Gesundheitsförderung und Arbeitslosigkeit

Alfons Hollederer

(letzte Aktualisierung am 20.12.2024)

Hollederer, A. (2024). Gesundheitsförderung und Arbeitslosigkeit. In: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (Hrsg.). Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention. Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden.

https://doi.org/10.17623/BZGA:Q4-i149-3.0

Zusammenfassung

Arbeitslosigkeit und Gesundheit beeinflussen sich wechselseitig. Die signifikanten Gesundheitsunterschiede zwischen Arbeitslosen und Beschäftigten weisen auf einen Präventionsbedarf hin. Neue Kooperationsformen zwischen Arbeitsförderung und Gesundheitsförderung können den Zugang zu Arbeitslosen verbessern. Die Studienlage zur arbeitsmarktintegrativen Gesundheitsförderung belegt eine moderate Evidenz bei der Verbesserung der Gesundheit und Arbeitsmarktintegration.

Schlagworte

Gesundheitsförderung, Prävention, Behinderung, Arbeitslosigkeit, Arbeitsförderung


In Deutschland hat sich die hohe Langzeitarbeitslosigkeit durch die Entwicklungen am Arbeitsmarkt strukturell verfestigt. So führte die COVID-19-Pandemie als weltweite Gesundheitskrise zu großen Problemen an den Arbeitsmärkten und zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit (ILO 2021). Es schlossen sich Verwerfungen am Arbeitsmarkt aufgrund der Energiekrise und Fluchtmigration wegen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine an. Danach folgten Phasen der Rezession und Schrumpfung der deutschen Wirtschaft. Im November 2024 registrierte die Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur für Arbeit 2024a) knapp eine Million Langzeitarbeitslose (mindestens ein Jahr arbeitslos) unter den mehr als 2,7 Millionen arbeitslos gemeldeten Menschen. Das bedeutete einen Anteil der Langzeitarbeitslosen von insgesamt 35 % am Arbeitslosenbestand.

Die Arbeitslosenstatistik offenbart, dass die Risiken, arbeitslos zu werden oder zu bleiben, nicht gleich verteilt sind. Bestimmte Gruppen in der Erwerbsbevölkerung sind besonders schwer von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen, darunter vor allem Ältere über 55 Jahre, formal Geringqualifizierte, Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit (Bundesagentur für Arbeit 2024b) oder Arbeitslose mit einer Schwerbehinderung (Bundesagentur für Arbeit 2024c).

Zielgruppe arbeitslose Menschen

Arbeitsmarktintegrative Gesundheitsförderung setzt bei der Zielgruppe (> Zielgruppen, Multiplikatorinnen und Multiplikatoren) der Arbeitslosen an. Der Arbeitslosenstatus ist in Deutschland durch § 16 SGB III („Arbeitsförderung“) definiert und hat die Erwerbsfähigkeit, ein fehlendes Beschäftigungsverhältnis, aktive Arbeitsuche und Mitwirkung bei Unterstützungsmaßnahmen als Voraussetzung. Im Gegensatz zu den Leistungen der Arbeitslosenversicherung ist der Empfang von Leistungen nach dem § 7 SGB II („Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende“) zusätzlich mit einer definierten Hilfebedürftigkeit verbunden.

Der Arbeitslosenbestand setzt sich aus heterogenen Personengruppen zusammen, variiert regional und ist von hoher Fluktuation geprägt. Die Struktur der Arbeitslosigkeit ist insofern auch für die Gesundheitsförderung von Interesse, um spezifische wohnortnahe Angebote für besondere Lebenslagen entwickeln zu können, z. B. für Alleinerziehende, Arbeitslose mit Migrations- und Fluchthintergrund, Jüngere nach Schul- oder Ausbildungsabbruch sowie Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen.

