Organisationale Gesundheitskompetenz

Orkan Okan , Sophie Rauschmayr , Cara Krudewig

(letzte Aktualisierung am 27.02.2024)

Zitierhinweis: Okan, O., Rauschmayr, S., Krudewig, C. (2024). Organisationale Gesundheitskompetenz. In: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (Hrsg.). Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention. Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden.

https://doi.org/10.17623/BZGA:Q4-i163-1.0

Zusammenfassung

Die organisationale Gesundheitskompetenz bezieht sich in erster Linie auf Einrichtungen und ist als Settingansatz zu verstehen. Er zielt darauf ab, Menschen im Setting in die Lage zu versetzen, Informationen und Dienstleistungen zu finden, zu verstehen, zu bewerten und zu nutzen, um gesundheitsbezogene Entscheidungen für sich und andere zu treffen. Nach diesem Prinzip handelnde Einrichtungen werden als gesundheitskompetente Organisationen bezeichnet. Sie bieten nutzerzentrierte Maßnahmen und Informationen an und engagieren sich in der Stärkung der personalen Gesundheitskompetenz aller Personen im Setting. Konzeptionelle Bezüge liegen zur Organisationsentwicklung, zum Qualitäts- und Change-Management und der Patientenzentrierung vor. Die organisationale Gesundheitskompetenz hat sich zu einem umfassenden Ansatz entwickelt und schließt zahlreiche Zielgruppen ein. Zudem ist das Konzept auf weitere Einrichtungen und Settings übertragen worden, zu denen die Schule, die soziale Arbeit und die Gemeinde zählen.

Schlagworte

Gesundheitskompetenz, Organisationale Gesundheitskompetenz, Setting, Gesundheitsförderung, Determinanten von Gesundheit


Mit der organisationalen Gesundheitskompetenz wird das Rahmenmodell der Gesundheitskompetenz zu einem ganzheitlichen Ansatz erweitert und die personale Gesundheitskompetenz (Gesundheitskompetenz/Health Literacy) des Individuums um eine Strukturebene ergänzt (Brach et al. 2012; Brach und Harris 2021). Analog zur personalen Gesundheitskompetenz kann auch die organisationale Gesundheitskompetenz in der Gesundheitsförderung (Gesundheitsförderung 1: Grundlagen), Prävention und Krankheitsprävention und Krankheitsversorgung umgesetzt werden und findet heute in vielen Einrichtungen Berücksichtigung (Pelikan, Dietscher & Straßmayr 2023).

Somit stellt die organisationale Gesundheitskompetenz einen Setting- und Lebensweltansatz dar (WHO 2013) und lässt sich auf Grund ihres Charakters, Einrichtungen hinsichtlich Gesundheitskompetenz weiterzuentwickeln, mit der gesundheitsförderlichen Organisationsentwicklung (Organisationsentwicklung als Methode der Gesundheitsförderung), der Qualitätsentwicklung (Qualitätssicherung, Qualitätsentwicklung, Qualitätsmanagement) und der Betrieblichen Gesundheitsförderung verknüpfen (Pelikan und Dietscher 2014, 2015). Zudem kann die organisationale Gesundheitskompetenz als Strategie auch als Teil der Umsetzung der Handlungsebene „Gesundheitsdienste neu orientieren“ der Ottawa Charta der Weltgesundheitsorganisation (WHO 1986) betrachtet werden. Darüber hinaus ist die organisationale Gesundheitskompetenz ein Determinanten-basierter Ansatz (Determinanten der Gesundheit) und somit Ausdruck der Verhältnisorientierung in der Gesundheitskompetenz.

Die Notwendigkeit, Strukturen und Rahmenbedingungen für die Gesundheitskompetenz von Menschen zu berücksichtigen, führt darauf zurück, dass Gesundheitskompetenz über das einzelne Individuum hinaus geht und durch eine Reihe sozialer Faktoren beeinflusst wird (Institute of Medicine 2004). Soziale Ungleichheiten in der Gesundheit (Gesundheitsförderung und soziale Benachteiligung/Gesundheitsförderung und gesundheitliche Chancengleichheit) sowie prekäre soziale Lebenslagen (Lebenslagen und Lebensphasen) als Risiken geringer Gesundheitskompetenz können als Katalysatoren für die Entwicklung des Konzepts betrachtet werden. Für die Umsetzung der organisationalen Gesundheitskompetenz spielt zudem die Professionelle Gesundheitskompetenz von Fachkräften eine wichtige Rolle.

