernährung, Consumers, Health and Food Executive Agency (CHAFEA), weiterhin in Luxemburg angesiedelt).

Ebenfalls 2005 wurde das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten/European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) gegründet auf der Grundlage von EU-Parlaments- und Ratsbeschlüssen von 2004. Es hat seinen Sitz in Stockholm und soll in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten die Abwehr gegen Infektionskrankheiten stärken (Prävention übertragbarer Erkrankungen).

Reformvertrag von Lissabon 2007 (inkraft seit 2009)

Der Vertrag von Lissabon bildet seit dem 1. Dezember 2009 die primärrechtliche Grundlage der EU. Seither ist Artikel 168 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (VAEU) die rechtliche Grundlage für die gemeinschaftliche Politik im Bereich Gesundheitsförderung und Prävention und hat den Artikel 152 des Vertrags von Amsterdam (bzw. seit 2000 des Vertrags von Nizza) abgelöst. Der Reformvertrag baut auf der Struktur der bestehenden Verträge auf. Der Name des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag, EGV) wurde dabei geändert in „Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union“ (VAEU). Der Reformvertrag enthält Änderungen und Ergänzungen wie z. B. die Klarstellung der Kompetenzabgrenzung zwischen der EU und Mitgliedstaaten, die Grundrechte-Charta, einen Subsidiaritätskontrollmechanismus sowie die vereinfachte Möglichkeit zur verstärkten Zusammenarbeit.

Der § 168 bleibt im Absatz 1 unverändert, in dem festgelegt wird, dass „bei der Festlegung und Durchführung aller Unionspolitiken und -maßnahmen ein hohes Gesundheitsschutzniveau sichergestellt“ wird. Im Absatz 2 wird die „Beseitigung der Ursachen für die Gefährdung der menschlichen Gesundheit“ erweitert auf die „Beseitigung von Ursachen für die Gefährdung der körperlichen und geistigen Gesundheit“. Durch den Artikel 168 ergeben sich weitere Änderungen im Bereich des Gesundheitswesens, die z.T. nur klarstellen, z.T. aber auch eine Kompetenzerweiterung der EU darstellen. Die Bekämpfung der weit verbreiteten schweren Krankheiten wird ausgeweitet: „… außerdem umfasst sie die Beobachtung, frühzeitige Meldung und Bekämpfung schwerwiegender grenzüberschreitender Gesundheitsgefahren“.

Hintergrund für diese Kompetenzausweitung waren die Erfahrungen mit der Vogelgrippe. In diesem Zusammenhang dazugekommen ist auch die Kompetenz zum Erlass von Maßnahmen, die unmittelbar den Gesundheitsschutz der Bevölkerung vor Tabakkonsum und Alkoholmissbrauch zum Ziel haben, im Sinne von Gefahrenabwehr und nicht „Gesundheitsförderung“. Der Zuständigkeitsbereich wird im Absatz 2 AEUV auf die Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten erstreckt, die darauf abzielt, die Komplementarität der Gesundheitsdienste in den Grenzbereichen zu verbessern. Für diese Verbesserung soll die offene Methode der Koordinierung (OMK) genutzt werden, die mit dieser Vorschrift im Vertrag (Art. 168 Abs. 2) verankert wird. Dadurch erhält die Kommission die „weiche“ Befugnis („weich“ im Sinne eines „soft law“, einer „weichen Steuerung“), Initiativen durchzuführen, die darauf abzielen, Leitlinien und Indikatoren festzulegen, den Austausch bewährter Verfahren durchzuführen und die erforderlichen Elemente für eine regelmäßige Überwachung und Bewertung auszuarbeiten (in enger Abstimmung mit den Mitgliedstaaten.)

Verminderung gesundheitlicher Ungleichheiten und Beeinflussung sozioökonomischer Determinanten

Der Bereich der Verminderung gesundheitlicher Ungleichheiten (Health Inequalities, Health Inequity) und der damit zusammenhängenden Beeinflussung der sozioökonomischen Determinanten der Gesundheit hat eine zunehmende Bedeutung in der EU-Gesundheitsförderungspolitik erhalten. Die Kommission hatte in der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen Solidarität im Gesundheitswesen: Abbau gesundheitlicher Ungleichheit in der EU“ vom 20.10.2009 deutlich gemacht, dass sie in der Bekämpfung gesundheitlicher Ungleichheit einen Schwerpunkt sieht. Bei der Reduktion dieser Ungleichheiten spielen neben der Public Health-Politik auch andere Bereiche eine Rolle wie Beschäftigung, Gesundheit und Arbeitsschutz, Sozialpolitik, Chancengleichheit und Grundrechte, Diversity und Anti-Diskriminierung (Diversity und Diversity Management), das Forschungsrahmenprogramm, die Europa-2020-Strategie, die Europäische Nachhaltigkeitsstrategie sowie der Strukturfonds.