In diesem Zusammenhang rücken auch die Angehörigen von Arbeitslosen im gemeinsamen Haushalt („Bedarfsgemeinschaft“) wegen Unterhaltspflichten und als mittelbar von der Arbeitslosigkeit Betroffene in den Blick. Im Juni 2024 lebten mehr als 1,9 Millionen minderjährige Personen in Bedarfsgemeinschaften, darunter mehr als 1,5 Millionen Kinder unter 14 Jahren (Bundesagentur für Arbeit 2024d). Die SGB II-Hilfequote der leistungsberechtigten Kinder unter 18 Jahren in Bedarfsgemeinschaften betrug 12,6 % bezogen auf die Bevölkerung unter 18 Jahren. Das entspricht im Mittel eines von acht Kindern in Deutschland. Gesundheitsförderung bei Arbeitslosen kann daher auch familiensystemisch angelegt werden.

Arbeitslosigkeit ist in Deutschland einer der Hauptrisikofaktoren für Armut. Nach dem 6. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung (BMAS 2021) sind fast drei Viertel der Arbeitslosen „armutsgefährdet“, das heißt, sie verfügen über ein Nettoäquivalenz-Einkommen von unter 60 % des Einkommensmedians. Knapp ein Viertel der Arbeitslosen gilt als „materiell depriviert“, womit gemeint ist, dass sie sich bestimmte Konsumgüter des durchschnittlichen Lebensstandards nicht leisten können (Datenbasis EU-SILC Survey des Europäischen Statistikamts; BMAS 2021).

Über das Merkmal Arbeitslosigkeit und den Leistungsbezug können sozial Benachteiligte generell in der Gesundheitsförderung und Präventionsberichterstattung relativ einfach identifiziert und die Zielgruppenerreichung überprüft werden (> Gesundheitsförderung und soziale Benachteiligung/Gesundheitsförderung und gesundheitliche Chancengleichheit).

 

Gesundheitsunterschiede und Präventionspotenzial

Der Gesundheitszustand von Arbeitslosen ist signifikant schlechter im Vergleich zu Beschäftigten im Durchschnitt. Das belegen für Deutschland empirisch die Gesundheitssurveys (Kroll et al. 2016) und verschiedene repräsentative Erhebungen (Hollederer & Voigtländer 2016; Hollederer & Wildner 2019). Im EU-SILC-Survey hat der Prozentsatz der Erwerbslosen in Deutschland, die ihren allgemeinen Gesundheitszustand als schlecht oder sehr schlecht einschätzen, ein bisheriges Allzeithoch von 30 % im Jahr 2022 erreicht (Hollederer 2024). Arbeitslose nehmen deshalb die Gesundheitsversorgung in stärkerem Maße in Anspruch als Beschäftigte. Auch die Krankenhausstatistik der Betriebskrankenkassen (BKK) (Klemm et al. 2024) ergab für das Jahr 2023, dass Arbeitslose gegenüber pflichtversicherten Beschäftigten weit mehr als doppelt so viele Krankenhausfälle hatten. Dabei war besonders auffällig, dass mehr als die Hälfte der Behandlungstage bei Arbeitslosen auf psychische und Verhaltensstörungen zurückging.

Derartige Gesundheitsunterschiede zeigen auch eigene Berechnungen auf Basis des Scientific Use File für den Mikrozensus 2021. Er wird von den Forschungsdatenzentren (FDZ) der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder für die Forschung zur Verfügung gestellt. Laut Mikrozensus 2021 gaben 12,3 % der Erwerbstätigen im Alter von 18 bis unter 65 Jahren in Deutschland an, dass sie in den letzten vier Wochen wegen einer Krankheit oder Unfallverletzung in einer Arztpraxis oder im Krankenhaus behandelt wurden. Unter den Erwerbslosen und arbeitsuchenden Nichterwerbspersonen war der entsprechende Anteil mit ärztlicher ambulanter oder stationärer Behandlung mit 14,9 % signifikant höher (Phi = -0,016; p < 0,001). Während 6,5 % der Erwerbstätigen im Mikrozensus 2021 aussagten, dass sie eine amtlich anerkannte Behinderung aufweisen, betrug dieser Prozentsatz unter Erwerbslosen und arbeitsuchenden Nichterwerbspersonen 8,2 % (Phi = -0,014; p < 0,001).

