Aus- und Weiterbildung in Gesundheitsförderung und Prävention

Kerstin Baumgarten , Elena Sterdt , Thomas Hartmann

(letzte Aktualisierung am 15.10.2024)

Zitierhinweis: Baumgarten, K., Sterdt, E. & Hartmann, T. (2024). Aus- und Weiterbildung in Gesundheitsförderung und Prävention. In: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (Hrsg.). Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention. Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden.

https://doi.org/10.17623/BZGA:Q4-i005-3.0

Zusammenfassung

Die qualifizierte Aus- und Weiterbildung in der Gesundheitsförderung und Prävention hat sich in Deutschland in den letzten 20 Jahren stark entwickelt. Nachdem es dafür zunächst keine geregelten Ausbildungswege gab, wurden sie zunehmend akademisch organisiert. Die hochschulbezogene Struktur fügt sich in ein europaweites Aus- und Weiterbildungssystem für Gesundheitsfachberufe ein, das international vergleichbar und durchlässig sein soll. In Deutschland haben sich inzwischen verschiedene Bachelor- und Masterabschlüsse mit dem Schwerpunkt Gesundheitsförderung und Prävention erfolgreich etabliert. Der nationale Fachqualifikationsrahmen soll einheitliche Standards bei den Inhalten und Zielen dieser Studiengänge fördern.

Schlagworte

Qualifizierung, Kompetenzen, Studienangebote, Gesundheitsförderung, Prävention


Die Möglichkeiten der Qualifizierung für Tätigkeiten in der Gesundheitsförderung und Prävention haben sich in den letzten 20 Jahren in Deutschland vor allem an Hochschulen ausgeweitet. Zum Stichtag 15.09.2024 ergab eine umfassende Recherche in der Datenbank der Hochschulrektorenkonferenz „Hochschulkompass“ mit den Schlagworten „Gesundheitsförderung“, „Gesundheitswissenschaften“, „Public Health“ und „Epidemiologie“ insgesamt 21 Bachelorstudiengänge und 49 Masterstudiengänge. Davon fokussieren sechs Bachelorstudiengänge und acht Masterstudiengänge Gesundheitsförderung.

Die Bachelorstudiengänge mit dem Schwerpunkt Gesundheitsförderung und Prävention haben zum Wintersemester 2023/2024 deutschlandweit 309 Studienplätze zur Verfügung gestellt, das sind im Durchschnitt 51 Studienplätze pro Studiengang. Im Rahmen der Studienangebote im Bereich der Gesundheitswissenschaften und Public Health werden vergleichbare Kompetenzen vermittelt, und Gesundheitsförderung und Prävention gehört dort im Rahmen der Curricula zu den Studieninhalten.

Entwicklung der Ausbildungsmöglichkeiten an Hochschulen

Bis Mitte der 1990-er Jahre waren bildungsrechtlich anerkannte Ausbildungen in Gesundheitsförderung und Prävention in Deutschland nicht etabliert. Fortbildungen fanden zumeist im Rahmen nicht geregelter öffentlicher oder privatwirtschaftlicher Erwachsenenbildung statt. Eine erste Veränderung erfolgte mit der Entwicklung von Public Health-Studiengängen. Nach gut zweijähriger Vorarbeit legte die Bundesregierung im Jahr 1989 eine Förderinitiative auf, die das Ziel hatte, an deutschen Hochschulen international konkurrenzfähige Strukturen der Forschung und Lehre für Public Health aufzubauen.

Zwischen 1989 und 1995 entstanden aus den fünf geförderten Forschungsverbünden neun postgraduale, gesundheitswissenschaftliche Studiengänge mit der Abschlussbezeichnung MPH (Master of Public Health) oder M.S.P (Magister Sanitas Publicae) an den Universitäten, die nach vergleichbaren Standards qualifizierten. Parallel dazu wurden an Fachhochschulen erste Diplom-Studiengänge in Gesundheitsförderung und -management gegründet (Hartmann et al. 2015).