Gesundheitskompetenz ist relational: Verhaltens- und Verhältnisprävention

Die organisationale Gesundheitskompetenz entstand durch eine veränderte Sichtweise in der Gesundheitskompetenzforschung. Die Betrachtungsweise von Gesundheitskompetenz verschob sich von der Verhaltens- hin zur Verhältnisprävention. Während zunächst ausschließlich die personale Gesundheitskompetenz des Individuums im Mittelpunkt stand, wurden zu Beginn der 2000er Jahre immer häufiger Fragen zu den situativen Anforderungen im Rahmen der Versorgung und dem Einfluss der Determinanten von Gesundheit gestellt (Baker 2006; Institute of Medicine 2004; Rudd und Anderson 2006). Fortan wurde Gesundheitskompetenz als kontextspezifisch definiert (Institute of Medicine 2004; Nutbeam 2008).

Während die personale Gesundheitskompetenz eng am Verhalten des Individuums ausgerichtet ist, zielt die organisationale Gesundheitskompetenz in erster Linie auf die Verhältnisse, in denen die Menschen leben. (Parker 2009; Parker und Ratzan 2010) Es geht folglich um das Zusammenspiel von individuellen Kompetenzen und Umweltanforderungen in Einrichtungen und sozialen Lebenswelten. Es ist der Ausgangspunkt für den Ansatz der relationalen Gesundheitskompetenz.

Über das relationale Modell der Gesundheitskompetenz nach Parker (2009) und Parker und Ratzan (2010) soll die Lücke zwischen der Kompetenz von Menschen und durch situative Anforderungen und Komplexitäten resultierende Zugangsbarrieren zu Informationen und Angeboten innerhalb von Gesundheitseinrichtungen überbrückt werden. Ob Menschen gesundheitskompetent handeln können, hängt vom Zusammenspiel zwischen Kompetenzen und äußeren Umweltbedingen ab, wie in der nachfolgenden Abbildung dargestellt.

Diese Denkweise trägt einerseits dazu bei, eine mögliche geringe Gesundheitskompetenz von Personen auszugleichen und andererseits gesundheitskompetentes Handeln, gesundheitsförderliche Einstellungen und Verhaltensweisen zu unterstützen (Pelikan, Dietscher & Straßmayr 2023). Während die personale Gesundheitskompetenz auf die Handlungsebene zielt (Agency und Subjekt) (Abel & Sommerhalder 2015), um durch den Umgang mit Gesundheitsinformationen die Entscheidungsfähigkeit zu verbessern und gesündere Verhaltensweisen zu erreichen (Verhaltensänderung bzw. Verhaltensprävention), zielt die organisationale Gesundheitskompetenz darauf ab, Strukturen und Umweltbedingungen des Settings (Structure und Objekt) für die systematische Stärkung der Gesundheitskompetenz zu optimieren und die Determinanten von Gesundheit im Sinne der Menschen zu verändern (Verhältnisprävention) (vgl. Kirchhoff und Okan 2022).

Aus der Logik des relationalen Modells lassen sich zwei Interventionspfade ableiten: (1) Kompetenzen von Menschen fördern und (2) Anforderungen, Komplexitäten und Barrieren innerhalb von Einrichtungen reduzieren (siehe Abbildung 2).

Gesundheitskompetente Organisationen

Organisationen, die das Modell der relationalen Gesundheitskompetenz umsetzen, werden als „gesundheitskompetente Organisation“ beschrieben (Brach et al. 2012). Das Konzept zielt darauf ab, Menschen in die Lage zu versetzen, Informationen und Dienstleistungen leichter zu finden, zu verstehen, zu bewerten und zu nutzen, um gesundheitsbezogene Entscheidungen für sich und andere zu treffen (Pelikan und Dietscher 2015; Schaeffer, Hurrelmann, Bauer & Kolpatzik 2018). Organisationale Gesundheitskompetenz hat folglich zum Ziel, die personale Gesundheitskompetenz zu stärken, gleichzeitig geringe personale Gesundheitskompetenz der Nutzenden zu kompensieren und bestmögliche Ergebnisse für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen im Setting zu erzielen (Pelikan, Dietscher & Straßmayr 2023).