Unterschiede zwischen Arbeitslosen und Beschäftigten offenbaren sich nicht nur beim Gesundheitszustand, sondern auch beim Gesundheitsverhalten (> Stress und Stressbewältigung). Ein markantes Beispiel ist das Tabakkonsumverhalten. Nach den Angaben im Mikrozensus 2021 rauchten 23,1 % der Erwerbstätigen unter 65 Jahren zum Befragungszeitpunkt, während der Raucheranteil bei den Erwerbslosen und arbeitsuchenden Nichterwerbspersonen mit 35,9 % deutlich höher lag (Phi = 0,063; p < 0,001). Einen Hauptgrund für diese Differenz liefert ebenfalls der Mikrozensus: Unter den Erwerbstätigen gab es erheblich mehr ehemalige Raucher als unter den Erwerbslosen und arbeitsuchenden Nichterwerbspersonen. Diese Ergebnisse deuten nicht nur auf einen hohen Bedarf bei erwerbslosen Menschen für eine primärpräventive Nichtraucherförderung hin, sondern auch auf bessere sekundärpräventive Tabakentwöhnungs- und Unterstützungsangebote.

Der Mikrozensus 2021 stellte bei Erwerbslosen außerdem deutlich höhere Adipositas-Prävalenzraten im Verhältnis zu den Erwerbstätigen fest, woraus sich ein weiterer Bedarf nach Angeboten zur Bewegungsförderung und gesunden Ernährung ableiten lässt.

Selektion und Kausation

Den beobachteten Gesundheitsunterschieden zwischen Arbeitslosen und Beschäftigten können verschiedene Ursachen zugrunde liegen. Selektionseffekte entstehen im Zugang in Arbeitslosigkeit, wenn Beschäftigten beispielsweise wegen einer Langzeiterkrankung gekündigt wird. Marktmechanismen können auf den Ausgang von Arbeitslosigkeit wirken, wenn Arbeitslose mit vermittlungsrelevanten gesundheitlichen Einschränkungen schlechtere Wiederbeschäftigungschancen haben. Im Gegensatz dazu geht die Kausationshypothese davon aus, dass die Arbeitslosigkeit selbst Gesundheitsbelastungen verursacht. Dafür gibt es mehrere Theorien.

Ein Vermittlungsweg zwischen Arbeitslosigkeit und individueller Gesundheit könnten die bereits beschriebenen Verarmungsprozesse darstellen, die die Arbeitslosen in ihren Handlungen und finanziellen Möglichkeiten eng begrenzen (Fryer 1986). Ein anderer theoretischer Erklärungsansatz (Jahoda 1983) führt die psychische Deprivation auf den Wegfall der latenten Funktionen des Arbeitsplatzes wie der Zeitstruktur, Sinnhaftigkeit oder Identität zurück. In der Arbeitslosenforschung wurde eine Reihe von weiteren Theorien zu den negativen Auswirkungen von Arbeitslosigkeit auf die psychische Gesundheit diskutiert, denen Stress- und Copingmodelle, Identitätstheorien, Stigma-Konzepte oder Exklusionsmodelle zugrunde liegen.

Für die Kausationshypothese spricht, dass Gesundheitsverbesserungen bei der Wiederbeschäftigung von Arbeitslosen im Vergleich zu arbeitslos gebliebenen Menschen beobachtet wurden (Paul & Moser 2009). Die Selektions- und die Kausationshypothese schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern können parallel bestehen. Gesundheit ist auch eine Voraussetzung für die Arbeitsfähigkeit, die zugleich bei Arbeitslosigkeit für Bewerbungen, Vorstellungsgespräche und Bewältigung (wie von Erfahrungen des Scheiterns) elementar ist.

Gesundheitsförderung kann bei Arbeitslosigkeit (nur) an den moderierenden Faktoren ansetzen, das heißt, ihre negativen Gesundheitsfolgen abpuffern oder die Ressourcen stärken (> Gesundheitsförderung und soziale Benachteiligung/Gesundheitsförderung und gesundheitliche Chancengleichheit). Sie kann nicht die strukturellen Ursachen von Arbeitslosigkeit beseitigen. Arbeitslose brauchen Job-Chancen, möglichst vor Eintritt in die Langzeitarbeitslosigkeit und gegebenenfalls im Rahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik auch am zweiten Arbeitsmarkt oder über Programme zur Sozialen Teilhabe (> Determinanten von Gesundheit> Gesundheitsfördernde Gesamtpolitik/Healthy Public Policy).