Beispiele für diesbezügliche Projekte mit deutscher Beteiligung an den letzten beiden Aktionsprogrammen sind „Closing the Gap“ und „DETERMINE“. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hatte von 2004 bis 2007 im Rahmen von EuroHealthNet die Federführung im EU-geförderten Projekt „Closing the Gap“ („European Partners for Equity in Health“) zu Handlungsstrategien zur Verringerung gesundheitlicher Ungleichheiten in Europa (Gesundheitsförderung und soziale Benachteiligung). Das Nachfolgeprojekt DETERMINE (2007-2010) hat auf den Ergebnissen von „Closing the gap“ aufgebaut. DETERMINE war ein ebenfalls im Rahmen von EuroHealthNet durchgeführtes und von der EU gefördertes Programm zur Beeinfl ussung der sozioökonomischen Determinanten der Gesundheit zur Verbesserung der gesundheitlichen Chancengleichheit (Working together for Equity). Die BZgA und die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) waren Partner in dem dreijährigen Projekt. Übergeordnetes Ziel des Projekts war es, ein größeres Bewusstsein und größere Kompetenz bei Entscheidungsträgern zu fördern.

Die BZgA war auch beteiligt an dem von EuroHealthNet koordinierten und von der EU als „Joint Action“ kofi nanzierten Equity Action Programm (2011-2014), an dem 15 Europäische Länder und Norwegen, Nichtregierungsorganisationen und die Europäische Kommission beteiligt waren. Equity Action hatte die Stärkung von Politik und Strategien der Verringerung von gesundheitlichen Ungleichheiten auf der Ebene der Mitgliedstaaten, Regionen und der EU zum Ziel.

DRIVERS („Drivers for Health Equity“) (2012-2014), ebenfalls mit BZgA-Beteiligung über EuroHealthNet), war ein Forschungsprojekt im Rahmen des 7. EU-Rahmenprogramms. Ziel war es, die Zusammenhänge und Einfl üsse auf Gesundheit über die Lebensspanne zu verstehen und Lösungsvorschläge zur Verbesserung der Gesundheit und Reduzierung von gesundheitlicher Ungleichheit zu finden. Es konzentrierte sich auf drei hauptsächliche „Driver“ für gesundheitliche Ungleichheiten: Frühe Kindheits-Entwicklung, Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen sowie Einkommen und Soziale Sicherheit. Es wurde von EuroHealthNet koordiniert. 2015 erschien mit „Improving health equity through action across the life course“ eine Zusammenfassung der Evidenz und Empfehlungen aus dem Projekt.

Die BZgA arbeitet zusammen mit anderen Institutionen der Prävention und Gesundheitsförderung, die von der EU-Kommission, insbesondere von der Generaldirektion Verbraucher und Gesundheit sowie im Rahmen des Forschungsrahmenprogramms Horizon 2020 gefördert werden: Diese Zusammenarbeit erfolgt in den Bereichen der Förderung der gesundheitlichen Chancengleichheit“, „Chronische Erkrankungen (Chrodis)“, „Alkoholprävention“, „Gesundes Altern“ und „Qualitätsverbesserung in der HIV-Prävention“.

