Finanzierung der Gesundheitsförderung
Zitierhinweis: Altgeld, T. (2024). Finanzierung der Gesundheitsförderung. In: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (Hrsg.). Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention. Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden.
Zusammenfassung
Gesundheitsförderung wird in Deutschland über sehr heterogene Finanzierungswege ermöglicht. Den Großteil der Investitionen leisten öffentliche Haushalte verschiedener Ressorts und mehrere Sozialversicherungsträger. In die betriebliche Gesundheitsförderung investieren außerdem die Arbeitgeber. Strategien der Gemeinschaftsfinanzierung unterschiedlicher Träger sind eher selten. Zunehmende Bedeutung bei der Finanzierung gewinnen Fundraisingstrategien von Non-Profit-Organisationen.
Schlagworte
Investment for Health, Fundraising, Gesundheitsförderung in Lebenswelten, Individualprävention, Präventionsbericht
Investitionen in Gesundheit und Gesundheitsförderung finden in allen gesellschaftlichen Subsystemen statt, nicht nur im Gesundheitswesen selbst. Finanzierungswege und -quellen der Gesundheitsförderung sind deshalb schwer zu gewichten und umfassend darzustellen. Wesentliche Investitionen in Gesundheit werden z. B. im Bildungssystem oder innerhalb von Familien bei der Kindererziehung getätigt. Investitionen und soziale Reformen zur Verbesserung der Lebensbedingungen durch Bildung, verbesserte Arbeits- und Wohnbedingungen oder verbessertem Umweltschutz haben direkte und primäre Gesundheitseffekte für die Bevölkerung (Determinanten der Gesundheit; Gesundheitsförderung 1: Grundlagen).
Folgt man sozialepidemiologischen Überlegungen, haben zur Gesundheit und der Verbesserung der Lebenserwartung grundlegende soziale Reformen für breite Bevölkerungsschichten bislang mehr beigetragen als im Gesundheitswesen direkt investierte Gelder und die gezielt in Gesundheitsförderungs- und Präventionsmaßnahmen investierten Mittel. Der angelsächsische Begriff „investment for health“, der dies beschreibt, hat sich im deutschen Sprachraum nicht durchgesetzt. Innerhalb des deutschen Gesundheitswesens wird in der Regel über „Kosten der Gesundheitsversorgung“ diskutiert, nicht über Investitionen in Gesundheit, ebenso wenig über gesundheitliche Folgekosten von Entscheidungen in anderen Politikbereichen (z. B. Verkehrspolitik oder Wirtschaftsförderung) (Gesundheitsfördernde Gesamtpolitik/Healthy Public Policy).
Verankerung in Sozialgesetzbüchern
Maßnahmen der Gesundheitsförderung und Prävention sind in Deutschland nur teilweise in verschiedenen Gesetzen verankert. Je nach Zielgruppe oder Lebensbereich sind unterschiedliche soziale Sicherungssysteme und Kostenträger verantwortlich (Kranken-, Renten-, Unfall- und Pflegeversicherung, Jugendhilfe, Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen). Insgesamt wurden die präventiven Ausgaben in allen Sozialversicherungszweigen in den letzten 10 Jahren erhöht, aber verglichen mit der kurativen Versorgung, Rehabilitation und Pflege spielen die finanziellen Aufwendungen für Gesundheitsförderung und Prävention in den jeweiligen Etats nach wie vor eine untergeordnete Rolle (GKV-Kennzahlen 2024).
In Deutschland erhielten die gesetzlichen Krankenversicherer (GKV) 1988 als erster Sozialversicherungszweig mit dem § 20 des Sozialgesetzbuches V eine gesetzliche Grundlage zur Finanzierung von Gesundheitsförderungsmaßnahmen. Dieser Finanzierungsweg wurde 1996 zunächst massiv eingeschränkt und im Jahr 2000 in begrenztem Umfang wieder zugelassen. Die Begrenzung erfolgte in Form einer Budgetierung (2,74 Euro pro Versicherten), die Umsetzung der Primärprävention wurde an die „Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen“ geknüpft. Die Ausgaben nach § 20, SGB V lagen 2015 bei insgesamt 317 Millionen Euro, also im Promillebereich der damaligen Gesamtausgaben der GKV von 208 Milliarden Euro.