 

Arbeitsmarktintegrative Gesundheitsförderung

Die arbeitsmarktintegrative Gesundheitsförderung geht in der Zielsetzung bei Arbeitslosen über die Krankheitsverhütung und Stärkung von Gesundheitsressourcen insofern hinaus, dass sie auch den Erhalt bzw. die Wiederherstellung der Beschäftigungsfähigkeit anstrebt. Sie zielt sowohl auf Gesundheitseffekte als auch auf Arbeitsmarktintegration ab. Der Fokus liegt in der Regel auf der gesamten Periode der Arbeitslosigkeit als kritische Lebensphase für die Gesundheit der Betroffenen.

Angesichts des skizzierten Präventionsbedarfs und der hohen Krankheitskosten (etwa für Krankenhausaufenthalte) erscheinen die Investitionen in die Gesundheitsförderung bei Arbeitslosen relativ gering. Nach wie vor werden Arbeitslose von Prävention und Gesundheitsförderung wenig erreicht.

In der Praxis werden oft Maßnahmen der Gesundheitsförderung mit der Arbeitsförderung in arbeitsmarktnahen Settings kombiniert. Es gibt eine Reihe von evaluierten Programmen, die sich insbesondere auf die Verbesserung der psychosozialen Gesundheit von Arbeitslosen konzentrieren (Überblick: Hollederer 2021). Programmtheorien bauen häufig auf sozial-kognitiven Lerntheorien oder der Theorie der Selbstwirksamkeit (Bandura 2004) auf, benutzen Konzepte der Kontrollüberzeugungen oder setzen am Selbstwertgefühl und sozialer Unterstützung (> Soziale Unterstützung) an. Dazu zählen Stressbewältigungstrainings, Coping durch Stressimpfungstrainings oder Problemlösetrainings, Beratung durch motivierende Gesprächsführung oder die Stärkung von Kompetenzen im Selbstmanagement. Maßnahmen für Arbeitslose folgen in der Praxis häufig multimodalen Konzepten und werden vor allem in Deutschland mit Ansätzen zur Stressbewältigung, Bewegungsförderung, Ernährung und Suchtprävention verbunden.

 

Evaluations- und Interventionsstudien

Die Zahl und Qualität der Evaluationsstudien haben zuletzt zugenommen (Hollederer 2017). Wie ein systematischer Review (Hollederer 2019) zeigt, waren heterogene Interventionsansätze, die in der Regel konzeptionell auf Einzelberatungen, Fallmanagement, Trainings oder Gruppenangeboten basierten, unterschiedlich erfolgreich. Es gibt evaluierte Programme, die auch in Deutschland erprobt wurden. Dazu zählt beispielsweise das deutsche Programm JobFit, das einen eigenen Präventionskurs gemäß dem GKV-Leitfaden Prävention konzipiert hat und motivierende Interviewtechniken nutzt (Faryn-Wewel et al. 2008; Faryn-Wewel 2021). Es wurden signifikante Verbesserungen vor allem beim Gesundheitsverhalten in mehreren Bereichen festgestellt.

Eine konfirmatorische Studie überprüfte 2023 die Übertragbarkeit und Wirksamkeit des „JOBS Program“ für Deutschland. Das multimodale Programm wurde vom Michigan Prevention Research Center entwickelt und ist international weit verbreitet (Vinokur et al. 1995). Es integriert Elemente des sozialen Lernens in Form eines einwöchigen Gruppentrainings, das auf sozial-kognitiven Theorien und der Stärkung der Selbstwirksamkeit basiert (GKV-Spitzenverband 2021). Die Evaluation von „JOBS Program Deutschland“ (Hollederer & Jahn 2023; Jahn & Hollederer 2024) ergab, dass nach Durchführung der JOBS-Trainings die Interventionsgruppe im Vergleich zur Wartekontrollgruppe eine signifikant größere Lebenszufriedenheit, eine bessere allgemeine Gesundheit sowie ein höheres Niveau des psychischen Wohlbefindens aufwies. Eine Befragung der für die Umsetzung verantwortlichen „GKV-Federführenden“ zeigte aber auch die praktischen Schwierigkeiten in der Verzahnung von Arbeits- und Gesundheitsförderung in Deutschland auf (Hollederer et al. 2023).