Nach 2000 begann an Hochschulen eine neue Phase durch den sogenannten Bologna-Prozess und damit die Entwicklung eines europäischen Hochschulraums mit vergleichbaren Abschlussgraden. Die Studiengangslandschaft im Bereich der Gesundheitsförderung bzw. der Gesundheitswissenschaften/Public Health wurde weiter ausgebaut und hat sich kontinuierlich weiterentwickelt (Werdecker & Esch 2021). Das Studium in Gesundheitsförderung bzw. der Gesundheitswissenschaften/Public Health fügt sich seitdem in das dreistufige Studiensystem ein: Bachelor als erster akademischer Abschluss, darauf aufbauend ein Masterstudium und als Nachweis der wissenschaftlichen Eignung die Promotion. In den ersten beiden Abschlussgraden unterscheiden sich Universitäts- und Fachhochschulabschlüsse formal nicht voneinander.

Auf der Grundlage der Hochschulgesetze der Länder verfügen Fachhochschulen bzw. Hochschulen für Angewandte Wissenschaften zunehmend auch über ein Promotionsrecht, z. B. in Public Health. Zugleich wurde eine externe Akkreditierung von Studiengängen, d. h. eine formale Überprüfung von Qualitätsstandards, eingeführt, die generellen Kriterien (z. B. Studierbarkeit, Übereinstimmung mit formalen Kriterien und Ressourcen) der Studienprogramme überprüft. Diese Qualitätsprüfung erfolgt durch eine Programm- bzw. Systemakkreditierung. Während bei einer Programmakkreditierung ein Qualitätssiegel für einzelne Studienprogramme vergeben wird, nimmt die Hochschule bei einer Systemakkreditierung auf der Grundlage eines internen Qualitätssicherungssystems die Akkreditierung der Studienangebote für die geprüften Studiengänge selbst vor.

Als Abschlussgrad wird der Bachelor of Science (B.Sc.) oder der Bachelor of Arts (B.A.) vergeben. Beide Grade sind gleichwertig. Sie zeigen nur auf, ob sich der Studiengang als stärker medizinisch-naturwissenschaftlich (B.Sc.) oder sozialwissenschaftlich (B.A.) ausgerichtet orientiert. In den Masterstudiengängen kann neben den Abschlussgraden Master of Science (M.Sc.) und Master of Arts (M.A.) auch der Master of Public Health (MPH) vergeben werden, wenn es sich um einen Weiterbildungs-Master handelt. Auch hier ist die Art des Abschlussgrads kein Qualitätsmerkmal.

Evidenzbasierung

Gesundheitsförderung und Prävention bedienen sich wissenschaftlicher Methoden der Bedarfsermittlung, z. B. anhand sozialepidemiologischer Studien und der Gesundheitsberichterstattung, der Evaluation und der Überprüfung der Wirksamkeit von Interventionen nach strengen methodischen Kriterien (Evidenzbasierte Gesundheitsförderung 2: Umsetzung). Aus diesem Grund liegt es nahe, für solche Tätigkeiten eine wissenschaftliche Ausbildung vorauszusetzen. Das gilt vor allem für die auf Gesundheitsförderung spezialisierte konzeptionelle Arbeit sowie für die Beratung von Akteurinnen und Akteuren in der lebensweltbezogenen Gesundheitsförderung (Settingansatz/Lebensweltansatz).

Dagegen werden individuelle Verhaltensänderungen idealerweise auch von Gesundheitsfachberufen mit oder ohne akademischen Abschluss als Teil ihrer professionellen Tätigkeit angeregt. Menschen aus Gesundheitsfachberufen könnten deshalb auch als Spezialistinnen und Spezialisten für das jeweilige Handlungsfeld in der individuellen Gesundheitsförderung und Prävention tätig werden, sofern entsprechende Grundlagen Gegenstand ihrer Ausbildung waren.