Investierte Mittel in betriebliche und nicht betriebliche Lebenswelten
Das 2015 verabschiedete Präventionsgesetz hat die investierten Mittel in betrieblichen und nicht betrieblichen Lebenswelten dann mehr als verdoppelt, indem klare Vorgaben gemacht wurden, welche Mittel in die Individualprävention, in Lebenswelten und später auch in Betriebliche Gesundheitsförderung in der Pflege fließen sollten. Mit dem Gesetz zur Stärkung des Pflegepersonals (PpSG) vom 11. Dezember 2018 wurden die gesetzlichen Krankenkassen zum 1. Januar 2019 verpflichtet, mindestens 1 Euro je Versicherten für Leistungen der betrieblichen Gesundheitsförderung in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen aufzuwenden (§ 20 Absatz 6 Satz 3 SGB V).
Mit der COVID-19-Pandemie 2020 wurde die gesetzliche Ausgabenverpflichtung ausgesetzt. Damit brachen die Ausgaben zunächst ein, haben sich aber bereits 2022 wieder erhöht. Abb. 1 zeigt die Ausgabenentwicklung für das Jahr 2020 der GKV seit 2015 und ihre Aufteilung auf verschiedene Ausgabenbereiche (Individualprävention, Betriebliche Gesundheitsförderung [einschließlich Pflegeeuro seit 2019] und Gesundheitsförderung in Lebenswelten):
Die Ausgaben der Krankenkassen für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach den §§ 20a bis 20c sollten ab dem Jahr 2019 insgesamt für jeden ihrer Versicherten einen Betrag in Höhe von 7,52 Euro umfassen. Diese gesetzliche Vorgabe wurde mit den in 2022 durchschnittlich verausgabten 7,93 Euro leicht überschritten.
Obwohl auf Bundesebene eine Nationale Präventionskonferenz eingerichtet wurde und in allen Bundesländern Landesrahmenvereinbarungen zur gemeinsamen Umsetzung des Präventionsgesetzes getroffen wurden, verausgaben die gesetzlichen Krankenkassen mehr als vier Fünftel der Gelder in kassenspezifischen Angeboten. Die einzige systematische Gemeinschaftsfinanzierung erfolgt in der Umsetzung einiger Landesrahmenvereinbarungen (z. B. Nordrhein-Westfalen und Sachsen) sowie im Rahmen des GKV-Bündnis für Gesundheit. Das Bündnis wurde zunächst am 1. Juni 2019 im Rahmen der gesetzlichen Verpflichtung der GKV gegründet, die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) mit der Umsetzung von Gemeinschaftsaktivitäten im Bereich vulnerabler Gruppen und der Qualitätssicherung der Gesundheitsförderung in Lebenswelten in Höhe von 35 Cent pro Versicherten zu beauftragen.
Gegen die Verpflichtung, Geld an eine Bundesoberbehörde abzuführen, haben die Kassen 2021 erfolgreich vor dem Bundessozialgericht geklagt. Der Bund darf demnach nicht auf Mittel der Sozialversicherung zurückgreifen, um die Aufgaben eigener Behörden zu finanzieren. Die GKV stellte daraufhin ihre Zahlungen an die BZgA ein und traf Übergangsregelungen mit der Behörde für die Verwendung der Restmittel. Nach diesen (freiwilligen) Übergangsregelungen wurde im März 2023 eine Neufassung des §20a Abs.7 SGB V durch den Deutschen Bundestag beschlossen: Seit Januar 2024 muss demnach mindestens ein Betrag in Höhe von 0,53 Euro je Versicherten dem „Spitzenverband Bund der Krankenkassen“ zur Verfügung gestellt werden. Auf dieser Basis setzen die Kassen die gemeinsame Förderung bundesweiter Programme wie z. B. „teamw()rk für Gesundheit und Arbeit“ zur Verzahnung von Gesundheits- und Arbeitsmarktförderung unter dem Dach des „GKV-Bündnis für Gesundheit“ fort.
