Klimawandel und Gesundheitsförderung
Alina Herrmann , Michael Eichinger
Zitierhinweis: Herrmann, A. & Eichinger, M. (2022). Klimawandel und Gesundheitsförderung. In: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (Hrsg.). Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention. Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden.
Zusammenfassung
Gesundheitsförderung soll Menschen dazu befähigen, mehr Kontrolle über ihre Gesundheit zu erlangen und diese durch Beeinflussung von Gesundheitsdeterminanten zu verbessern. Als wichtige Gesundheitsdeterminante verändert der fortschreitende Klimawandel bereits heute zunehmend die Rahmenbedingungen für Gesundheitsförderung. Andererseits gibt es beträchtliche Synergien zwischen Klimaschutz und Gesundheitsförderung. Der vorliegende Leitbegriff beschreibt diese Synergien exemplarisch für die Bereiche Mobilität, Ernährung und psychische Gesundheit. Außerdem fasst er beispielhaft zusammen, wie Klimaschutz und Gesundheitsförderung in der Praxis integriert umgesetzt werden können.
Schlagworte
Gesundheitsförderung, Klimawandel, Klimaschutz, Gesundheitliche Co-Benefits, Synergien, Gesundheitsdeterminanten
Definitionen
Gesundheitsförderung: Gesundheitsförderung ist nach der Jakarta-Erklärung ein Prozess, der Menschen befähigen soll, mehr Kontrolle über ihre Gesundheit zu erlangen und sie durch die Beeinflussung von Gesundheitsdeterminanten zu verbessern (World Health Organization 1997; Gesundheitsförderung 1: Grundlagen).
Klimawandel: Die UN-Rahmenkonvention zum Klimawandel (UNFCCC, United Nations Framework Convention on Climate Change) definiert den Klimawandel als eine langanhaltende Veränderung des Klimas, die u. a. durch sich ändernde Temperatur- und Niederschlagsmuster charakterisiert ist. Der gegenwärtige Klimawandel ist überwiegend menschengemacht, da der Ausstoß von Treibhausgasen v. a. von Menschen verursacht wird (IPCC 2018).
Einfluss des Klimawandels auf Gesundheitsdeterminanten
Gesundheitsdeterminanten haben für die Gesundheitsförderung einen hohen Stellenwert, da sie wichtige Ansatzpunkte für gesundheitsfördernde Maßnahmen darstellen. Das klassische Konzept der Gesundheitsdeterminanten nach Dahlgreen und Whitehead (Dahlgreen & Whitehead 1991; Determinanten von Gesundheit) beschreibt wichtige Einflussgrößen auf die menschliche Gesundheit und umfasst neben Alter, Geschlecht und Erbanlagen vier veränderbare Ebenen (Abbildung 1):
- Allgemeine Bedingungen der sozioökonomischen, kulturellen und physischen Umwelt
- Lebens- und Arbeitsbedingungen
- Soziale und kommunale Netzwerke
- Individuelle Lebensweisen.
Dabei beeinflussen Gesundheitsdeterminanten auf den äußeren Ebenen (z. B. kulturelle Faktoren) weiter innen liegende Ebenen (z. B. individuelle Lebensweisen).
Der Klimawandel geht bereits heute mit weitreichenden Änderungen der physischen Umwelt einher und ist damit selbst zu einer entscheidenden Gesundheitsdeterminante geworden, deren Bedeutung in Zukunft weiter zunehmen wird (äußerste Schale in Abbildung 1).
Der direkte Einfluss des Klimawandels als Gesundheitsdeterminante zeigte sich auf dramatische Weise im Sommer 2021, als es durch Starkregenereignisse allein in Deutschland zu etwa 180 Todesfällen kam (Zeit Online 2021). Extremwetterereignisse wie Hitzewellen oder Überflutungen, die durch den fortschreitenden Klimawandel häufiger auftreten werden, sind neben dem Risiko für Leib und Leben mit negativen Auswirkungen auf die psychische Gesundheit vergesellschaftet (Fontalba-Navas et al. 2017; Haines & Ebi 2019). Hiervon sind insbesondere vulnerable Bevölkerungsgruppen wie ältere Menschen betroffen (Robine et al. 2008; Zacharias, Koppe & Mücke 2015; IPCC 2022). Darüber hinaus kommt es durch den Klimawandel u. a. zu einer Änderung der Ausbreitungsmuster von Infektionserkrankungen (Semenza, Suk, Estevez, Ebi & Lindgren 2012).