EuroHealthNet ist auf europäischer Ebene das (auch für die BZgA) zentrale Netzwerk im Bereich der Gesundheitsförderung, insbesondere mit dem Schwerpunkt Health Inequalities. Das „neue“ EuroHealthNet versteht sich in seiner veränderten Ausrichtung (seit 2013) als europäische Partnerschaft zur Förderung von Gesundheit, Chancengleichheit und Wohlbefinden. Es ist eine gemeinnützige Partnerschaft von 31 öffentlichen Organisationen der lokalen, regionalen, nationalen und internationalen Ebene in Europa (Stand Juni 2016) mit dem Auftrag der Unterstützung des Aufbaus gesünderer Gemeinschaften und der Bekämpfung der gesundheitlichen Ungleichheit in und zwischen den europäischen Staaten. EuroHealthNet hat (Stand Juni 2016) 31 Mitglieds- und Partnerorganisationen und unterstützt sowohl die Strategie „Gesundheit 2020“ der WHO-Europa, als auch die EU-Gesundheitsprogramme. Der strategische EuroHealthNet-Plan 2014-2020 zielt auf eine nachhaltige Zukunft und einen umfassenden Beitrag zu Gesundheit, Chancengleichheit und Wohlbefinden in Europa. Es teilt sich auf in HPE (Gesundheitsförderung in Europa), CIRI (das europäische Zentrum für Innovation, Forschung und Anwendung im Bereich Gesundheit und Wohlbefi nden sowie PHASE (die europäische Plattform für Gesundheit und soziale Gerechtigkeit). Beispiele für die Aktivitäten im Bereich CIRI sind die Projekte DRIVERS (2012-2015) und IROHLA („Intervention Research on Health Literacy among Ageing Population“) (2013-2015), an denen auch die BZgA beteiligt war. Im Bereich der Bekämpfung der gesundheitlichen Ungleichheit ist EuroHealthNet beteiligt an den aktuellen Initiativen des Europäischen Parlaments: VulnerABLE: Improving the health of those in isolated and vulnerable situations (2016-2017) und „Reducing health inequalities among LGTB people (2016-2017).

Drittes Aktionsprogramm der Union im Bereich Gesundheit (2014-2020)

Im November 2011 hatte die Europäische Kommission einen Vorschlag für ein Drittes Mehrjahresprogramm (2014-2020) angenommen. Im Mai 2012 hatte eine Hochrangige Konferenz zu den EU-Gesundheitsprogrammen, ihren Ergebnissen und Perspektiven stattgefunden, die Erfolge aus zehn Jahren Gesundheitsprogramm refl ektierte. Das Europäische Parlament akzeptierte den Vorschlag für ein drittes EU- Gesundheitsprogramm für den Zeitraum 2014-2020 am 28.2.2014. Die Verordnung des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 11. März 2014 über ein drittes Aktionsprogramm der Union im Bereich der Gesundheit (2014-2020) wurde am 21.3.2014 im Offi ziellen Journal der Europäischen Union veröffentlicht und trat am Folgetag inkraft.

Das neue Gesundheitsprogramm versteht sich als Antwort auf die folgenden Herausforderungen:

  • Demografi sche Entwicklung, die die Nachhaltigkeit der Gesundheitssysteme gefährdet
  • Fragile ökonomische Erholung mit Begrenzung der Ressourcen, die für Investitionen in Gesundheitsversorgung zur Verfügung stehen
  • Vergrößerung von gesundheitlichen Ungleichheiten zwischen und innerhalb von Mitgliedsländern
  • Zunahme der Prävalenz von chronischen Erkrankungen

Die übergeordneten Ziele des Programms sind:

  • die Verbesserung der Gesundheit der EU-Bürger und Bürgerinnen und Verringerung gesundheitlicher Ungleichheiten,
  • die Unterstützung von Gesundheitsinnovationen und Verbesserung der Nachhaltigkeit von Gesundheitssystemen,
  • Fokussierung auf aktuelle Gesundheitsthemen der Mitgliedstaaten (across the Member States),
  • Unterstützung und Ermutigung für Kooperationen zwischen Mitgliedstaaten.

Das Programm verfolgt vier spezifi sche Ziele (siehe Abb. unten)

Ziele des Dritten EU-Aktionsprogramms Gesundheit (2014-2020)

  1. Gesundheitsförderung, Prävention von Krankheiten und Schaffung eines günstigen Umfelds für eine gesunde Lebensführung unter Berücksichtigung des Grundsatzes „Einbeziehung von Gesundheitsfragen in alle Politikbereiche“
  2. Schutz der EU-Bürger/-innen vor schwerwiegenden grenzübergreifenden Gesundheitsgefahren
  3. Beitrag zu innovativen, effizienten und nachhaltigen Gesundheitssystemen
  4. Erleichterung des Zugangs zu besserer und sicherer Gesundheitsversorgung für die EU-Bürger/-innen


Das dritte EU-Gesundheitsprogramm ist das wichtigste Instrument der Europäischen Kommission zur Umsetzung der EU-Gesundheitsstrategie „Gemeinsam für die Gesundheit“ (2007-2013, verlängert bis 2020), die wiederum die allgemeine Strategie Europa 2020 (von 2010) unterstützt. (Weitere gesundheitsrelevante Programme sind Horizon 2020 sowie die Structural and Investment Funds.) Die Umsetzung des dritten Gesundheitsprogramms erfolgt mithilfe von jährlichen Arbeitsplänen in Zusammenarbeit mit den Mitgliedsstaaten. Für das Programm mit siebenjähriger Laufzeit steht ein Gesamtbudget von 449,4 Millionen Euro bereit.