Dies soll über Maßnahmen und Strategien der nutzerzentrierten Organisationsentwicklung erreicht werden und schließt die Professionelle Gesundheitskompetenz der Fachkräfte ein. Daher liegt allen Ansätzen organisationaler Gesundheitskompetenz zudem das Prinzip der Responsivität zu Grunde, das sich im Wesentlichen darauf bezieht, dass in den Einrichtungen nutzerzentrierte Bedarfe (z. B. Einstellungen, Präferenzen, Gesundheitskompetenz-Niveaus) durch angepasste Kommunikation und Maßnahmen umgesetzt werden (Trezona, Dodson & Osborne 2017).

Vor dem Hintergrund der sehr weiten Verbreitung geringer Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung (Rudd 2007), die noch heute in vielen Ländern einschließlich Deutschland prävalent ist (Schaeffer, Hurrelmann, Bauer & Kolpatzik 2018), hat die organisationale Gesundheitskompetenz ihren Ursprung in den USA. Durch die Umsetzung des Konzepts soll Patientinnen und Patienten unabhängig ihrer unterschiedlichen personalen Gesundheitskompetenz eine hochwertige Versorgung in Einrichtungen des Gesundheitswesens zuteilwerden. Durch diese Schwerpunktsetzung liegt zunächst eine natürliche Begrenzung des Konzepts auf Aspekten der Krankheitsversorgung, Rehabilitation, des Selbstmanagements und der Gesundheitsberatung vor (Baker 2006; DeWalt et al. 2010; Institute of Medicine 2004; Rudd und Anderson 2006).

In der Erweiterung des Konzepts in Österreich finden Prävention und Gesundheitsförderung neben der ursprünglichen Versorgungsperspektive eine gleichrangige Berücksichtigung. Dabei wird die Stärkung der personalen Gesundheitskompetenz aller Stakeholder im Setting als Ziel des Ansatzes verankert (Pelikan & Dietscher 2014).

Organisationale Gesundheitskompetenz ist jedoch nicht auf Einrichtungen des Gesundheitswesens beschränkt. Neben Krankenhäusern können auch Schulen, Gemeindeeinrichtungen, Präventionsketten oder eine gesamte Region gesundheitskompetent sein (Pelikan, Dietscher & Straßmayr 2023). In ihrem Bericht „A prescription to end confusion“ aus dem Jahr 2004 spricht das Institute of Medicine (IOM) sogar von der gesundheitskompetenten Gesellschaft (Institute of Medicine 2004). Daran anschließend hat das IOM im Jahr 2012 die erste konkrete Definition für organisationale Gesundheitskompetenz vorgestellt (Brach et al. 2012), welche in den folgenden Jahren weiterentwickelt und im Jahr 2020 neben der personalen Gesundheitskompetenz offiziell in die U.S. Gesundheitsziele Healthy People 2030 aufgenommen wurde.

In der neuen Definition wird organisationale Gesundheitskompetenz wie folgt beschrieben: „Organisationale Gesundheitskompetenz beschreibt das Maß, mit dem Organisationen es Menschen in gerechter Weise ermöglichen, Informationen und Angebote zur Gesundheit zu finden, verstehen und zu nutzen, um gesundheitsbezogene Entscheidungen zu treffen und in ihrem Handeln für sich und andere anzuwenden.“ (U.S. Department of Health and Human Services 2020)

Die organisationale Gesundheitskompetenz hat mittlerweile auch in Deutschland Einzug erhalten, wie der Nationale Aktionsplan Gesundheitskompetenz (Schaeffer, Hurrelmann, Bauer & Kolpatzik 2018) und das Positionspapier organisationale Gesundheitskompetenz des Deutschen Netzwerk Gesundheitskompetenz (DNGK) (Schaefer, Bitzer & Dierks 2019) zeigen.