Länderspezifische Ansätze
In allen Bundesländern wurden bis Ende 2023 Landesarbeitsgemeinschaften der Kassen gegründet, jeweils eine „Arbeitsgemeinschaft (ARGE) GKV-Bündnis für Gesundheit“, die länderspezifische Ansätze für das GKV-Bündnis entwickeln und finanzieren, u. a. die Koordinierungsstellen für gesundheitliche Chancengleichheit. Die Aufteilung der vorhandenen Mittel für die länderspezifische Arbeit erfolgte nach dem Deprivationsindex, d. h., dass Bundesländer mit größeren sozialen und gesundheitlichen Problemlagen verhältnismäßig mehr Geld zur Verfügung gestellt bekommen als bessergestellte Bundesländer.
Das GKV-Bündnis fördert insbesondere den Strukturaufbau und Vernetzungsprozesse, die Entwicklung und Erprobung gesundheitsfördernder Konzepte, insbesondere für sozial und gesundheitlich benachteiligte Zielgruppen. Hinzu kommen Maßnahmen zur Qualitätssicherung und wissenschaftlichen Evaluation. Für benachteiligte Kommunen wurde das „Kommunale Förderprogramm“ Anfang 2019 aufgelegt, das zwei Themenbereiche umfasst: Zum einen den Auf- und Ausbau kommunaler Steuerungsstrukturen, zum anderen die Umsetzung von Maßnahmen auf kommunaler Ebene, von denen besonders sozial und gesundheitlich benachteiligte Menschen profitieren sollen. Gefördert wurden seitdem insgesamt 120 kommunale Projekte. Ob und wie die aufgebauten Strukturen und Angebote nach Auslaufen der Förderung 2025 erhalten werden können, muss sich noch erweisen.
Finanzierung nach der gesetzlichen Pflege- und Rentenversicherung
Mit dem Präventionsgesetz wurde auch die gesetzliche Pflegeversicherung 2016 verpflichtet, Prävention und Gesundheitsförderung in stationären und teilstationären Pflegeeinrichtungen mit einem Betrag von 30 Cent pro Versicherten durchzuführen (§ 5 Abs. 2 SGB XI). Das Gesetz sieht jährliche Anpassungen vor; 2023 waren es 35 Cent. Auch die Träger der Deutschen Rentenversicherung (DRV) haben ihr primärpräventives Angebot ausgeweitet und bieten seit 2020 eine neuartige Leistung zur Prävention mit der Bezeichnung „RV Fit“ für Menschen, die nicht Reha-bedürftig sind, an (§ 28 SGB VI). Programmbestandteile sind nach einer Eingangsdiagnostik Trainingselemente zu Bewegung, Ernährung und Stressbewältigung. Das Präventionsprogramm „RV Fit“ kombiniert zum Beispiel eine intensive, mehrtägige Startphase mit berufsbegleitenden, regelmäßigen Trainingseinheiten vor Ort über 24 Wochen hinweg.
Investitionen öffentlicher Haushalte und Arbeitgeber
Über diese (ausgeweiteten) Aktivitäten der Sozialversicherungsträger hinweg werden Maßnahmen zur Primärprävention und Gesundheitsförderung in einem vergleichbaren finanziellen Umfang aus öffentlichen Haushalten gefördert (z. B. Sucht-, Gewalt-, Kriminal-, Aids- und SDI-Prävention, Ernährungsaufklärung oder Sport- und Bewegungsförderung). Auf kommunaler Ebene wächst der Anteil der Investitionen angesichts vielerorts prekärer öffentlicher Haushaltslagen insbesondere nach der COVID-19-Pandemie kaum noch. Eine wichtige Rolle bei der Finanzierung spielt das Engagement nicht öffentlicher und gemeinnütziger Träger sowie des privaten Sektors.