Public Health-Ansätze (> Public Health Action Cycle/Gesundheitspolitischer Aktionszyklus) verfolgen bei Arbeitslosen in der Regel entsprechend der Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung (WHO 1986) das Ziel, mehr Autonomie und Kontrolle über die eigenen Gesundheitsbelange zu vermitteln. Sie berücksichtigen konzeptionell die Handlungsprinzipien von Partizipation, Empowerment und Alltags- bzw. Lebensweltorientierung (> Gesundheitsförderung 1: Grundlagen). Der Kooperationsverbund gesundheitliche Chancengleichheit dokumentiert in seiner Praxisdatenbank über 300 derartige Angebote zur Gesundheitsförderung, die sich auch an Langzeitarbeitslose richten, und stellt Arbeitshilfen für die praktische Umsetzung zur Verfügung.

 

Kooperation von Gesundheitsförderung und Arbeitsförderung

Eine generelle Schwierigkeit liegt im Zugang zu Arbeitslosen, da sie über die etablierten Settings der Gesundheitsförderung (Betriebe, Schulen, Kindergärten etc.) kaum angesprochen werden können (> Settingansatz/Lebensweltansatz). Bei Arbeitslosen gibt es zudem eine Tendenz zur Selbstisolation. Es ist daher als Fortschritt zu bewerten, dass für Arbeitslose im Zuge des Präventionsgesetzes 2015 eigene Strukturen der Prävention und Gesundheitsförderung systematisch aufgebaut wurden (> Präventionsgesetz).

Für Arbeitslose gilt im besonderen Maße das Postulat der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 20 Abs. 1 SGB V, dass primärpräventive Leistungen zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen beitragen sollen. § 20a Abs. 1 SGB V fordert zur sektorenübergreifenden Kooperation auf: „Bei der Erbringung von Leistungen für Personen, deren berufliche Eingliederung auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen besonders erschwert ist, arbeiten die Krankenkassen mit der Bundesagentur für Arbeit und mit den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende eng zusammen.“

Die Bundesrahmenempfehlungen der Nationalen Präventionsstrategie (Nationale Präventionskonferenz 2018) regeln die Kooperation mit der Arbeitsförderung und sehen für die Kommunen vor, dass bedarfsbezogene Präventions- und Gesundheitsförderungsleistungen für arbeitslose Menschen angeboten und diese Leistungen von den auf kommunaler Ebene bestehenden Steuerungsstrukturen koordiniert werden.

Die gesetzliche Krankenversicherung bietet Maßnahmen der Gesundheitsförderung für Arbeitslose kassenübergreifend an, auf freiwilliger Basis und zuzahlungsfrei. Sie adressiert nicht nur gesunde Arbeitslose im Sinne der Primärprävention, sondern auch Arbeitslose mit gesundheitlichen Einschränkungen. Diese Verzahnung von Arbeits- und Gesundheitsförderung wurde von dem GKV-Bündnis für Gesundheit und den Jobcentern bzw. Agenturen für Arbeit an 225 Standorten in Deutschland umgesetzt (Schreiner-Kürten & Wanek 2021).

Im Programm „teamw()rk für Gesundheit und Arbeit“ kooperieren GKV-Spitzenverband, Bundesagentur für Arbeit, Deutscher Landkreistag und Deutscher Städtetag. Auf Länderebene unterstützen die Landesvereinigungen bzw. -zentralen für Gesundheit die Aktivitäten zur Gesundheitsförderung bei Arbeitslosen. Die Zugänge zur Zielgruppe sind vielfältig und auch über arbeitsmarktnahe Settings möglich, z. B. durch Integrationsfachkräfte oder Träger von Maßnahmen der Arbeitsmarktintegration oder über die Fachdienste der Bundesagentur für Arbeit (GKV-Spitzenverband 2024). Sie knüpfen häufig an bestehenden Programmen an.