Der Klimawandel wirkt sich außerdem zunehmend negativ auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen aus (zweite Schale in Abbildung 1). Dürren und Extremwetterereignisse reduzieren die weltweite Lebensmittelproduktion und verstärken die Nahrungsmittelunsicherheit (Smith & Myers 2018; IPCC 2022). Dies erschwert beispielsweise den Kampf gegen Unter- und Mangelernährung insbesondere in Ländern des globalen Südens (Ebi 2008). Die Funktionsfähigkeit von Gesundheitssystemen und der Wasserversorgung wird durch Extremwetterereignisse beeinträchtigt (Haines & Ebi 2019; IPCC 2022). Gleichzeitig kommt es durch den Klimawandel vielfach zu einer starken Hitzebelastung am Arbeitsplatz, die mit einer reduzierten Arbeitsproduktivität einhergeht (Kjellstrom, Kovats, Lloyd, Holt & Tol 2009).
Die Auswirkungen des Klimawandels können zudem Migrationsbewegungen auslösen sowie Armut und Konflikte verschärfen (Myers 2002; Hallegatte et al. 2016; Koubi 2019). Indirekt beeinflussen diese Faktoren auch die Integrität und das Funktionieren sozialer und kommunaler Netzwerke (dritte Schale in Abbildung 1). In ihrer Gesamtheit wirken sich die zuvor genannten Faktoren (Schalen 1−3 in Abbildung 1) auf vielfältige Weise negativ auf individuelle Lebensweisen aus (Schale 4), die wichtige Ansatzpunkte für die Gesundheitsförderung darstellen.
Gesundheitsförderung und Klimaanpassung
Der Klimawandel verändert durch seine Auswirkungen auf andere Gesundheitsdeterminanten die Rahmenbedingungen für Gesundheitsförderung. Maßnahmen zur Gesundheitsförderung sollten daher an den Klimawandel angepasst werden. Beispielswiese sollten Anstrengungen zur Etablierung eines gesundheitsfördernden Ernährungssystems stets mit Strategien zur Steigerung der Klimaresilienz in der Landwirtschaft kombiniert werden. Im Bereich der gesundheitsförderlichen Stadtplanung sollte bei der Gestaltung von Grünräumen darauf geachtet werden, dass Parks und Spielplätze über ausreichend schattige Bereiche verfügen, um auch in heißer werdenden Sommern Bewegung zu ermöglichen. Hitzeaktionspläne sind ein konkretes Beispiel dafür, wie eng der Gesundheitsschutz mit der Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels verknüpft ist. Hitzeaktionspläne bündeln und koordinieren Maßnahmen, die zur Reduktion der Morbidität und Mortalität durch Hitze beitragen sollen. Dies erfolgt u. a., indem Individuen besser informiert und Gesundheits- und Sozialsysteme umfassend vorbereitet sind, sowie indem die städtische Infrastruktur entsprechend angepasst wird.
Neben der engen Verknüpfung von Gesundheitsförderung und Klimaanpassung, gibt es beträchtliche Synergien zwischen der Beeinflussung des Klimawandels als Gesundheitsdeterminante im Rahmen von Klimaschutzmaßnahmen und der Gesundheitsförderung. Denn einerseits ist Klimaschutz durch die Minderung negativer Gesundheitsauswirkungen des Klimawandels auch Gesundheitsschutz. Andererseits gibt es direkte Synergien zwischen Gesundheitsförderung und Klimaschutz.