Arbeitspläne, euopäischer Mehrwert, Joint Actions (Gemeinsame Maßnahmen): Zur Umsetzung des Programms werden von der Europäischen Kommission in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten jährlich Arbeitspläne verabschiedet. Der Arbeitsplan 2016 wurde am 1. März 2016 verabschiedet. Auf der Grundlage der thematischen Schwerpunkte der Arbeitspläne können Vorhaben gefördert werden, die einen zusätzlichen Mehrwert auf europäischer Ebene beinhalten und Entwicklungen im Bereich der öffentlichen Gesundheit auf europäischer Ebene fördern. Ein besonderes Förderinstrument sind Gemeinsame Maßnahmen (Joint Actions - JA). Die Mitgliedstaaten entscheiden über eine Beteiligung an den Joint Actions. Sie benennen Kooperationspartner zur Teilnahme an den JA gegenüber der EU. Die Exekutivagentur für Verbraucher, Gesundheit und Ernährung (Consumers, Health, Agriculture and Food Executive Agency _ CHAFEA) ist zuständig für die Aufrufe zur Einreichung von Vorschlägen und Vergabebeschlüsse, Monitoring und Verbreitung der Ergebnisse.

Nationale Focal Points (National Focal Points): Die nationalen Focal Points haben die Aufgabe, die Möglichkeiten des Gesundheitsförderungsprogramms zu verbreiten, Antragstellende zu beraten und zu unterstützen, an der Berichterstattung und Evaluation mitzuwirken und die Ergebnisse des Gesundheitsprogramms auf nationaler Ebene zu verbreiten.

Der Arbeitsplan 2016 sieht die folgenden Joint Actions (Gemeinsame Maßnahmen) vor:

  • Qualität der Prävention von HIV/AIDS/sexuell übertragbaren Infektionskrankheiten und der Prävention von Virushepatitiden und Tuberkulose mit Bezug zur Versorgung
  • Maßnahmen im Bereich chronischer Erkrankungen
  • Eindämmung des Tabakkonsums
  • Antibiotika-Resistenzen und nosokomiale Infektionen
  • Grundlagen für die Aufbereitungsverfahren von Blut, Gewebe und Zellen

Das Dritte EU-Gesundheitsprogramm (2014-2020) wendet sich an dieselben Partner wie die vorherigen Programme. Die Ziele wurden mehr fokussiert und greifbarer formuliert (SMART). Die Maßnahmen sind limitiert und thematisch priorisiert. Die Interventionstypen wurden beibehalten aber administrative und finanzielle Prozeduren aktualisiert und vereinfacht. Es gibt Fortschrittsindikatoren, um die Ziele und den Impact zu überwachen. Die Jahrespläne basieren auf langfristiger Policy-Planung. Die Verbreitung und Übermittlung der Programmergebnisse soll verbessert werden.

Umsetzung der EU-Gesundheitspolitik in Deutschland

Für die Umsetzung der EU-Gesundheits(förderungs)politik in Deutschland ist von grundlegender Bedeutung, dass die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern geteilt sind und die Bundesregierung für autonome Zuständigkeiten der Länder keine Verpfl ichtungen eingehen kann. Der Bundesrat hatte zum Vorschlag der Kommission bereits 2000 umfassend Stellung bezogen und die integrative Zusammenfassung aller Gesundheitsprogramme begrüßt. Die Konferenz der für das Gesundheitswesen zuständigen Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren der Länder (GMK) hat im Juni 2002 einstimmig und grundlegend für die weitere Entwicklung eine Entschließung zu „Grundlinien einer europäischen Gesundheitspolitik - Die Position der Länder“ angenommen.