Tab. 1 systematisiert die wichtigsten Ebenen und Strukturen der Finanzierung von Gesundheitsförderung und Primärprävention auf unterschiedlichen Ebenen. Die Finanzierungswege und − soweit vorhanden − die gesetzlichen Grundlagen für eine Finanzierung werden benannt. Ausgaben zur Sekundär- und Tertiärprävention sind dabei nicht berücksichtigt.
| Staatliche Stellen | Öffentlich-rechtliche Körperschaften | Freie Träger/NGOs * | Private Träger |
Europäische Ebene | Aktionsprogramme, Gemeinschaftsinitiativen oder Haushaltslinien der Europäischen Union (z. B. EU4Health); | WHO−Regionalbüro für Europa, (Kopenhagen); | European Section of IUHPE (International Union for Health Promotion and Education) | Multinationale Betriebe; |
Nationale Ebene | Haushaltsmittel der Bundesministerien für Gesundheit, Familie, Forschung, Inneres, Ernährung und Arbeit; | Mittel der gesetzlichen Krankenversicherer (§ 20, § 21 SGB V); | Bundesvereinigung für Prävention und Gesundheitsförderung; | Großbetriebe, |
Ebene der Bundesländer | Haushaltsmittel der Landesministerien für Gesundheit, Soziales, Inneres, Kultus und Frauen; | Landesverbände der gesetzlichen Kranken-, Renten- und Unfallversicherer, Landesärztekammern | Landeszentralen/-vereinigungen für Gesundheit; | Großbetriebe; |
Kommunale Ebene | Mittel aus kommunalen Haushalten; | Mittel der gesetzlichen Kranken-, Renten- und Unfallversicherer, u. a. über das GKV-Bündnis für Gesundheit und das Förderprogramm Rehapro der Rentenversicherungen | Gesundheitszentren, | Klein- und Mittelbetriebe; |
* Die nicht staatlichen Einrichtungen erhalten zum Teil Fördergelder aus dem staatlichen Sektor und dem Sozialversicherungssektor. Sie akquirieren aber weitere Gelder und setzen darüber hinaus Eigenmittel, Spenden und Mitgliedsbeiträge im erheblichen Umfang ein. |
Tab. 1: Ausgewählte Einrichtungen, Strukturen, Finanzierungsquellen und -wege der Gesundheitsförderung von der europäischen zur lokalen Ebene (eigene Darstellung)
Die Tabelle enthält keine Angaben über private Investitionen in persönliche Gesundheitsförderung auf der individuellen Ebene. Gerade in diesem Bereich ist im letzten Jahrzehnt ein beachtlicher, marktförmig organisierter Sektor entstanden. Persönliche Gesundheitsförderung wird mit Begriffen wie Wellness und individuellen Gesundheitstrainings oder -coachings umschrieben und beworben. Insbesondere in den Bereichen Bewegung, Entspannung und Ernährung ist eine zunehmende Produktentwicklung zu verzeichnen. Auch digitale Anwendungen sind Teil dieses Wachstumsmarktes. Gesundheits-Apps, die Bewegungs- und Ernährungsverhalten oder andere gesundheitsrelevante Alltagsaspekte erfassen, boomen (Social Media/Gesundheitsförderung mit digitalen Medien).
Da die größten Investitionen in Gesundheitsschutz und Gesundheitsförderung in der Arbeitswelt von Betrieben selbst getätigt werden, wurden diese Investitionen in die Tabelle aufgenommen. Seit 2008 wird die Förderung der Mitarbeitergesundheit in Betrieben steuerlich unterstützt (§ 3 Nr. 34 EStG)E)G: Seit 2008 unverändert kann ein Unternehmen 600 Euro pro Mitarbeiter bzw. Mitarbeiterin und pro Jahr lohnsteuerfrei für Maßnahmen der Gesundheitsförderung investieren. Über betriebliche Gesundheitsförderungsmaßnahmen der GKV wurden 2022 insgesamt 26.439 Betriebe erreicht, was bei einer Gesamtanzahl von 7,9 Millionen Betrieben in Deutschland allerdings nur wenige sind. Erreicht werden über diese Maßnahmen vor allem Großbetriebe, nicht jedoch die Kleinst-, Klein- und Mittelbetriebe, die den Großteil der Unternehmen in Deutschland darstellen.