Organisationale Gesundheitskompetenz in verschiedenen Settings

Heute gibt es zahlreiche Theorien, Modelle und Konzepte für die organisationale Gesundheitskompetenz (Bremer, Klockmann, Jaß, Härter, von dem Knesebeck & Lüdecke 2021; Farmanova, Bonneville & Bouchard 2018; Meggetto, Ward & Isaccs 2018; Palumbo 2016). Konzeptionell und inhaltlich hat die organisationale Gesundheitskompetenz Schnittmengen und Bezugspunkte zu bereits existierenden Ansätzen wie der Organisationsentwicklung, dem Change-Management, der Patientenzentrierung, dem Shared Decision Making, der Responsivität in der Versorgung und allen voran dem Settingansatz (Pelikan, Dietscher & Straßmayr 2023). Nachfolgend soll es um Modelle und Konzepte von organisationaler Gesundheitskompetenz in verschiedenen Settings gehen.

Gesundheitskompetente Versorgungseinrichtungen

Im ersten Modell der organisationalen Gesundheitskompetenz von Brach et al. (2012) wurden zehn Merkmale einer gesundheitskompetenten Versorgungseinrichtung in den USA definiert. Dieses ursprüngliche Modell zielte in erster Linie auf Einrichtungen und Settings des Versorgungssystems (z. B. Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Arztpraxen). Basierend auf Vorarbeiten ab den frühen 2000er-Jahren und unter Hinzunahme von bereits bewährten Versorgungs- und Kommunikationskonzepten (z. B. patientenzentrierte Versorgung), bildeten die zehn Merkmale Strategien ab, mit deren Hilfe sich gesundheitliche Versorgungseinrichtungen zu gesundheitskompetenten Organisationen entwickeln können (siehe Tabelle 1).

Über die Umsetzung der Merkmale sollen Zugangsbarrieren zu Informationen und Angeboten der Einrichtung gesenkt und mit den Patientinnen und Patienten zielgruppenorientiert kommuniziert werden. Das Modell zielt neben den Patientinnen und Patienten daher auch auf Fachkompetenzen aller Stakeholder einer Einrichtung, die im Rahmen der Versorgung mit ihnen interagieren (z. B. Pflegende, Ärztinnen und Ärzte, Leitungspersonen).

Die gesundheitskompetente Organisation…
1… hat eine Führung, die Gesundheitskompetenz zum integralen Bestandteil ihrer Mission bzw. ihres Leitbilds, ihrer Strukturen und Prozesse macht.
2… integriert Gesundheitskompetenz in die strategische Planung, in Evaluationsmaßnahmen, in Patientensicherheit und Qualitätsentwicklung.
3… fördert die Gesundheitskompetenz ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und monitiert Verbesserungen.
4… entwickelt, implementiert und evaluiert ihre Gesundheitsinformationsangebote unter Einbeziehung der Zielgruppen, für die diese Angebote gedacht sind.
5… bietet, ohne zu stigmatisieren, eine Reihe von bedürfnisorientierten Methoden zur Förderung der Gesundheitskompetenz jener Bevölkerungsgruppen an, die die Leistungen der Einrichtung in Anspruch nehmen.
6… setzt Strategien zur Förderung der Gesundheitskompetenz in interpersonellen Kommunikationssituationen ein und legt bei allen Kontakten Wert auf die Rückbestätigung des korrekten Verständnisses.
7… ermöglicht einfachen Zugang zu Gesundheitsinformationen und Dienstleistungen und bietet Unterstützung für die Navigation durch die Organisation bzw. das System an.
8… entwickelt und verwendet gedruckte, audiovisuelle und soziale Medien, deren Botschaften einfach zu verstehen und zu befolgen sind.
9… fördert Gesundheitskompetenz auch in Hochrisiko-Situationen, einschließlich Naht- und Schnittstellen der Versorgung und der Vermittlung von Informationen über Medikamente.
10… vermittelt klar, welche Leistungen durch Leistungskataloge von Versicherungen abgedeckt sind und für welche Leistungen selbst bezahlt werden muss.

Tab. 1: Zehn Merkmale einer gesundheitskompetenten Organisation (Brach et al. 2012), Übersetzung durch Christina Dietscher (Quelle: Pelikan und Dietscher 2015)

Ausgehend von dem Modell der gesundheitskompetenten Versorgungseinrichtung des IOM wurde in Österreich ab 2013 ein erweitertes Modell der organisationalen Gesundheitskompetenz entwickelt (Pelikan und Dietscher 2014). Das Wiener Konzept gesundheitskompetenter Krankenbehandlungsorganisationen (WKGKKO) geht deutlich über das ursprüngliche Konzept hinaus und bezieht sich in erster Linie auf den WHO-Settingansatz gesundheitsförderlicher Krankenhäuser und auf Prinzipien des Qualitätsmanagements (Pelikan und Dietscher 2015). Das Konzept wurde im Rahmen einer Pilotstudie und in Kooperation mit dem Netzwerk „Gesundheitsfördernder Krankenhäuser“ sowie mit Expertinnen und Experten der Qualitätsentwicklung in der Versorgung entwickelt (Pelikan und Dietscher 2014).