Synergien zwischen Gesundheitsförderung und Klimaschutz
Klimaschutzmaßnahmen können wesentlich zur Gesundheitsförderung beitragen. Gesundheitsförderliche Effekte von Klimaschutzmaßnahmen werden dabei häufig als health co-benefits bezeichnet (IPCC 2018). Um die enge wechselseitige Verknüpfung zwischen Gesundheitsförderung und Klimaschutz zu betonen, werden auch die Begriffe Win-Win-Lösungen oder Synergien verwendet.
Eine viel beachtete Modellierungsstudie illustriert diese Zusammenhänge exemplarisch (Koubi 2019). Sie errechnete, dass im Jahr 2040 in neun bevölkerungsreichen Ländern, darunter Deutschland, insgesamt etwa acht Millionen vorzeitige Todesfälle vermieden werden könnten, wenn durch eine mit dem Pariser Klimaschutzabkommen kompatible Politikgestaltung Luftverschmutzung reduziert, eine gesündere und nachhaltigere Ernährung ermöglicht sowie aktive Mobilität gefördert würden. Für Deutschland besonders eindrücklich ist die modellierte Vermeidung von 140.000 vorzeitigen Todesfällen, die einer gesunden und nachhaltigen Ernährung zugeschrieben werden konnten (Hamilton et al. 2021). Wir stellen im vorliegenden Leitbegriff exemplarisch Win-Win-Lösungen für Gesundheit und Klimaschutz in den Bereichen Mobilität, Ernährung und psychische Gesundheit dar.
Gesundheitsförderung im Mobilitätssektor
Der Mobilitätssektor trägt etwa 15 % zu den weltweiten Treibhausgasemissionen bei, wobei 10 % allein auf den Straßenverkehr entfallen (Lamb et al. 2021). Auch wenn Luftverschmutzung global gesehen in Asien mit Abstand die meisten Todesopfer fordert (Lelieveld, Evans, Fnais, Giannadaki & Pozzer 2015), kam es auch in Deutschland im Jahr 2018 noch zu 75.000 vorzeitigen Todesfällen durch Luftverschmutzung (European Environment Agency 2020), die teils durch den Verkehrssektor verursacht wurden. Zugleich werden in Deutschland 24 % der Strecken von ein bis zwei Kilometern und 37 % der Strecken zwischen drei und fünf Kilometern mit dem Auto zurückgelegt (Heinrichs & Jarass 2020). Das Zurücklegen dieser Strecken durch aktive Mobilität, d. h. durch Radfahren und Zufußgehen, wäre mit einer Reduktion der Treibhausgasemissionen und positiven gesundheitlichen Auswirkungen vergesellschaftet (Jarrett et al. 2012; Maizlish et al. 2013).
Für San Francisco wurde ermittelt, dass die Steigerung der aktiven Mobilität von vier auf 22 Minuten pro Einwohner und Tag die Morbidität durch Diabetes und kardiovaskuläre Erkrankung um 14 % verringern würde. Gleichzeitig könnte durch die damit einhergehende Minderung des Individualverkehrs eine Reduktion der Treibhausgasemissionen in gleicher Größenordnung erreicht werden (Maizlish et al. 2013). Auch die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln geht im Vergleich zur Nutzung des Autos mit positiven gesundheitlichen Effekten einher, da Teilstrecken wie Fußwege zu Haltestellen aktiv zurückgelegt werden (Rissel, Curac, Greenaway & Bauman 2012).
Gesundheitsförderung im Ernährungs- und Agrarsektor
Der Ernährungs- bzw. Agrarsektor ist je nach Berechnungsweise für etwa 20 bis 30 % der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich (Food and Agriculture Organization 2006; Lamb et al. 2021). Vermeidbare Faktoren, die zum hohen Treibhausgasausstoß unseres Ernährungssystems beitragen, sind die Viehhaltung, die starke Verarbeitung von Lebensmitteln, große Verpackungsmengen und weite Transportwege (Tilman & Clark 2014). Gleichzeitig sind der hohe Anteil an Fett, Salz und Zucker sowie die insgesamt zu große Menge an Kalorien bei modernen Ernährungsweisen mit erhöhten Risiken für eine Vielzahl von Erkrankungen vergesellschaftet (z. B. Diabetes) (Popkin 2011).