Investitionen in Präventionsforschung
Für den Bereich der Präventionsforschung wurde seitens des Bundesministeriums für Bildung und Forschung 2003 der Förderschwerpunkt „Präventionsforschung“ mit dem Ziel ins Leben gerufen, die primäre Prävention und Gesundheitsförderung durch gezielte Forschung zu verbessern. In enger Zusammenarbeit zwischen Präventionsanbietern und Wissenschaftlern bzw. Wissenschaftlerinnen sollten wirksame und praxisnahe Präventionsangebote geschaffen werden. Bis 2012 wurden in vier Ausschreibungen insgesamt 60 Forschungsvorhaben mit insgesamt 20 Millionen Euro gefördert (Prävention und Krankheitsprävention). 2016 wurde vom Bundesforschungsministerium das Förderkonzept "Gesund − ein Leben lang" gestartet, das bis ins Jahr 2021 rund 100 Millionen Euro in Forschungsvorhaben zur Gesundheitsforschung für alle Lebensalter und für geschlechtsspezifische Forschungsfragen zur Verfügung stellte. Eine Zusammenschau der Ergebnisse der geförderten Einzelvorhaben ist allerdings ähnlich wie bei den erstens Präventionsforschungsausschreibungen nicht erfolgt.
Gemeinschaftliche Finanzierungsstrategien
Die Vielfalt verschiedener Finanzierungsträger (Gesundheitsförderung 3: Entwicklung nach Ottawa) hat die Diskussion um gemeinschaftliche Finanzierungsmodelle in den letzten Jahren intensiver werden lassen. Schon in der Jakarta-Erklärung der WHO (1997) wird der erhöhte Stellenwert neuer sektor- und trägerübergreifender Finanzierungswege der Gesundheitsförderung auf lokaler, nationaler und weltweiter Ebene besonders herausgestellt. Nur über neue Ansätze zur Bündelung der Aktivitäten von Regierungen, nichtstaatlichen Organisationen, Bildungseinrichtungen und des privaten Sektors könne eine breitere Basis für die Finanzierung der Gesundheitsförderung sichergestellt werden. In anderen europäischen Ländern existieren Vorbilder für eine Gemeinschaftsfinanzierung bzw. eine nationale Stiftung Prävention (Gesundheitsförderung 7: Schweiz; Gesundheitsförderung 6: Österreich).
Die Nationale Präventionskonferenz (NPK), die im Rahmen des Präventionsgesetzes 2015 in Deutschland installiert wurde, erfüllt diesen Anspruch nur teilweise, hat aber mit den 2016 verabschiedeten Bundesrahmenempfehlungen die Koordination der präventiven Leistungsausgaben der gesetzlichen Kranken-, Unfall-, Renten- und Pflegeversicherungen verbessert. Die NPK hat zudem zwei Präventionsberichte herausgeben (2019 und 2023), die eine Gesamtschau der Prävention durch die beteiligten Sozialversicherungsträger (Kranken-, Renten-, Unfall- und Pflegeversicherung) darstellen soll. Bislang werden jedoch keine Outcomes betrachtet, sondern eher additiv Prozesse, Projekte und Strukturen zusammengefasst. Erst der dritte Präventionsbericht, der im Jahr 2027 veröffentlicht werden soll, wird sich mit Wirkungen befassen.
In Deutschland fehlen für internationale Vorbilder vergleichbare gemeinschaftliche Finanzierungsstrategien bislang die gesetzlichen Grundlagen und nennenswerte praktische Realisierungen. Die Heterogenität der Träger bringt eine Vielfalt von Interessen verschiedener Institutionen mit sich. Gemeinschaftsfinanzierungsmodelle (sogenannte Pool-Lösungen) werden in der Regel abgelehnt, weil ein Verlust von Einflussmöglichkeiten befürchtet wird.
Um Gesundheitsförderung auf eine breitere finanzielle Basis zu stellen, wird von einigen Fachleuten der zweckgebundene Einsatz von Steuergeldern auf gesundheitsgefährdende Produkte (z. B. Tabak, Zucker oder Alkohol) zur Finanzierung von Präventionsmaßnahmen gefordert. Diese Form der Finanzierung wird teilweise in Kanada und Australien praktiziert, widerspricht aber nach Meinung der zuständigen Bundesministerien der Systematik des deutschen Haushaltsrechts.