Die GMK hielt es für erforderlich, im weiteren Gestaltungsprozess europäischer Gesundheitspolitik eine aktive Rolle einzunehmen und zu einer systematischen und auf Kontinuität angelegten Weiterentwicklung europäischer Gesundheitspolitik beizutragen. Die GMK betonte den Grundsatz der Subsidiarität auch bei weiteren europäischen Entwicklungen. Eine Harmonisierung der Gesundheitssysteme müsse auch in Zukunft ausgeschlossen bleiben. Allerdings müsse die Subsidiarität mit Leben erfüllt werden und das deutsche Gesundheitswesen müsse im Vergleich mit anderen Systemen seine Stärken verdeutlichen. Zusammenarbeit, Erfahrungsaustausch, die Ermöglichung von Vergleichen zwischen den europäischen Systemen ermöglichten mehr Konvergenz und eröffneten Chancen für gegenseitiges Lernen und den Wettbewerb um beste Lösungen über Best-Practice-Modelle. Dazu könne die Methode der offenen Koordinierung einen Beitrag leisten. Allerdings müssten Werte, Ziele und Kriterien für einen entsprechenden Prozess unter Beteiligung der Länder/Regionen erfolgen und die Beteiligten des Gesundheitswesens müssten einbezogen werden.

Auch auf EU-Ebene will die GMK die Mitwirkungsmöglichkeiten der Länder und Regionen stärken. Sie hielt es für erforderlich, dass die Länder zukünftig stärker unmittelbar an der Gestaltung der Gesundheitspolitik in Europa durch eigene Aktivitäten mitwirken, insbesondere in der Umsetzung des neuen Aktionsprogramms im Bereich der öffentlichen Gesundheit. Sie bat die Bundesregierung darum, die Länder zukünftig bei der Identifi zierung der relevanten gesundheitspolitischen Themen und der Festlegung gesundheitspolitischer Ziele zu beteiligen.

Die Länder haben in der GMK insbesondere seit der Einführung der Offenen Methode der Koordinierung in verschiedenen europäischen Politikbereichen in mehreren Gesundheitsministerkonferenzen zu Fragen der Europäischen Gesundheitspolitik Entschließungen unterstützend und auch kritisch Stellung genommen und immer wieder die Subsidiarität betont. 2005 wurde der GMK-Beschluss der Länder von 2002 aufgegriffen und weiterentwickelt. Die GMK kündigte an, auch weiterhin eine aktive Rolle im Gestaltungsprozess der europäischen Gesundheitspolitik einzunehmen (Leitantrag der 78. GMK zur Europäischen Gesundheitspolitik). Sie beschäftigte sich auch in der 79. GMK 2006 und in der 81. GMK 2008 mit Europäischen Aspekten der Gesundheitsversorgung bzw. der territorialen Vielfalt als Stärke. 2009 hat die 82. GMK ohne Gegenstimme eine Neuausrichtung von EU-Strategien in Zeiten der Krise gefordert und gesundheitlichen Schutz und Solidarität als einen Beitrag zur Stabilisierung der europäischen Gesellschaften in der Krise betont. Dies schließe Leistungen der Prävention zur Verbesserung der Lebensbedingungen und -gewohnheiten ein. Der Grundsatz „Gesundheit in allen Politikbereichen“ („Health in All Policies“) müsse besonders jetzt Anwendung fi nden.

Die 89. GMK 2016 begrüßt (einstimmig) grundsätzlich das im Aktionsprogramm der Europäischen Kommission formulierte Anliegen, sich auf große Fragen mit erkennbarem Mehrwert eines gemeinsamen Tätigwerdens auf EU-Ebene zu konzentrieren. Sie vermisst im Arbeitsprogramm 2016 allerdings die Patientensicherheit und bittet das Bundesministerium für Gesundheit, sich für eine Fortschreibung und Weiterentwicklung der Patientensicherheit auf EU-Ebene einzusetzen.

Das Bundesministerium für Gesundheit setzt sich „im Rahmen der Subsidiarität und Wahrung der Verhältnismäßigkeit“ dafür ein, „dass in Deutschland bewährte europäische Verfahren bekannt und genutzt werden“.

Bewertung und Perspektiven der neueren Entwicklungen
der EU-Gesundheits(förderungs)politik

Mit dem „neuen“ Aktionsprogramm der Gemeinschaft im Bereich der Öffentlichen Gesundheit (2003-2008) wurde eine weitere Etappe der Gesundheitsförderung auf der europäischen Ebene eingeleitet, gut zehn Jahre nach Beginn der systematischeren Gemeinschaftsaktivitäten innerhalb des Aktionsrahmens im Bereich der Öffentlichen Gesundheit von 1993. Die Kritik an den „Kinderkrankheiten“ der ersten Phase wurde ernst genommen. Forderungen nach mehr Transparenz, Bürgerbeteiligung, mehr Nachhaltigkeit, nach mehr Kohärenz und einer intersektoralen, integrierten europäischen Gesundheitspolitik wurden seither zunehmend aufgegriffen.