Seltener bieten Hochschulen ergänzend wissenschaftliche Weiterbildungen in Gesundheitsförderung an, die auch Personen ohne Hochschulzugang offenstehen und mit einem Zertifikat abgeschlossen werden. Rein privatwirtschaftlich organisierte Träger oder Träger öffentlich geförderter Erwachsenenbildung bieten weiterhin Fortbildungen an, die teilweise mit Zertifikaten abschließen, aber weder bildungs- noch berufsrechtlich anerkannt sind.

Verortung im Bildungssystem

Qualifizierungsangebote lassen sich zunächst unter bildungs- und berufsrechtlichen Gesichtspunkten differenzieren. Mit (Berufs-)Ausbildung ist ein berufsqualifizierender Abschluss gemeint, der im sekundären (z. B. anerkannter Ausbildungsberuf nach Berufsbildungsgesetz) oder tertiären (z. B. Bachelor-Grad) Bildungsbereich erworben wird. Im engeren Sinn meint Ausbildung in Deutschland eine duale Ausbildung im Berufsbildungssystem, während die Ausbildung an Hochschulen als Studium bezeichnet wird. Es gibt auch duale Studienangebote für Gesundheitsfachberufe (z. B. seit 2020 für Hebammen).

Die für die meisten Gesundheitsfachberufe in Deutschland noch immer übliche Ausbildung in den Fachschulen des Gesundheitswesens hat einen Sonderstatus. Einerseits erfolgt sie in einem dualen System von Fachschule und Praxis, andererseits werden solche Ausbildungen durch ein Bundesgesetz geregelt. Das Berufsbildungsgesetz gilt hier jedoch ausdrücklich nicht. Bundesgesetze regeln zwar auch akademische Gesundheitsfachberufe, wie die Medizin, die Pharmazie oder seit 2020 die Ausbildung von Hebammen. Für die Berufe des Gesundheitswesens gilt jedoch, dass die Berufsbezeichnung an eine Anerkennung der Ausbildungsstätte und ein staatliches Examen gebunden ist.

Nichtmedizinische Tätigkeiten gehören nicht zu den geregelten Berufen des Gesundheitswesens, insoweit gibt es auch keine staatliche Anerkennung für entsprechende berufliche Tätigkeiten. Bezeichnungen wie Gesundheitsberaterin und -berater, Präventologin und Präventologe oder Gesundheitspädagogin und -pädagoge sind allenfalls markenrechtlich, aber nicht berufsrechtlich geschützt.

Eine fehlende staatliche Anerkennung kann allerdings durch die Bildungsinstitution Hochschule und deren Ausbildungsgrade erfolgen. Studiengänge sind heute in der Regel akkreditiert. Eines der Kriterien für die Akkreditierung ist die generelle Berufsbefähigung, nicht aber die konkrete Überprüfung der Eignung der vermittelten Kompetenzen für den jeweiligen Beruf. Deshalb können Studiengänge an unterschiedlichen Standorten gleichermaßen „Gesundheitsförderung“ heißen, aber dennoch im Detail Unterschiedliches vermitteln. Umgekehrt können Studiengänge mit unterschiedlichen Namen gleichermaßen für eine Tätigkeit in der Gesundheitsförderung und nichtmedizinischen Prävention qualifizieren.

Weiterbildungen und Fortbildungen

Weiterbildungen bauen in der Regel auf einem ersten Ausbildungsabschluss auf und führen zu einer zusätzlichen Abschlussbezeichnung, z. B. einem Master-Grad oder einer zumindest landesrechtlichen oder berufsrechtlichen Anerkennung (z. B. Zahnmedizinische Prophylaxe-Assistentin) durch den Staat oder eine Kammer. Zertifikatskurse, für die diese Kriterien nicht gelten, werden oft als Fortbildungen bezeichnet.