Zusätzlich wurde eine Matrix mit vier relevanten Lebensbereichen (Domänen) bereitgestellt (siehe Tabelle 2). Die Standards des Modells wurden mit den Domänen verknüpft und definieren im Setting die konkreten Umsetzungsbereiche für die Gesundheitskompetenz (Dietscher, Lorenc & Pelikan 2015). Ein Selbstbewertungsinstrument für die organisationale Gesundheitskompetenz von Krankenhäusern (WKGKKO-I) wurde entwickelt und im Anschluss in Krankenhäusern in neun österreichischen Bundesländern eingesetzt, um erste Erkenntnisse für die Entwicklung gesundheitskompetenter Krankenhäuser zu gewinnen. Das resultierende Modell mit den acht Standards und den vier Domänen ist in Tabelle 2 dargestellt (Working Group HPH & HL 2019).


OGK
Stakeholder

Patientinnen und Patienten

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Bewohnerinnen in und Bewohner in der Region

Organisationsstrukturen und
-prozesse

OGK Domänen

Domäne 1:
Zugang zur und Leben und Arbeiten in der Organisation

Standard 4:
Ermöglichen einfache Navigation sowie Zugang zu Dokumenten, Materialien und Angeboten

Standard 1:
Implementieren von OGK-Best Practices in
allen Strukturen und Prozessen der Organisation

Standard 2:
Partizipatives Entwickeln von Dokumenten, Materialien und Angeboten gemeinsam mit Stakeholdern

Domäne 2:
Diagnose, Behandlung und Pflege

Standard 5:
Anwenden von OGK-Best Practices in allen Formen der Kommunikation mit Patientinnen und Patienten

Standard 3:
Befähigen und schulen der MitarbeiterInnen
hinsichtlich persönlicher und
organisationaler GK

Standard 8:
Beitragen zur persönlichen und organisationalen GK in der Region

Domäne 3:
Krankheitsmanagement und Prävention

Standard 6:
Fördern der persönlichen GK von Patientinnen und Patienten und Angehörigen über die Entlassung hinaus

Standard 7:
Fördern der persönlichen GK von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hinsichtlich arbeitsplatzbezogener Gesundheitsrisiken und persönlicher Lebensstile

Domäne 4:
Entwicklung gesundheitsförderlicher Lebensstile

Tab. 2: Acht Standards des internationalen Selbstbewertungs-Instruments für Organisationale Gesundheitskompetenz im Krankenhaus (OHL-Hos) (Quelle: Pelikan, Dietscher & Straßmayr 2023)

Organisationale Gesundheitskompetenz in anderen Settings

Obwohl das Konzept der organisationalen Gesundheitskompetenz ursprünglich nur für Einrichtungen des Gesundheitssystems entwickelt wurde (Brach et al. 2012), existieren mittlerweile Rahmenmodelle, die auf Einrichtungen anderer Settings angewendet werden können, z. B. in Bildung und Erziehung, Sozialer Arbeit, am Arbeitsplatz und in Gemeinden (bOJA 2016; Malli und Saurugg 2021; Okan et al. 2022; Pelikan, Dietscher & Straßmayr 2023).

Von der WHO wird seit langem gefordert, Gesundheitskompetenz nachhaltig in Bildung, Schule und Unterricht zu integrieren (WHO 2013, 2016, 2021). In Deutschland liegen mehrere Initiativen vor, die eine Stärkung der Gesundheitskompetenz in der Schule empfehlen (Bundesärztekammer 2023; BMG 2017; Schaeffer, Hurrelmann, Bauer & Kolpatzik 2018). Über solche Initiativen hinweg wird ein ganzheitlicher, settingbezogener Förderansatz für die Stärkung der Gesundheitskompetenz präferiert.