Das einheitliche erste neue Aktionsprogramm stellte gegenüber den vorherigen, mangelhaft verbundenen Einzelprogrammen einen erheblichen Fortschritt dar. Während z. B. im 1. Aktionsprogramm der Gemeinschaft Gesundheitsförderung, -aufklärung und -erziehung noch sehr pragmatisch aufgereiht wurden, waren jetzt „Förderung der Gesundheit“ und „Verhütung von Krankheiten“ durch Beeinfl ussung der Gesundheitsdeterminanten klarer und dem Stand der internationalen Diskussion entsprechend zu einem der drei Hauptziele des Programms geworden. Auch die intersektorale Zusammenführung in der Direktion Gesundheit und Verbraucherschutz war eine sinnvolle Weiterentwicklung. Die EU-Gesundheitsstrategie „Gemeinsam für die Gesundheit 2008-2013“ (verlängert bis 2020) und die zu ihrer Umsetzung entwickelten „Aktionsprogramme Gesundheit 2008-2013 und 2014-2020“ führen diese positive Entwicklung fort. Die Bedeutung der Investitionen in Gesundheit und der Gesundheitsförderung für eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung und eine gesündere und wirtschaftlich produktivere Gesellschaft ist immer klarer herausgearbeitet und umgesetzt worden. Neuere Entwicklungen der Konzeptdiskussion und Politik, wie die „Gesundheit in allen Politikbereichen“ (Health in All Policies, Health mainstreaming), werden aufgegriffen und umgesetzt. Die Notwendigkeit der Verringerung gesundheitlicher Ungleichheiten und Beeinflussung der sozialen und sozioökonomischen Determinanten der Gesundheit wird immer deutlicher und oberste Priorität, die alle anderen Ziele beeinflusst. Auch im Rahmen der Weiterführung der Lissabon-Strategie durch die „EU-2020-Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum“ geht es darum, soziale Kohäsion zu fördern, soziale Ausgrenzung zu verhindern und auch deshalb gesundheitliche Chancengleichheit zu fördern. Mit der Verknüpfung von gesundheitlicher Chancengleichheit, Gesundheit und (nachhaltiger) Entwicklung befindet sich die Europäische Union im Einklang mit den Zielsetzungen der WHO und des UNDP (Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen). Auf der Ebene der Konzepte und Begrifflichkeiten werden Gesundheitsförderung und Prävention klarer und spezifischer eingesetzt als in den Anfangsjahren der Gemeinschaftsaktivitäten im Bereich der öffentlichen Gesundheit.

Zusammenfassend ist jedoch trotz aller Fortschritte festzustellen, dass sich die EU-Gesundheitspolitik und Gesetzgebung weiterhin darauf beschränken, nationale Maßnahmen zu ergänzen und Minimalstandards zu setzen, die eher dem Schutz vor Gesundheitsschädigung dienen und nicht wesentlich zur Gesundheitsförderung beitragen. Gesundheitspolitik und Gesundheitsförderungspolitik sind weiterhin ganz überwiegend eine nationalstaatliche Angelegenheit. Die Steuerung über die Offene Methode der Koordinierung (OMK) verläuft eher schleppend. Die Reichweite der Gesundheitsprogramme ist durch die Beschränkung der Gestaltungskompetenzen und die vergleichsweise bescheidene Ausstattung mit fi nanziellen Mitteln (2014-2020: 449 Millionen Euro für 28 Länder und für eine halbe Milliarde Menschen) sehr begrenzt.

Die Umsetzung des Aktionsprogramms 2014-2020 über die Jahresarbeitspläne und Joint Actions bleibt abzuwarten, ebenso die Reaktion auf die neuen Herausforderungen durch die Aufnahme und Integration von geflüchteten Menschen sowie durch den Brexit.

Literatur:

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Internetadressen:

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www.eurohealthnet.eu
www.gmkonline.de (Die Gesundheitsministerkonferenz der Länder)
www.health-inequalities.eu (Gesundheitliche Ungleichheiten)

Verweise:

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Die Autorin dankt Helene Reemann (BZgA) für hilfreiche Hinweise.