Fortbildung kann auch in Form informeller Lernprozesse stattfinden. Beispielsweise ist die Reflexion von Erfahrungen im Berufsleben ein solch informeller Lernprozess. Fort- und Weiterbildung werden auch danach differenziert, ob sie der Erweiterung und Vertiefung der Kompetenzen dienen, die im ausgeübten Beruf benötigt werden, oder ob sie potenziell zu einer Veränderung oder Erweiterung der beruflichen Möglichkeiten beitragen. Danach wäre die Einführung in ein konkretes Präventionskonzept für jemanden, die oder der bereits in der Prävention tätig ist, eine Fortbildung, während beispielsweise eine gesundheitspädagogische Zusatzqualifikation für eine Physiotherapeutin eine Weiterbildung sein könnte.

Die Differenzierung zwischen Fort- und Weiterbildung, tendenziell auch die zwischen Ausbildung und Weiterbildung, verliert mit dem Konzept des „lebenslangen Lernens“ an Bedeutung. Dieser Begriff wurde 2001 von der Europäischen Kommission aufgegriffen und in die Diskussion um einen europäischen Wissensraum eingebracht. Er bringt zum Ausdruck, dass sich die Anforderungen an die beruflichen Kompetenzen im Laufe eines etwa vierzigjährigen Berufslebens abhängig von den Entwicklungen am Arbeitsmarkt und der Arbeitsgestaltung und -organisation stark verändern können. Deswegen ist der Erwerb erforderlicher Kompetenzen mit dem Abschluss einer Ausbildung nicht abgeschlossen; während der gesamten Erwerbsphase sind qualifikatorische Anpassungen erforderlich, die formell oder informell erfolgen können.

Der Europäische und der Deutsche Qualifikationsrahmen

Aufgrund der Heterogenität der Berufsbildungssysteme in Europa geht mit diesem Konzept zudem die Überlegung einher, dass nicht formelle Bildungsabschlüsse, sondern faktisch vorhandene Kompetenzen und deren wechselseitige Anerkennung in Europa relevant sein müssten. 2008 wurde deshalb der Europäische Qualifikationsrahmen (EQR oder EQF) verabschiedet (Falkenstein 2008) und 2017 aktualisiert. Der EQR unterscheidet anhand von Deskriptoren Kenntnisse, Fertigkeiten und den Grad der Verantwortungsübernahme in acht verschiedenen Niveaustufen. Niveau 6 entspricht dem Abschluss eines Bachelor-Studiums, Niveau 7 einem Master-Abschluss. In Deutschland, wie in insgesamt 38 europäischen Staaten, wurde daraufhin ein Nationaler Qualifikationsrahmen (DQR) entwickelt, der in 26 Ländern eine Zuordnung zum EQR vorgibt. Der DQR unterscheidet ebenfalls acht Niveaustufen, die aber die Deskriptoren Wissen, Fertigkeiten, Sozialkompetenz und Selbständigkeit differenzieren. Im Arbeitskreis DQR wurden formale Qualifikationen den Niveaus des EQR zugeordnet. Berufe der Gesundheitsförderung und Prävention ohne Studienabschlüsse finden sich dort nicht wieder, weil es keine formalen Ausbildungen sind.

Qualifikationsanforderungen der Praxis

Anders als in anderen europäischen Ländern ist Gesundheitsförderung und Prävention in Deutschland gesetzlich primär den Sozialversicherungsträgern überantwortet, unter denen die gesetzlichen Krankenkassen eine dominante Rolle einnehmen (Gesundheitsförderung 5: Deutschland). Qualifikationsanforderungen werden in entsprechenden Dokumenten des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) beschrieben.

Der derzeit geltende Leitfaden Prävention des GKV-Spitzenverbandes (2023) definiert „Anbieterqualifikationen“ für durch die GKV geförderte Angebote. So fordert er bei der lebensweltbezogenen Gesundheitsförderung (Settingansatz/Lebensweltansatz) „Fachkräfte mit einem staatlich anerkannten Berufs- oder Studienabschluss mit dadurch belegten Kenntnissen und Fähigkeiten in Public Health bzw. Gesundheitsförderung und Prävention sowie insbesondere zu den Bereichen Prozess- und Projektmanagement und Organisationsentwicklung. Darüber hinaus sind Systemkenntnisse der gesetzlichen Zuständigkeiten in der lebensweltbezogenen Gesundheitsförderung und Prävention, insbesondere Kenntnisse über gemeinsam abgestimmte Vorgehensweisen der Sozialleistungsträger wünschenswert“ (S. 34).