Fundraising als Finanzierungsstrategie
Zunehmende Bedeutung insbesondere für nicht staatliche Einrichtungen hat seit Beginn der 1990er-Jahre das professionelle Fundraising erlangt. Der angelsächsische Begriff des Fundraisings kann frei als Mittel- oder Geldbeschaffung übersetzt werden. Als Sammelbegriff für jegliche Aktivitäten der Geld- bzw. Mittelgewinnung für bestimmte Zwecke im gemeinnützigen Non Profit-Sektor hat er sich auch in Deutschland durchgesetzt. Er beinhaltet die Erstellung einer Marketingstrategie zur Einwerbung von öffentlichen Fördermitteln und anderen Geldern. Förderer können Privatpersonen, Unternehmen oder Stiftungen sein. Dafür müssen allerdings Anknüpfungspunkte auf personeller, zeitlicher, geografischer oder inhaltlicher Ebene vorhanden sein. Deshalb ist eine gezielte einrichtungsbezogene Potenzialanalyse für eine erfolgreiche Fundraisingstrategie notwendig.
Das Handlungsfeld Fundraising hat sich in Deutschland professionalisiert, auch wenn es nicht den Stellenwert von Fundraisingfinanzierungen in angelsächsischen Ländern erreicht, die dort strukturbildend fungieren. Es werden Qualifizierungen angeboten, eigene Arbeitsbereiche mit eigenem Fachpersonal in größeren nicht staatlichen Einrichtungen aufgebaut oder Aufträge an spezialisierte Agenturen vergeben.
Aktuelle Trends in dem Sektor sind Crowdfunding, das gezielte Einwerben von Erbschaftsgeldern, Charity Shopping sowie digitales Fundraising, bestehend aus spenderoptimierten Websites, Suchmaschinenmarketing und gezielten Social Media Aktivitäten, um Aufmerksamkeit und Spendenbereitschaft zu generieren. Mittlerweile existieren auch Spendenportale, über die Informationen und Mittelbedarfe unterschiedlicher Einrichtungen kommuniziert werden (z. B. www.spendenportal.de oder www.betterplace.org).
Eine besondere Aktivität im Rahmen von Fundraising ist das Social Sponsoring. Dabei handelt es sich um eine vertraglich abgesicherte Partnerschaft zwischen Firmen und nicht staatlichen gemeinnützigen Einrichtungen – ein öffentlichkeitswirksames Geschäft, das auf Leistung und Gegenleistung beruht. Unternehmen binden die Unterstützung solcher Einrichtungen im Rahmen von Sozial Sponsoring aktiv in ihre Unternehmenskommunikation ein. Das heißt für nicht staatliche Einrichtungen, dass sie dafür geeignete Kapazitäten und Aktivitäten berücksichtigen müssen. Im Sport- und Umweltbereich haben diese Formen der Partnerschaft eine längere Tradition. Im Sozial- und Gesundheitsbereich wurden erst seit Anfang der 2000er-Jahre vereinzelt solche Partnerschaften eingegangen, z. B. der Deutsche Kinderschutzbund für Präventionsprojekte mit der Drogeriemarktkette dm.
Darüber hinaus sind in Deutschland unterschiedliche Gütesiegel für gemeinnützige Organisationen entwickelt worden, die anhand definierter Prüfkriterien die transparente und zweckgerichtete Verwendung von Spendengeldern bescheinigen. Durch die Zertifizierung soll für potenzielle Geldgeber mehr Vertrauen in die ordnungsgemäße Verwendung der Spenden ermöglicht werden.
Das bekannteste Spendensiegel in Deutschland ist das DZI-Spendensiegel des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen. Die Plattform www.phineo.org, die 2010 nach einem englischen Vorbild in Deutschland geschaffen wurde, richtet sich an soziale Investoren, die ihre Spendenentscheidung auf Basis von Informationen über die Wirkung gemeinnütziger Arbeit treffen wollen. Durch Themenreports für soziale Investoren und eine Liste zertifizierter Einrichtungen soll über ausgewählte Gebiete gemeinnütziger Arbeit informiert werden. Gesellschaftliche Herausforderungen werden darin analysiert, Förderlücken aufgedeckt und Erfolg versprechende Handlungsansätze vorgestellt.