Die EAT Lancet-Kommission hat untersucht, wie im Jahr 2050 zehn Milliarden Menschen unter Berücksichtigung der planetaren Belastungsgrenzen gesundheitsförderlich ernährt werden könnten (Coleman, Murphy, Nyman & Oyebode 2021). Die Autorinnen und Autoren sprechen in der Arbeit Empfehlungen für eine sogenannte Planetary Health Diet aus, die sich durch geringe Mengen an Fleisch, moderate Mengen an Milchprodukten und großzügige Mengen an Nüssen, Knollen, Hülsenfrüchten, Obst, Getreide und Gemüse auszeichnet (EAT Lancet Commission 2019).
Gesundheitsförderung im Bereich psychischer Gesundheit
Im Bereich der psychischen Gesundheit sind die Synergien zwischen Gesundheitsförderung und Klimaschutz nicht so direkt und eindeutig wie im Mobilitäts- und Ernährungssektor. Studien zeigen, dass der Aufenthalt in natürlicher Umgebung Stress und Anspannung reduzieren sowie Herzfrequenz und Blutdruck senken kann (Whitmee et al. 2015; Bratman et al. 2019). Zudem gibt es Hinweise darauf, dass Naturverbundenheit und Achtsamkeit mit umweltfreundlichem Verhalten assoziiert sind (Barbaro & Pickett 2016). Auch wenn weitere Studien nötig sind, legen diese Befunde nahe, dass Achtsamkeitstrainings und naturbasierte Stressreduktionsverfahren wie „Waldbaden“ sowohl für die psychische Gesundheit als auch für umweltfreundliches Verhalten zuträglich sein könnten (ebd.; Geiger, Otto & Schrader 2018). Bezüglich struktureller Maßnahmen wird hieraus die Bedeutung von intakten (urbanen) Grünräumen deutlich.
Darüber hinaus legen erste Befunde einen Zusammenhang zwischen gesellschaftlichem Engagement und Gesundheit nahe. In einer Meta-Analyse war gesellschaftliches Engagement mit einem reduzierten Risiko für Depressionen und gesteigerter Lebenszufriedenheit sowie Wohlbefinden assoziiert (Jenkinson et al. 2013). Engagement in der Klimabewegung wird zudem als Coping-Strategie gesehen, um angesichts der zunehmend negativen Auswirkungen der Klimakrise Klima-Angst zu begegnen und Selbstwirksamkeit zu stärken (Clayton 2020). Insgesamt ist die Evidenz zu diesen Zusammenhängen jedoch noch gering.
Zusammenspiel von Individuen, Politik und Gesellschaft
Um die skizzierten Synergien zwischen Gesundheitsförderung und Klimaschutz realisieren zu können, ist ein Zusammenspiel zwischen Individuen, Politik und Gesellschaft notwendig.
Abbildung 2 skizziert schematisch, wie Individuen, Politik und Gesellschaft gesundheitsförderliche und klimafreundliche Lebensweisen stärken können. Einerseits können Individuen durch eigene Entscheidungen ihr individuelles Verhalten ändern, sodass sie zum Klimaschutz beitragen und gleichzeitig ihre Gesundheit stärken. Andererseits müssen Politik und Gesellschaft Rahmenbedingungen schaffen, innerhalb derer gesunde und klimafreundliche Lebensweisen möglich werden. Dies betrifft auch die Beeinflussung von Gesundheitsdeterminanten („Make the healthy choice the easy choice“, Ashe, Graff & Spector 2011).
Gleichzeitig gibt es Interdependenzen zwischen Individuen sowie Politik und Gesellschaft. Akteurinnen und Akteure aus Politik und Gesellschaft können durch Bildung und Informationskampagnen Verhaltensänderungen auf individueller Ebene erleichtern. Beispielweise können Ärztinnen und Ärzte sowie Vertreterinnen und Vertreter anderer Gesundheitsberufe durch klimasensible Gesundheitsberatung Individuen bei der Umsetzung klimafreundlicher und gesundheitsfördernder Lebensweisen unterstützen (Herrmann & Krolewski 2021). Andererseits können Individuen durch Wahlentscheidungen und gesellschaftliches Engagement zu Rahmenbedingungen beitragen, durch die Klimaschutz und Gesundheit gleichermaßen verbessert werden.