Fachkräfte, die auf dem Feld der betrieblichen Gesundheitsförderung beraten und finanziert werden wollen, benötigen einen „staatlich anerkannten Berufs- oder Studienabschluss mit Kenntnissen und Fähigkeiten in Public Health, betrieblicher Gesundheitsförderung und insbesondere zu den Bereichen Organisationsentwicklung, Organisationsberatung sowie Prozess- und Projektmanagement“ (S. 122).

Bei der individuellen Prävention sollten Anbieter folgende Qualifikationen nachweisen: „Staatlich anerkannter handlungsfeldbezogener Berufs- oder Studienabschluss mit Nachweis der Mindeststandards in Bezug auf fachwissenschaftliche, fachpraktische und fachübergreifende Kompetenzen für das jeweilige Handlungsfeld/Präventionsprinzip“ (S. 62).

Unabhängig von der fachlichen Nachvollziehbarkeit dieser Kriterien werden hier aus bildungswissenschaftlicher Perspektive Fragen nach den notwendigen Kompetenzniveaus aufgeworfen. Auf der Grundlage pädagogischer Kompetenzen verfügen sowohl eine nicht akademisch ausgebildete Diätassistentin oder ein Diätassistent als auch eine Ernährungswissenschaftlerin oder Ernährungswissenschaftler über eine geeignete Qualifikation zur Beratung über Ernährungsfragen. Während beide Berufsfelder also grundsätzlich geeignet sein können, die vorliegenden standardisierten Kurskonzepte umzusetzen, sind für deren Entwicklung und Evaluierung unterschiedliche Kompetenzniveaus erforderlich. Während die Diätassistentin oder der Diätassistent im DQR auf Niveau 4 eingeordnet ist, hat die Ernährungswissenschaftlerin oder der Ernährungswissenschaftler mindestens einen Bachelor- (Niveau 6) oder einen Master-Abschluss (Niveau 7) vorzuweisen.

Mit Deskriptoren ließe sich differenzieren, auf welcher Ebene Entscheidungen getroffen werden und wie wissenschaftlich fundiert die dafür notwendigen Ausbildungen sein müssen. Beispielsweise könnte der Grad der Verantwortungsübernahme auf Niveau 5 die Durchführung eines standardisierten Kurskonzepts in der Prävention sein. Niveau 6 würde die Leitung eines Projekts der Gesundheitsförderung beinhalten, Niveau 7 die Entwicklung neuer Interventionsstrategien und die Weiterentwicklung der theoretischen und empirischen Basis der Gesundheitsförderung. Mit jeder Stufe erweiterten sich der Entscheidungsspielraum und die Komplexität der zu berücksichtigenden Fakten, nach denen entschieden werden kann. Wissenschaftliche Expertise wird nur auf Niveau 7 generiert. Aus diesem Grund erfordern Projekte, in denen neue Erkenntnisse über die Wirksamkeit einer Strategie gesucht werden, Verantwortliche, die mindestens über einen Master-Abschluss verfügen.

Geht es weniger um die formale Definition einer Anbieterqualifikation, sondern um Beschäftigungsverhältnisse, so zeigt eine Studie auf Basis von Stakeholder-Analysen, dass ein Bachelor-Abschluss eher das Mindestmaß an Qualifikation für Tätigkeiten im Projektmanagement, der Koordination oder auch der Gesundheitsberichterstattung bei unterschiedlichen Trägern ausmacht (Karg et al. 2020). Mit entsprechendem Engagement kann bereits während des Studiums der Einstieg gelingen; zumeist wird dann aber berufsbegleitend der Master-Abschluss nachgeholt.