Literatur:
Altgeld, T., Kickbusch, I. (2023). Gesundheitsförderung, In: F. W. Schwartz, U. Walter, J. Siegrist, P. Kolip, R. Leidl, R. Busse, V. Amelung & M. L. Dierks (Hrsg.). Public Health – Gesundheit und Gesundheitswesen (S. 323–335). München: Elsevier Urban & Fischer.
GKV-Kennzahlen (2024). Zugriff am 08.07.2024 unter https://www.gkv-spitzenverband.de/gkv_spitzenverband/presse/zahlen_und_grafiken/gkv_kennzahlen/gkv_kennzahlen.jsp
Haibach, M. (2019). Handbuch Fundraising. Spenden, Sponsoring, Stiftungen in der Praxis. 5. Aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main und New York: Campus.
Loss, J., Böhme, M. & Nagel, E. (2009). Finanzierung von Gesundheitsförderung auf kommunaler Ebene. Prävention und Gesundheitsförderung, Band 4, Heft 3, S. 195−204.
MDK − Medizinischer Dienst Bund (Hrsg.) (2022). Präventionsbericht 2022. Zugriff am 08.07.2024 unter www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/krankenversicherung_1/praevention__selbsthilfe__beratung/praevention/praeventionsbericht/2022_GKV_MDS_Praeventionsbericht_barrierefrei.pdf.
NPK − Die Nationale Präventionskonferenz (2019). Erster Präventionsbericht nach § 20d Abs. 4 SGBV. Zugriff am 08.07.2024 unter www.npk-info.de/fileadmin/user_upload/ueber_die_npk/downloads/2_praeventionsbericht/NPK-Praeventionsbericht_Barrierefrei.pdf.
NPK − Die Nationale Präventionskonferenz (2023). Zweiter Präventionsbericht nach § 20d Abs. 4 SGBV. Zugriff am 08.07.2024 unter www.npk-info.de/fileadmin/user_upload/ueber_die_npk/downloads/2_praeventionsbericht/zweiter_npk_praeventionsbericht_barrierefrei.pdf. Zugriff 07/2024.
Phineo (Hrsg.) (2016). Kursbuch Stiftungen − Förderprojekte wirkungsorientiert gestalten. Berlin. Zugriff am 08.07.2024 unter www.phineo.org/beratung/kursbuch-stiftungen.
Seibold, C., Loss, J., Eichhorn, C. & Nagel, E. (2009). Partnerschaften und Strukturen der gemeindenahen Gesundheitsförderung. Erlangen: Bayrisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit.
Weiterführende Literatur und Internetadressen
Bucksch, J., Schlicht, W. (2023). Kommunale Gesundheitsförderung, Berlin und Heidelberg: Springer.
Bundesverband Deutscher Stiftungen: www.stiftungen.org
bpb – Bundeszentrale für politische Bildung/8 Tipps für ein erfolgreiches Online-Fundraising: www.bpb.de/die-bpb/foerderung/akquisos/520628/8-tipps-fuer-ein-erfolgreiches-online-fundraising
https://www.rv-fit.de/DE/home/home_node.html
Deutscher Spendenrat e. V.: www.spendenrat.de
GKV-Bündnis für Gesundheit: www.gkv-buendnis.de
impulse 106/ Blühende Landschaft oder Irrgarten? 5 Jahre Präventionsgesetz: www.gesundheit-nds-hb.de/fileadmin/Publikationen/Impulse/impulse-nr106-web.pdf
Phineo − Plattform für Soziale Investoren: www.phineo.org
Simon, M. (2021). Das Gesundheitssystem in Deutschand, 7., überarbeitete und erweiterte Auflage, Göttingen: Hogrefe.
Sozialgesetzbuch (SGB) I bis XIV: www.sozialgesetzbuch-sgb.de
Verweise:
Determinanten der Gesundheit, Gesundheitsfördernde Gesamtpolitik / Healthy Public Policy, Gesundheitsförderung 1: Grundlagen, Gesundheitsförderung 3: Entwicklung nach Ottawa, Gesundheitsförderung 6: Österreich, Gesundheitsförderung 7: Schweiz, Prävention und Krankheitsprävention, Präventionsgesetz, Social Media / Gesundheitsförderung mit digitalen Medien