Im Diskurs zum Klimawandel und der daraus abgeleiteten notwendigen Transformationen rückt zunehmend auch die Rolle von Change agents ins Blickfeld (deutsch in etwa: Gestalterinnen und Gestalter oder Pionierinnen und Pioniere des Wandels; Firmhofer 2018). Während bisher keine allgemein gültige Definition von Change agents entwickelt wurde, kann man sie in einer ersten Annäherung als Individuen charakterisieren, die weitreichende Veränderungsprozesse anstoßen, umsetzen und koordinieren (Lunenburg 2010). Change agents können nicht nur in gesellschaftlichen Führungspositionen wirksam werden. Sie wirken häufig auch lokal in ihren jeweiligen Lebenswelten (z. B. Schule, Betrieb, Eltern-, Sportverein). Konkretes Beispiel sind sogenannte Rad-Entscheide, die in den letzten Jahren in zahlreichen deutschen Kommunen durch lokal tätige Change agents auf den Weg gebracht wurden und zur Schaffung einer besseren Rad-Infrastruktur beitragen können (https://changing-cities.org/radentscheide).
Umsetzungsaspekte
Eine integrierte Betrachtung von Gesundheitsförderung und Klimaschutz wird in der aktuellen Literatur vor allem in Modellierungsstudien geleistet (Jarrett et al. 2012; Maizlish et al. 2013; Hamilton et al. 2021) und bisher eher selten im Rahmen von Interventionsstudien (Prescott et al. 2019). Aus diesem Grund beschreiben wir im Folgenden auf Basis von Experteneinschätzungen, Literatur und Erfahrungen aus laufenden Forschungsprojekten einige Ansatzpunkte, wie Klimaschutz und Gesundheitsförderung integriert umgesetzt werden können.
Politische Klimaschutzmaßnahmen: Grundsätzlich sollten Klimaschutz und Gesundheit gemeinsam gedacht werden. Dies bedeutet, dass insbesondere Klimaschutzmaßnahmen priorisiert werden sollten, die auch gesundheitsförderlich wirken (z. B. Förderung des Radverkehrs). Um die Kosten von Klimaschutzmaßnahmen realistisch abzuschätzen, sollten Gesundheitskosten mitberücksichtigt werden, die durch die Umsetzung der Klimaschutzmaßnahmen gespart werden können (Jarrett et al. 2012). Orientierung kann in diesem Zusammenhang der Health-in-All-Policies-Ansatz bieten (Puska 2007).
Setting-Ansätze in der Gesundheitsförderung: Klassische Gesundheitsförderungsprogramme, die auf dem Setting-Ansatz aufbauen, scheinen besonders geeignet, Synergien zwischen Klimaschutz und Gesundheitsförderung zu adressieren. In Setting-Ansätzen wird versucht, sowohl die Individuen als auch die Strukturen in einer konkreten Lebenswelt („Setting“) zu beeinflussen (Whitelaw et al. 2001). Beispielsweise könnten Kindertagesstätten und Schulen als Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen zur Umsetzung gesunder und nachhaltiger Ernährung im Sinne einer Planetary Health Diet beitragen (EAT Lancet Commission 2019). In einem Setting-basierten Ansatz sollten die Interventionen idealerweise nicht nur in einer Änderung der Speisepläne bestehen, sondern die Individuen partizipativ in die Interventionsentwicklung und Durchführung miteinbeziehen (Prescott et al. 2019).