Transparenz über die vermittelten Kompetenzen

Aus dem Titel eines Studiengangs mit Schwerpunkt Gesundheitsförderung und Prävention ist nicht immer ersichtlich, ob er eher für eine Tätigkeit auf der individuellen Ebene (Gesundheitsbildung; Gesundheitliche Aufklärung und Gesundheitserziehung; Gesundheitskompetenz/Health Literacy), auf der bevölkerungsbezogenen Ebene – und der Arbeit entsprechend dem Settingansatz – oder einer Mischung aus beidem qualifiziert.

Zur Verbesserung der Transparenz gegenüber Studieninteressierten, v. a. aber gegenüber potenziellen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern, wurde vor einigen Jahren von einer Expertengruppe deutscher Hochschulen ein nationaler Fachqualifikationsrahmen (FQR) entwickelt. Hier werden auf der vertikalen Ebene die Dublin-Deskriptoren benutzt, auf der horizontalen Ebene wird der Public Health Action Cycle/Gesundheitspolitischer Aktionszyklus zur Beschreibung der erforderlichen Kompetenzen herangezogen. Tabelle 1 zeigt die Beschreibungen für das Niveau 6 entsprechend eines ersten Hochschulabschlusses (Baumgarten et al. 2015). Solche Vorschläge bleiben für Hochschulen unverbindlich, die genannten Kompetenzen sind aber weitgehend akzeptiert.

Public Health Action Cycle/Dublin-Deskriptoren

Problem­bestimmung/
Erheben des Bedarfs von Maßnahmen

Politik­formulierung/
Entwickeln von Strategien und Maßnahmen

Umsetzung/
Erstellen von Rahmen­bedingungen

Bewertung von Maßnahmen, Projekten, Ansätzen, Studien

Wissen und Verstehen, das zumindest in einigen Aspekten an neueste Erkenntnisse anknüpft.

Kennt die unterschiedlichen Determinanten von Gesundheit und Methoden im Zusammenhang, mit denen Bedarfe an und Bedürfnisse nach Maßnahmen der Gesundheits­förderung ermittelt werden.

Kennt die Strategien und Handlungsfelder der Gesundheits­förderung der WHO sowie nationale Entwicklungen und deren zugrunde liegenden wissenschaftlichen Theorien.

Kennt relevante Rahmen­bedingungen der Gesundheits­förderung; kennt die Strukturen des Sozial- und Gesundheitswesens und die Bedingungen nationaler Sozial- und Gesundheitspolitik.

Kennt Möglichkeiten und Methoden der Qualitätssicherung von Maßnahmen der Gesundheits­förderung.

Wissen und Verstehen anwenden; Formulieren und Untermauern von Argumenten und Lösen von Problemen.

Kann fundiert begründen, welche Zielgruppen, Settings und Arbeitsfelder der Gesundheits­förderung relevant sind. Kann Datenquellen nutzen und Methoden der empirischen Sozialforschung einsetzen, um Bedarfe und Bedürfnisse zu identifizieren bzw. zu erheben.

Kann mit Bezug auf Zielgruppen, Settings und Themenfelder geeignete (evidenzbasierte) Konzepte, Strategien und Maßnahmen der Verhaltens- und Verhältnisänderung entwickeln und deren Einsatz begründen.

Kann entscheiden, welche Bedingungen welche Art von Intervention erfordern und kann mit den Mitteln des Projekt­managements Interventionen unter Berücksichtigung partizipativer Ansätze umsetzen und steuern.

Kann empirische Evidenz von Maßnahmen recherchieren und beurteilen sowie den Erfolg von selbst durchgeführten Interventionen auch unter Anwendung der Methoden der qualitativen und quantitativen Sozialforschung mit geeigneten Methoden und Instrumenten der Qualitätssicherung bewerten.

Relevante Daten sammeln und interpretieren, um Einschätzungen zu stützen, die relevante soziale, wissenschaftliche und ethische Belange berücksichtigen.