Am Beispiel der Stadt Essen lässt sich zeigen, wie der Präventionsgedanke in die Geschäftsprozesse eines Jobcenters umfassend integriert und ein kommunales Netzwerk zur Gesundheit systematisch aufgebaut werden kann (Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen 2019; Mikoteit 2021). Für Arbeitslose sind derartige niederschwellige, spezifische und wohnortnahe Angebotsstrukturen mit attraktiven Gruppenangeboten von großem Vorteil. Soziale Unterstützung hilft nicht nur allgemein bei der Lebensbewältigung, sondern ist sowohl bei der Suche nach offenen Stellen als auch für die Stabilisierung der psychischen Gesundheit wichtig. In vielen Stadt- und Landkreisen bieten kommunale Gesundheitskonferenzen oder Gesundheitsregionenplus (> Gesundheitskonferenzen) einen geeigneten organisatorischen Rahmen für die sektorenübergreifende Kooperation.

Die konzertierte Zusammenarbeit zwischen Gesundheits- und Arbeitsförderung ist einerseits eng mit dem Sozial- und Gesundheitssystem in Deutschland verbunden, andererseits stellt das Engagement eine Besonderheit im internationalen Vergleich dar. Der Zugang über die Arbeitsförderung ist ein innovativer Weg, der einen Teil der Arbeitslosen direkt erreichen kann. Parallel bleibt die Aufgabe der Integration von Arbeitslosen in den bestehenden Strukturen der Prävention und Gesundheitsförderung, insbesondere in der kommunalen Gesundheitsförderung. Die Ausgestaltung der Gesundheitsförderung für Arbeitslose ist eine Public Health-Herausforderung und gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Internationale Meta-Analyse zur Gesundheitsförderung bei Arbeitslosen

Eine internationale Meta-Analyse (Paul & Hollederer 2023) untersuchte erstmals die Wirksamkeit von gesundheitsorientierten Interventionen und Gesundheitsförderung bei Arbeitslosen mit quantitativen empirischen Methoden. Die systematische Literaturrecherche ergab 34 geeignete Interventionsstudien bei Arbeitslosen mit mindestens zwei Messpunkten und einer Kontrollgruppe. Für die psychische Gesundheit wurde festgestellt, dass die durchschnittlichen metaanalytischen Effektgrößen direkt nach der Intervention im Vergleich von Interventions- und Vergleichsgruppe signifikant und von kleiner Größe waren sowie etwas geringer beim Follow-up. Die Auswirkungen auf den selbst eingeschätzten körperlichen Gesundheitszustand waren dagegen sehr gering. Wenn jedoch die Verbesserung der Gesundheit das einzige Ziel der jeweiligen Intervention war (und nicht mit Arbeitsmarktintegration gekoppelt), war der Effekt auf die körperliche Gesundheit ebenfalls signifikant.

Zusammenfassend sind die Interventionen zur Verbesserung der Gesundheit von Arbeitslosen nachweislich wirksam, aber die Effektstärken gering. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Gesundheitsförderungsmaßnahmen auch mit geringen Effektstärken die Gesundheit der großen Gruppe der Arbeitslosen de facto verbessern, wenn sie mit großer Reichweite implementiert werden (Stichwort „Präventionsparadox“).

Literatur:

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Internetadressen:

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Gesetze im Internet: www.gesetze-im-internet.de

GKV-Bündnis für Gesundheit: www.gkv-buendnis.de

Michigan Prevention Resource Center/The JOBS Project for the Unemployed: webservices.itcs.umich.edu/drupal/mprc/projects/jobs

Praxisdatenbank Gesundheitliche Chancengleichheit: www.gesundheitliche-chancengleichheit.de/praxisdatenbank

Verweise:

Determinanten der Gesundheit, Gesundheitsfördernde Gesamtpolitik / Healthy Public Policy, Gesundheitsförderung 1: Grundlagen, Gesundheitsförderung und soziale Benachteiligung / Gesundheitsförderung und gesundheitliche Chancengleichheit, Gesundheitskonferenzen, Präventionsgesetz, Public Health Action Cycle / Gesundheitspolitischer Aktionszyklus, Settingansatz/Lebensweltansatz, Soziale Unterstützung, Stress und Stressbewältigung, Zielgruppen, Multiplikatorinnen und Multiplikatoren