Schulungen im Gesundheitssektor: Auch Schulungen zur Verhaltensänderung sind eine wichtige Säule der Gesundheitsförderung (Gesundheitsförderung 1: Grundlagen). Grundsätzlich können in alle Schulungsprogramme, die sich mit gesunden Lebensstilen wie körperlicher Aktivität, gesunder Ernährung oder der Förderung psychischer Gesundheit beschäftigen, Aspekte zum Klimaschutz einbezogen werden. Beispiele hierfür sind u. a. Diabetes- oder Lebensstil-Schulungen in Rehabilitationseinrichtungen. Darüber hinaus können Beratungskomponenten zu Aspekten des Klimaschutzes auch in anderen Angeboten des Gesundheitswesens wie Disease-Management-Programmen, Gesundheitskursen der Krankenkassen sowie Apps zum Krankheitsmanagement verankert werden.
Klimasensible Gesundheitsberatung: Im Rahmen der sogenannten klimasensiblen Gesundheitsberatung (auch bekannt als „Klimasprechstunde“) können Themen zu Klimawandel und Gesundheit flexibel in Gespräche zwischen Gesundheitsfachkräften und Patientinnen und Patienten integriert werden (Herrmann & Krolewski 2021; Krolewski 2022). Dies ist sinnvoll, da Gesundheitsfachkräfte bei ihren Patientinnen und Patienten oft hohes Vertrauen genießen, wodurch eine effektive Beratung unterstützt werden kann (Butler & Harley 2010; Capon, Talley & Horton 2018). Um angehende und bereits klinisch tätige Gesundheitsfachkräfte bei der Durchführung klimasensibler Gesundheitsberatung zu unterstützen, sollten qualitätsgesicherte Bildungsangebote entwickelt und flächendeckend in die Aus-, Weiter- und Fortbildung integriert werden.
Möglichkeiten und Grenzen
Modellierungsstudien legen beträchtliche Synergien zwischen Gesundheitsförderung und Klimaschutz nahe (Hamilton et al. 2021). Darüber hinaus scheint die Akzeptanz für Klimaschutzmaßnahmen zu steigen, wenn diese gleichzeitig als Maßnahmen der Gesundheitsförderung kommuniziert werden (Amelung et al. 2019). Einschränkend ist festzustellen, dass qualitativ hochwertige Interventionsstudien, die Umwelt- und Gesundheitsendpunkte gemeinsam betrachten, derzeit kaum verfügbar sind. Forschung zu Entwicklung, Implementierung und Evaluation integrierter Maßnahmen sind daher dringend notwendig.
Komplexe Interventionen und moderne Studiendesigns, die die Durchführung von Interventionsstudien in der Routineversorgung erleichtern oder in vielen Fällen erst ermöglichen (z. B. quasiexperimentelle Methoden), könnten wichtige methodische Ausgangspunkte hierfür darstellen (Craig et al. 2012; Skivington et al. 2021). Darüber hinaus könnte Forschung mit einem erweiterten Selbstverständnis im Sinne transformativer Forschung zu einer integrierten Umsetzung von Klimaschutz- und Gesundheitsförderungsmaßnahmen beitragen. Transformative Forschung beobachtet und analysiert in diesem Kontext nicht nur Sachverhalte, sondern trägt aktiv zur Initiierung und Durchführung von Transformationsprozessen bei (Schneidewind, Singer-Brodowski, Augenstein & Stelzer 2016).
Empfehlungen
Angesichts der beträchtlichen Synergien zwischen Klimaschutz und Gesundheitsförderung ist es wichtig, dass Akteurinnen und Akteure im Bereich der Klimapolitik Gesundheitsförderung im Sinne des Health-in-All-Policies-Ansatzes in ihrem Arbeitsfeld mitberücksichtigen. Gleichzeitig sollten auch Akteurinnen und Akteure der Gesundheitsförderung im Sinne eines Environment-in-all-Policies-Ansatzes (Browne & Rutherfurd 2017) den Klimawandel auf allen Ebenen der Planung, Durchführung und Evaluation von Maßnahmen zur Gesundheitsförderung adressieren. Entsprechende Ansätze sollten im Rahmen von transformativer Forschung und mit innovativen Methoden untersucht werden.
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Verweise:
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