Kann aus vorhandenen und aus selbst erhobenen Daten Schlussfolgerungen in Bezug auf individuelle und bevölkerungs­bezogene Gesundheits­ressourcen, -risiken und -belastungen ziehen, um einen Bedarf an Maßnahmen nach wissenschaftlichen, sozialen und ethischen Gesichtspunkten zu begründen; kann dabei insbesondere Einflüsse von sozialer Ungleichheit, Alter und Geschlecht berücksichtigen.

Kann Strategien, Ansätze, Methoden und Maßnahmen auf der Basis von Daten und Theorien entwickeln und an die alltäglichen und projektbezogenen Rahmen­bedingungen anpassen; kann die dabei entstehenden Probleme reflektieren

Kann Entscheidungen für Interventionen bei spezifischen Zielgruppen treffen und reflektieren, welche Auswirkungen die Veränderungen auf andere gesundheitliche und soziale Bereiche haben könnten; kann Prioritäten unter sozialen und ethischen Gesichtspunkten setzen.

Kann den Erfolg von Interventionen empirisch gestützt beurteilen und unter Berücksichtigung ethischer, wissenschaftlicher und sozialer Belange bewerten.

Ideen, Probleme und Lösungen an Expertinnen und Experten sowie Laien vermitteln.

Kann die Ergebnisse Laien, Betroffenen, Expertinnen und Experten, Entscheidern und der Öffentlichkeit gegenüber angemessen kommunizieren bzw. vermitteln.

Kann gegenüber Ausgangslagen und Vorgehensweisen gegenüber Laien, Betroffenen, Expertinnen und Experten, Entscheidern und der Öffentlichkeit kommunizieren. Kann eigene Sichtweisen im Team transparent machen und Sichtweisen anderer wahrnehmen und integrieren.

Kann Maßnahmen kooperativ in einem professionellen Team durchführen und sie in Abstimmung und partizipativ mit den Zielgruppen umsetzen. Kann gegenüber Entscheidungsträgern und -trägerinnen kommunizieren, welche Entscheidungen mit welchen Konsequenzen verbunden sind; kann Fachaustausch und Vernetzung organisieren und durchführen.

Kann die kritische, reflektierte Bewertung von Strategien, Ansätzen und Methoden gesundheitsfördernder Projekte unterschiedlicher Adressatengruppen adäquat schriftlich und mündlich kommunizieren.

Lernstrategien, um ihre Studien selbstständig fortzusetzen.

Verfügt über Strategien, um Informationslücken mit den Grundtechniken des wissenschaftlichen Arbeitens systematisch zu schließen.

Verfügt über Strategien, um aus den Erfahrungen für weitere Maßnahmen lernen zu können; kann sich dabei neue Ansätze mit Grundtechniken des wissenschaftlichen Arbeitens allein und im Team erschließen.

Kann eigene Vorgehensweisen und deren Ergebnisse reflektieren, weiterentwickeln und zum eigenen und wissenschaftlichen Erkenntnisstand in Beziehung setzen.

Kann recherchierte und eigene Evaluationsergebnisse nutzen, um Methoden und Handlungsstrategien zu optimieren.

Tab. 1: Fachqualifikationsrahmen für Gesundheits­förderung (Bachelor-Niveau)

Ein anderer Weg wird mit den von der International Union for Health Promotion and Education (IUHPE) entwickelten Kernkompetenzen beschritten. Dieses Rahmenkonzept für die Gesundheitsförderung (CompHP) wurde von der BZgA in deutscher Sprache herausgegeben (Barry et al. 2014). Hier ist ein kostenpflichtiges Zertifizierungs- und Registrierungssystem für Ausbildungsgänge und Fachkräfteabschlüsse vorgesehen.

Literatur:

Barry, M. M., Battel, K., Davison, H., Dempsey, C., Parish, R., Schipperen, M. & Zilnyk, A. (im Auftrag der CompHP-Projektpartner) (2014). Das CompHP-Rahmenkonzept für die Gesundheitsförderung: Kernkompetenzen. Professionelle Standards-Akkreditierung; deutsche Kurzfassung. Köln: BZgA.