Im Projekt Gesundheitskompetente Organisation Schule (GeKoOrg-Schule) wurde von 2019 bis 2023 gemeinsam mit Stakeholdern aus Bildung, Gesundheit und Politik erstmalig ein Konzept für die organisationale Gesundheitskompetenz der Schule in Deutschland entwickelt (Kirchhoff und Okan 2021, 2023). Das GeKoOrg-Schule-Modell umfasst acht Standards, über die Schulen die Bedarfe an und Potenziale für Gesundheitskompetenz selbst bestimmen können. Angelehnt an die Definition zur organisationalen Gesundheitskompetenz aus dem Healthy People 2030-Bericht (U.S. Department of Health and Human Services 2020), wird eine gesundheitskompetente Schule wie folgt definiert: „Eine gesundheitskompetente Schule gestaltet Prozesse, Strukturen und Rahmenbedingungen so, dass in ihrem Setting Gesundheitskompetenz entwickelt, eingeübt und gefördert werden kann, um alle Personen in der Schule für den Umgang mit Gesundheitsinformationen zu befähigen und gesundheitskompetentes Handeln zu stärken.“ (Kirchhoff und Okan 2022).

Innerhalb des Projekts sind außerdem ein Leitfaden (Okan & Kirchhoff 2022), eine Material- und Methodenbox (Kirchhoff, Krudewig & Okan 2022b) und vier Selbstbewertungsinstrumente (Kirchhoff, Krudewig & Okan 2022a, 2022b; Okan & Kirchhoff 2022) entstanden. Von Dezember 2022 bis Juli 2023 wurde zudem erstmalig die organisationale Gesundheitskompetenz von Schulen in Deutschland gemessen. Derzeit wird das Konzept für das Setting der Kindertageseinrichtungen in der Gesundheitsregionplus Landkreis Neu-Ulm adaptiert.

In Österreich wurde ein Leitfaden für eine gesundheitskompetente Schule entwickelt, der auch bei der Entwicklung des GeKoOrg-Schule Projekts herangezogen wurde (Malli und Zelinka-Roitner 2020). Auch in Australien wurden Schulen bezüglich ihrer Organisationsentwicklung mit dem Fokus auf Gesundheitskompetenz beforscht (Elmer, Nash, Kemp, Coleman, Wyss & Roach 2021).

Fazit

Organisationale Gesundheitskompetenz stellt einen noch relativ neuen Teilbereich der Gesundheitskompetenzforschung dar. Das relationale Modell der Gesundheitskompetenz ist ein wichtiger Ausgangspunkt für die organisationale Gesundheitskompetenz. Daher muss die organisationale Gesundheitskompetenz als verhältnisorientierter Strukturansatz verstanden und ebenso in der Praxis umgesetzt werden. Einrichtungen, die das Prinzip der organisationalen Gesundheitskompetenz in ihrem Setting anwenden, werden als gesundheitskompetente Organisationen beschrieben. Die hier abgebildeten Modelle organisationaler Gesundheitskompetenz stellen die bislang meistverwendeten Konzepte dar. Varianten dieser Modelle und Adaptierungen an weitere Settings und spezifische Gesundheitseinrichtungen liegen jetzt schon vor, sowohl in Deutschland als auch international. Das Konzept befindet sich weiterhin in der Genese und wird ständig weiterentwickelt, so dass in den kommenden Jahren neue Modelle entstehen werden.

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Weiterführende Quellen

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Farmanova, E., Bonneville, L., Bouchard & L. (2018). Organizational Health Literacy: review of theories, frameworks, guides, and implementation issues. Inquiry 55, 46958018757848. doi: 10.1177/0046958018757848.

Verweise:

Betriebliche Gesundheitsförderung, Determinanten der Gesundheit, Gesundheitsberatung, Gesundheitsförderung 1: Grundlagen, Gesundheitsförderung und soziale Benachteiligung / Gesundheitsförderung und gesundheitliche Chancengleichheit, Gesundheitskompetenz / Health Literacy, Lebenslagen und Lebensphasen, Organisationsentwicklung als Methode der Gesundheitsförderung, Prävention und Krankheitsprävention, Professionelle Gesundheitskompetenz, Qualitätssicherung, Qualitätsentwicklung, Qualitätsmanagement, Settingansatz/Lebensweltansatz