Baumgarten, K., Blättner, B., Hartmann, T. & Dadaczynski K. (2015). Entwicklung eines Fachqualifikationsrahmens für den Bereich Gesundheitswissenschaften/Public Health und Gesundheitsförderung in Deutschland. Prävention und Gesundheitsförderung 4(10), S. 320–327. https://doi.org/10.1007/s11553-015-0507-0.

Falkenstein, V. (2008). Europäischer Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen. Zugriff am 15.10.2024 unter https://www.grin.com/document/180571.

GKV-Spitzenverband (2023). Leitfaden Prävention, Handlungsfelder und Kriterien nach §20 Abs.2 SGBV. Zugriff am 26.09.2024 unter www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/krankenversicherung_1/praevention__selbsthilfe__beratung/praevention/praevention_leitfaden/2023-12_Leitfaden_Pravention_barrierefrei.pdf.

Hartmann, T., Baumgarten, K., Dadaczynski, K. & Stolze, N. (2015). Gesundheitswissenschaften/Public Health und Gesundheitsförderung in Deutschland. Entwicklung der Bachelor- und Masterstudiengänge. Prävention und Gesundheitsförderung 3(10), S. 239–246. https://doi.org/10.1007/s11553-015-0495-0.

Karg, S., Blättner, B., Krüger, K. & Micheew N. (2020). Kompetenzen für Tätigkeiten in der Gesundheitsförderung. Sichtweisen von Stakeholdern. Prävention und Gesundheitsförderung 15, S. 236– 41. https://doi.org/10.1007/s11553-020-00760-6.

Werdecker, L. & Esch, T. (2021). Bedeutung und Rolle von Gesundheitsberufen in der Prävention und Gesundheitsförderung. In: Tiemann, M., Mohokum, M. (Hrsg.). Prävention und Gesundheitsförderung (S. 159-169). Berlin, Heidelberg: Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-662-62426-5_10.

Weiterführende Quellen

Battel-Kirk, B. & Sendall, M.C. (2022). The IUHPE Health Promotion Accreditation System: Development and Experiences of Implementation. In: Akerman, M., Germani, A.C.C.G. (eds) International Handbook of Teaching and Learning in Health Promotion (pp. 543–562). Cham: Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-030-96005-6_34.

Blättner, B. (2008). Kompetenzprofil für Gesundheitsförderung. In: Rásky, É. (Hrsg.). Gesundheitsprofi(l) für die Pflege: Pflegewissenschaft in den Berufsalltag: Möglichkeiten auf dem Gesundheitsmarkt (S. 123−139). Wien: Facultas Universitätsverlag.

Blättner, B. & Heckenhahn, M. (2009). Professionalisierung in der Gesundheitserziehung. In Blättner, B. & Hurrelmann, K. (Hrsg.). Handbuch Gesundheitserziehung (S. 254–264). Bern: Hans Huber.

Internetadressen:

Dachverband Deutsche Gesellschaft für Public Health: www.deutsche-gesellschaft-public-health.de

Datenbank akkreditierter Studiengänge: hs-kompass.de/kompass/xml/akkr/maske.html

Der Deutsche Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen: www.dqr.de

Hochschulkompass − Ein Angebot der Hochschulrektorenkonferenz: www.hochschulkompass.de

Verweise:

Evidenzbasierte Prävention und Gesundheitsförderung 2: Umsetzung, Gesundheitliche Aufklärung und Gesundheitserziehung, Gesundheitsbildung, Gesundheitsförderung 5: Deutschland, Gesundheitskompetenz / Health Literacy, Public Health Action Cycle / Gesundheitspolitischer Aktionszyklus, Settingansatz/Lebensweltansatz

Die Autorinnen und der Autor danken Beate Blättner für ihre Vorarbeiten zu diesem Leitbegriff in den bisherigen Auflagen.